Bett in einem modern eingerichteten Hotelzimmer
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Urlaub nach der Krise

Tourismus rüstet sich für schwierige Saison

Am 29. Mai dürfen Hotels, Pensionen und Ferienappartements nach wochenlanger, coronavirusbedingter Sperre offiziell wieder den Betrieb aufnehmen. Wie genau dieser aussehen wird, steht in vielen Bereichen noch nicht fest. Die Touristiker haben allen Unwägbarkeiten zum Trotz bereits mit den Vorbereitungen für den Sommer begonnen. Eine besondere Herausforderung stellt der Umgang mit Stammgästen dar.

Eine Verordnung des Gesundheitsministeriums, welche Auflagen die Beherbergungsbetriebe diesen Sommer zu erfüllen haben, gibt es noch nicht. Sie werde „derzeit erarbeitet und wird zeitgerecht veröffentlicht werden“, heißt es dazu aus dem Ressort von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gegenüber ORF.at.

Die Tourismusbetriebe müssen sich also noch ein wenig gedulden. Für den Sommer rüstet man sich trotzdem. „Alle treffen Vorkehrungen, von denen sie denken, dass sie kommen“, sagte Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), im Gespräch mit ORF.at.

Der Vordere Gosausee
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Die heimischen Touristiker bereiten sich auf einen schwierigen Sommer vor

Im Bereich der Gastronomie gehe man davon aus, dass die bereits vorliegenden Regeln auch für die Hotelgastronomie gelten werden. Konkret würde das etwa die Einführung von Abstandsregeln in den Speisesälen beim Frühstück und Abendessen bedeuten. Das Personal, das die Gäste bewirtet, müsste einen Mund-Nasen-Schutz tragen. In der Küche dagegen werde es, so viel wisse man schon, keine Maskenpflicht geben, so Reitterer.

Plexiglasschilder und Handdesinfektionsspender

Ausständig sind offizielle Vorgaben, was die Rezeption, die Reinigung der Zimmer und die Nutzung der Wellnessbereiche wie Schwimmbäder und Saunen betrifft. Die ÖHV hat ihren Mitgliedern vergangene Woche einen Hygieneleitfaden zukommen lassen. Die Empfehlungen seien auch an das Ministerium ergangenen, so Reitterer, „und wir glauben, dass vieles abgebildet sein wird, was in den Verordnungen stehen wird“.

Ein Paar in einem Hotel-Wellnessbereich
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Ob und wie Wellnessbereiche in Hotels diesen Sommer genutzt werden dürfen, steht noch nicht fest

Reitterer führt selbst ein Hotel in Wien. Für den Check-in-Bereich habe sie bereits Plexiglasschilder bestellt, für die MitarbeiterInnen und Mitarbeiter Masken in ausreichender Stückzahl. An „sinnvollen und notwendigen“ Stellen im Haus seien zudem Handdesinfektionsspender angebracht worden.

Stammgäste hängen in der Luft

Ganz oben auf der Liste der Unwägbarkeiten für den Tourismus steht die Frage nach der Reisefreiheit. Die griechische und die italienische Regierung haben bereits Forderungen nach EU-weit einheitlichen Regeln und Hygienevorschriften für den Fremdenverkehr erhoben.

Österreichs Tourismusbetriebe blicken indes gespannt nach Deutschland. Dort tobt eine Politdebatte über die Öffnung der Grenzen zu den Nachbarstaaten. Deutsche sind die größte Urlaubergruppe in Österreich. 37,4 Prozent der insgesamt 79 Millionen Nächtigungen entfielen der Statistik Austria zufolge im Vorjahr auf Reisende aus Deutschland. Viele von ihnen sind Stammgäste, die bereits seit Jahren ihren Sommer mit Wanderungen in den Alpen oder an den heimischen Badeseen verbringen.

Der Umgang mit diesen Gästen stellt viele Beherbergungsbetriebe heuer vor eine besondere Herausforderung. Viele Stammgäste zögern laut Reitterer mit der Stornierung, „weil sie Hoffnung haben, dass ihre Grenzen vielleicht aufgehen und dass sie nach Österreich auf Urlaub kommen können“. Erschwert wird die Entscheidungsfindung der Hoteliers durch die steigende Nachfrage inländischer Gäste. „Das eine ist eine sichere Buchung, das andere die Buchung eines Stammgasts, der seit 20 Jahren zu uns kommt“, beschrieb Reitterer das Dilemma.

