Luftaufnahme von Ischgl
APA/EXPA/Johann Groder
Infizierte aus Ischgl

Island warnte Tirol sehr detailliert

Am 5. März hat Island bekanntermaßen eine Warnung nach Tirol geschickt – Touristen kämen mit Coronavirus-Infektionen aus dem Skiort Ischgl zurück. Bis zur Schließung der Liftanlagen dauerte es dann aber viele Tage. Seither steht der Vorwurf im Raum, die Behörden hätten eine Reaktion bewusst verschleppt, um den Betrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Dabei waren die Informationen, die aus Reykjavik übermittelt wurden, schon früh sehr detailliert.

So wussten die Tiroler Behörden bereits am 5. März, in welchen fünf Hotels die infizierten Isländer genächtigt hatten. Das berichtete das Nachrichtenmagazin „profil“ (Onlineausgabe) am Montag. Ein erstes Mail erreichte die Tiroler Behörden bereits in der Nacht, darin wurde auf die Positivtestungen hingewiesen. Noch am selben Tag wurde ein weiteres Mail von Islands Behörden nach Österreich geschickt.

Aus diesem Mail geht unmissverständlich hervor, dass 14 infizierte Urlauber am 29. Februar via München nach Island zurückgekehrt waren – die Tiroler Behörden verfügten also bereits am 5. März über die Information, dass das Coronavirus bereits seit Ende Februar in Ischgl im Umlauf ist. In dem Schreiben wurden außerdem fünf Hotels aufgelistet, in denen die CoV-Infizierten genächtigt hatten. In einem der Hotels gab es gar sieben Fälle.

„Leichte grippeähnliche Symptome“

Erst als tags darauf auch die Namen der mit dem Coronavirus infizierten Gäste nach Tirol übermittelt wurden, kam es zu einer Reaktion. „Anhand dieser Informationen“ seien „Kontaktpersonen in den betreffenden Hotels ermittelt“ worden, hieß es in einer Stellungnahme des Landes Tirol, die „profil“ zitiert. Und weiter: „Lediglich bei einer der befragten Personen wurden leichte grippeähnliche Symptome festgestellt.“ Bereits damals war jedoch bekannt, dass auch symptomfreie Personen mit dem Coronavirus infiziert sein können.

In den laut der übermittelten Liste fünf betroffenen Hotels wurde daraufhin getestet. Angaben waren nur aus einem Hotel zu erhalten: Von dort hieß es, man habe nur jene Mitarbeiterin getestet, die mit den infizierten Gästen am meisten zu tun hatte. Bemerkenswert ist, dass bei den aufgetretenen Fällen im Innsbrucker Hotel Europa Ende Februar ganz anders gehandelt wurde: kein Zutritt mehr für Personen, sämtliche Kontaktpersonen wurden getestet.

Land Tirol verweist bei Testungen auf damalige Vorgaben

Vom Amt der Tiroler Landesregierung heißt es gegenüber ORF.at, die Behörden hätten über die gängigen Vorhaben hinausgehende Maßnahmen angeordnet. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck habe noch am 5. März angeordnet, Daten zu Gästen, Abreisen und Aufenthaltsdauer zu erheben. Von 90 erfassten Personen seien nur zwei Personen ärztlich behandelt worden, beide seien kontaktiert worden, beide seien CoV-negativ gewesen.

Nach Erhalt der Namen der erkrankten Isländer am 6. März seien Kontaktpersonen ermittelt worden – bei den anschließenden Befragungen sei nur ein Verdachtsfall aufgetaucht. Testungen seien nach den damaligen Vorgaben der Regierung ohne Vorliegen von zusätzlichen Risikoindikatoren (Aufenthalt in einer betroffenen Region) nicht vorgesehen gewesen, heißt es in einem Statement gegenüber ORF.at. Gleichzeitig verweist man auf die vorgenommenen Testungen des Barkeepers in der Ischgler Apres-Ski-Bar „Kitzloch“, die ein positives Ergebnis gebracht habe. Danach seien weitere Schritte bis hin zur Sperre des Paznauntals erfolgt.

