Ein Arbeiter in einer Autowerk
APA/AFP/Swen Pfortner
Rufe nach Neuauflage

Abwrackprämie umstrittener als je zuvor

Die Autoindustrie ist für Deutschland der wichtigste Wirtschaftszweig, entsprechend deutlich sind die Folgen ihrer aktuell schwierigen Situation zu spüren. Am Dienstag berieten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Hersteller und „Autoländer“ wie Bayern die Lage. Auf dem Tisch ist die Forderung nach einer „Kaufprämie“, einer Neuauflage der „Abwrackprämie“ von 2009 – und noch umstrittener als damals.

Derartige Vorschläge sorgen heute für noch mehr Debatten als seinerzeit während der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, wobei sie damals ebenfalls zur Stützung der Fahrzeugindustrie bzw. generell als Konjunkturimpuls gedacht ist, weil sich seit 2008/2009 die Diskussion über den Klimawandel und die Vorgaben an die Hersteller verschärft haben.

Beim deutschen „Autogipfel“ am Dienstag, der für die aktuelle Situation „gewohnt“ per Video stattfand, sei es vor allem darum gegangen, Erwartungen abzuklären, hieß es. Eine Entscheidung über konkrete Maßnahmen solle es erst in ein paar Wochen geben. Vorerst landete die Materie am Dienstag in einer Arbeitsgruppe.

„Autoländer“ machen Druck

An der Videokonferenz nahmen neben Merkel samt Bundesministerinnen und Minister an ihrer Seite federführend Vertreter der großen deutschen Fahrzeughersteller wie Volkswagen (VW), BMW und Audi sowie des Vereins der Automobilindustrie (VDA) und der Gewerkschaft IG Metall teil. Die „Autoländer“ Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg machten sich für finanzielle Anreize zur Ankurbelung der Nachfrage, die der Branche wieder auf die Beine helfen sollten, stark.

Polizisten und ein Demonstrant mit einem Plakat gegen die Autoprämie
APA/AFP/Tobias Schwarz
„Autoprämie zerstört Verkehrswende“: Proteste während des „Autogipfels“

Entsprechende Forderungen sind auch in Österreich auf dem Tisch. Die Debatte darüber wird da und dort sehr kontroversiell geführt. Die deutschen Grünen erteilten pauschalen Prämien eine Absage und stellten das Dieselprivileg infrage. Während der Beratungen am Dienstag gab es Proteste vor dem Berliner Reichstag, unter anderem mit Parolen wie „Vorfahrt fürs Klima“ und „Autoprämie zerstört Verkehrswende“. Auch in Österreich lehnen Umweltschutzorganisationen die Forderung des Autohandels nach einer neuen Verschrottungsprämie vehement ab.

Die „Ökoprämie“ von 2009

Solche Prämien als „Belohnung“ für die Verschrottung eines alten und Anschaffung eines neuen Pkw gab es während der Finanz- und Wirtschaftskrise in mehreren Ländern, in Deutschland nannte sie sich „Umweltprämie“ (2009), in Frankreich „Superbonus“.

In Österreich wurde sie – gleichfalls 2009 – als „Ökoprämie“ eingeführt, galt für Fahrzeuge älter als 13 Jahre (Erstzulassung vor 1. Jänner 1996), Privatpersonen, Handel und öffentliche Hand teilten sich die Kosten von 1.500 Euro pro Fahrzeug. In Deutschland gab es damals 2.500 Euro.

Konkrete Forderungen

Die deutschen „Autoländer“ hatten zuletzt unter Verweis auf etwa 800.000 Arbeitsplätze recht konkrete Vorstellungen geäußert. Für moderne Benziner und Diesel-Pkws ab Schadstoffklasse Euro 6d solle es 3.000 Euro geben, für Plug-in-Hybride, Elektro- und Wasserstoffautos zusätzlich zu bestehenden Förderungen 4.000 Euro.

Arbeiter in einer Produktionsstraße eines Autowerkes
Reuters/Matthias Rietschel
E-VWs im deutschen Zwickau in der Fertigungslinie: Eine ökologische Verkehrswende wird oft als Bedingung für Förderungen gestellt

Außerdem sollten Kundinnen und Kunden, die ein älteres Fahrzeug mit Norm Euro 3 oder Euro 4 (Zulassung bis Ende 2010) abgeben, zusätzlich zur „Kaufprämie“ noch 1.000 Euro Verschrottungsprämie erhalten. Für einen späteren Umstieg auf ein E-Auto solle es dann nochmals 1.000 Euro Umstiegsprämie geben – so weit die Wunschliste.

„Ergibt ökonomisch keinen Sinn“

Auf der anderen Seite gab es unmittelbar vor dem „Autogipfel“ kritische Stimmen zu Prämien welcher Art auch immer, solange sie nicht in Richtung Verkehrswende zielen. „Eine Autokaufprämie ergibt ökonomisch keinen Sinn, setzt falsche industriepolitische Anreize und nützt dem Klimaschutz nicht“, sagte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel, Gabriel Felbermayr, am Dienstag.

„Wer die deutsche Automobilindustrie unterstützen will, tut dies am besten mit erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten auf Investitionen und mit einer großzügigen Förderung der Forschung und Entwicklung“, so der Volkswirt, ein gebürtiger Österreicher, der das Institut seit dem Vorjahr leitet.

Die Probleme vieler Hersteller mit ihren Lieferketten, die durch Schließungen von Fabriken im In- und Ausland, Grenzkontrollen und das Wegbrechen von Flugfrachtkapazitäten gestört sind, würden durch Subventionen nicht beseitigt, so Felbermayr. Die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nannte eine Kaufprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sozial ungerecht sowie ökologischen und ökonomischen Unsinn.

Probleme kamen nicht erst mit Coronavirus

Die gesamte Autobranche, nicht nur die deutsche, hatte sich bereits vor der Coronavirus-Pandemie in einer schwierigen Umbruchsphase – Stichwort: Klimaziele und alternative Antriebe – befunden. Dann kam die Krise, mittlerweile lassen VW, Daimler, BMW, Audi, Ford, Opel und Co. nun ihre Werke wieder anlaufen, viele Mitarbeiter bleiben aber vorerst in Kurzarbeit, die Nachfrage ist gering. In der EU brach die Zahl der Pkw-Neuzulassungen um etwa 55 Prozent ein, in Italien um über 85, in Österreich um knapp 67, in Deutschland um fast 40 Prozent. Im April ging es weiter bergab. Großbritannien meldete am Dienstag ein Minus von 97,3 Prozent im Jahresvergleich.

In der Branche ist die Angst groß, dass die Autobauer „auf Halde“ produzieren, weil es zu wenig Käuferinnen und Käufer gibt. Die Hersteller fordern daher schnelle Entscheidungen über Prämien. Derzeit warteten potenzielle Käufer ab, wann und ob es solche finanziellen Anreize gebe, hieß es in der Autoindustrie.