Fokus auf inländische Gäste

Die Regierung appellierte bereits mehrfach an die Bevölkerung, in diesem Jahr im eigenen Land Urlaub zu machen. „Österreich bietet ein vielfältiges Angebot. Das heurige Jahr ist ein guter Zeitpunkt, die Heimat zu entdecken“, so Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Eine Familie am Prebersee in Tamsweg
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Die Tourismuswerbung ist heuer auf inländische Gäste zugeschnitten – zumindest vorerst

Auch die Marketingmaßnahmen sind in diesem Jahr auf Gäste aus dem Inland zugeschnitten. Man werde „in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam mit den Tourismusorganisationen der neun Bundesländer und mit den Städten die heimische Bevölkerung von den Urlaubsmöglichkeiten vor der Haustür begeistern“, teilte die Österreich Werbung gegenüber ORF.at mit. Die „Kernbotschaft“ der Kampagne laute „Entdecke dein eigenes Land. Auf dich wartet ein guter Sommer.“

Bei der Österreich Werbung hofft man, dass im Verlauf des Sommers auch grenzüberschreitendes Reisen wieder möglich sein werde. „Wir sind für die verschiedenen Szenarien gerüstet und können in unseren ausländischen Herkunftsmärkten die Bewerbung wieder kurzfristig starten, sobald sich die Möglichkeit zum Reisen abzuzeichnen beginnt. Aber im ersten Schritt starten wir damit, die Österreicherinnen und Österreicher für Urlaub vor der Haustür zu begeistern.“

Schlechter Zeitpunkt für Urlaubsplanung

Die diesjährige Urlaubsplanung ist für die Österreicherinnen und Österreicher mit großer Unsicherheit verbunden. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien, an der sich 1.500 Personen online beteiligten. Drei von vier Befragten sehen der Umfrage zufolge derzeit einen sehr schlechten oder eher schlechten Zeitpunkt, eine Reise zu planen.

Knapp die Hälfte der Befragten gab an, im Juli, August oder September Urlaub machen zu wollen. Bevorzugte Art ist der Bade- und Strandurlaub (über 34 Prozent), gefolgt vom Wanderurlaub (fast 26 Prozent) und Städtereisen (19,3 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten will den nächsten Urlaub in Österreich verbringen, die beliebteste Destination ist Kärnten, gefolgt von der Steiermark.

Den Ausfall ausländischer Gäste können die Österreicherinnen und Österreicher nach Einschätzung des Studienteams nicht kompensieren. Und auch die bisher angefallenen Verluste werde der Tourismus heuer nicht mehr aufholen können, so ÖHV-Präsidentin Reitterer.

Große Unterschiede zwischen Stadt und Land

Zumindest einen Vorteil haben die Touristiker in den ländlichen Gebieten: Gäste reisen für gewöhnlich mit dem Auto an. Hotels, Pensionen und Appartements in Städten sind dagegen stark von Reisenden abhängig, die mit dem Flugzeug kommen. Wann (und ob) fliegen nach der Pandemie wieder so möglich sein wird wie im vergangenen Sommer, lässt sich momentan nicht abschätzen. Hart trifft Hoteliers auch das Wegfallen des in den vergangenen Jahren so starken Kongresstourismus.

Spaziergänger in den Gärten von Schloss Schönbrunn
APA/Hans Punz
Die Gloriette hinter dem Schloss Schönbrunn: In den Städten ist die Situation für den Tourismus besonders schwierig

Inländische Gäste können schon im ländlichen Raum das Fehlen ausländischer Reisender nicht kompensieren – in Städten noch weniger. „In Wien haben wir 80 Prozent internationale Gäste und nur 20 Prozent österreichische“, so Reitterer. Dass sich die Lage rasch bessert, glaubt sie nicht: „Solange wir keine Impfung gegen das Coronavirus respektive eine hohe Durchimpfungsrate haben, wird es sehr schwierig für die Stadthoteliers sein.“ Das Tief werde sich bis mindestens Ende 2021 ziehen.

Ruf nach Verlängerung der Kurzarbeit

Von der Regierung fordert sie die Verlängerung der Kurzarbeit. Im Moment können Unternehmen zwei mal drei Monate die spezielle Kurzarbeitsregelung in Anspruch nehmen. „Das ist für die österreichische Hotellerie, aber vor allem für die Stadthotellerie, viel zu kurz“, so Reitterer. „Hier wünschen wir uns eine Verlängerung auf mindestens zwölf oder 18 Monate, damit wir auch das kommende Jahr, das schwierig wird – Stichwort internationale Gäste – durchtauchen können und unsere Beschäftigten nicht arbeitslos melden müssen.“

„Im Zentrum“: Coronavirus und die große Depression

Die Coronavirus-Pandemie bringt Österreich in eine beispiellose Lage. 570.000 Menschen sind arbeitslos, 1,2 Millionen in Kurzarbeit. Die Regierung schnürt ein Hilfsprogramm nach dem anderen, Dutzende Milliarden Euro werden bereitgestellt. Wie kommt Österreich aus dieser Krise wieder heraus? Darüber diskutieren Peter Haubner (stv. Klubobmann, ÖVP), Sigrid Maurer (Klubobfrau, Die Grünen), Gabriele Heinisch-Hosek (stv. Klubobfrau, SPÖ), Dagmar Belakowitsch (stv. Klubobfrau, FPÖ) und Gerald Loacker (stv. Klubobmann, NEOS).

Auch Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS forderten am Sonntag in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ die Verlängerung des derzeitigen Kurzarbeitsmodells. Die ÖVP-Grünen-Regierung hat eine längere Anspruchsdauer noch nicht zugesichert. Aber: „Vorstellen kann man sich vieles“, so die grüne Fraktionschefin Sigrid Maurer. „Es gibt Gespräche, wie es mit der Kurzarbeit weitergeht“, sagte auch der Sprecher von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Dienstag.