Ermittlungsergebnisse sollen Ende der Woche vorliegen

Dennoch: Wieso also die für Ischgl zuständige Bezirkshauptmannschaft Landeck in Sachen Testungen anders vorging als die zuständige Behörde in Innsbruck eine Woche zuvor, soll eine Untersuchungskommission klären, die der Tiroler Landtag demnächst einsetzen will. Thema werden dort wohl auch die Ergebnisse der noch laufenden Ermittlungen der Polizei sein, die mittlerweile Hunderte Infizierte – in den überwiegenden Fällen deutsche Urlauber – angestrengt hatten.

Polizeikontrolle am Ausgang des Paznauntals währen der Quarantäne
APA/Jakob Gruber
Polizeikontrollen nach Verhängung der Quarantäne im März

So hatte der Verbraucherschutzverein (VSV) eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, weil die Tiroler Behörden die Sperren von Hotels und Pisten hinausgezögert haben sollen. Der Zwischenbericht der Polizei soll Ende der Woche vorliegen. Dann soll über weitere Ermittlungen entschieden werden, hieß es von Staatsanwalt Innsbruck vergangene Woche. Gegen konkrete Personen werde noch nicht ermittelt.

Der VSV und deren Obmann Peter Kolba brachten gegen Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), Landesräte, Bürgermeister und Seilbahngesellschaften eine Anzeige ein. Kolba teilte zuletzt mit, dass sich beim Verein bereits 4.500 Personen gemeldet hatten, die sich in Tirol Anfang März beim Skifahren infiziert hatten. Die meisten Ansteckungen waren in Ischgl erfolgt. Rund 400 Deutsche hätten bisher den Verein bevollmächtigt, ihre Interessen zu vertreten.

Ischgler Antikörpertests erwartet

Für demnächst erwartet werden auch genaue Angaben zum Grad der Durchseuchung in Ischgl. Die Ergebnisse der dortigen Antikörpertests werden in der zweiten Mai-Hälfte veröffentlicht und publiziert. Mehr als 1.000 Personen, also fast die gesamte Bevölkerung, ist dafür nach Angaben der Direktorin des Instituts für Virologie an der MedUni Innsbruck, Dorothee von Laer, freiwillig getestet worden. Besonders aufschlussreich: Erstmals durchgeführte Neutralisationstests.

Ein Neutralisationstest sei einer von drei Antikörpertestungen, die jede genommene Probe enthalte, so Laer. Dieser Test zeige, ob die jeweilige Person neutralisierende Antikörper aufweist – also „nach menschlichem Ermessen“ immun gegen die Krankheit ist und diese somit nicht mehr übertragen kann, weil das Virus durch die Antikörper inaktiviert wird. Die Ergebnisse dieser Tests würden auch den Unterschied ausmachen zu in vergangenen Wochen immer wieder bekanntgewordenen Schnelltests.

Land Tirol weist AGES-Angabe einmal mehr zurück

Einmal mehr wies das Land Tirol die Darstellung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zurück, wonach es sich beim ersten CoV-Infizierten nicht um den Barkeeper des „Kitzloch“ gehandelt habe. Der Leiter für öffentliche Gesundheit, Franz Allerberger, hatte vor bereits einem Monat auf eine einheimische Kellnerin verwiesen, bei der im März eine CoV-Infektion durch Virenrückstände festgestellt wurde.

Bei der Befragung, wann sie sich das erste Mal nicht gut gefühlt habe, hatte sie den 8. Februar angegeben. Das Land Tirol bleibt aber bei der Darstellung, wonach der deutsche Barkeeper mit norwegischem Namen der erste Fall gewesen sei, wie es vom Amt der Tiroler Landesregierung auf ORF.at-Anfrage heißt. Die Angaben der AGES seien „nicht wissenschaftlich“ – man halte sich an das erste Testergebnis aus dem Labor, das liege zum erwähnten Barkeeper vor.

Dass jene Einheimische bereits einen Monat vor ihrer Testung Erkältungssymptome verspürt habe und die AGES daraus bereits eine Infektion ableiten wolle, sei allein aufgrund der Tatsache nicht plausibel, wonach eine solche nach vier Wochen ohnehin nicht mehr nachzuweisen wäre, so der Sprecher des Amts der Tiroler Landesregierung gegenüber ORF.at. „Im Nachhinein lässt es sich nicht feststellen.“