Frau mit Kind im Homeoficce
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Im Krisenmodus

Neue Mehrfachbelastung für Familien

Für Familien ist die Zeit während der Coronavirus-Krise eine besondere Herausforderung. Für 51 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer ist die Situation mit Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden „sehr belastend“. Das ist das Ergebnis einer SORA-Umfrage im Auftrag des Momentum Instituts. Frauen müssen auch in der Krise deutlich mehr Zeit für Erziehung und Haushalt aufwenden.

Die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen während der Coronavirus-Krise in 42 Prozent der Fälle die Mütter, in 23 Prozent die Väter. „Es braucht eine globale Pandemie, um wenigstens ein Viertel der Väter in die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung zu bringen“, sagte Daniel Schönherr vom Sozialforschungsinstitut SORA bei der Präsentation der Ergebnisse im Rahmen einer Onlinepressekonferenz am Dienstag.

Geschlechterunterschiede werden vor allem im Homeoffice sichtbar, berichtete er weiter. Väter, die von zu Hause arbeiten, sagen zu 64 Prozent, sie betreuen die Kinder währenddessen – bei Müttern sind es sogar 75 Prozent. Immer öfter verschieben Eltern wegen der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder die eigenen Arbeitszeiten auf das Wochenende, den Abend oder gar in die Nacht, lauten weitere Ergebnisse der Umfrage unter 524 Befragten (Eltern von Kindern bis 14 Jahre).

Neue Unvereinbarkeit in Homeoffice

Es findet eine „Entgrenzung der Arbeitszeiten“ statt, interpretiert Barbara Blaha, Leiterin des Momentum Instituts und ehemalige Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH), die Resultate. Eltern müssten arbeiten, wenn sie Ruhe haben – und könnten so wohl oft die vorgegebenen Ruhezeiten nicht einhalten, vermutet Schönherr.

Großeltern fehlen

Sichtbar wird auch die fehlende Möglichkeit der Großeltern als Betreuungsmöglichkeit während der Coronavirus-Krise. Weil Ältere als Risikogruppe gelten, sollen Kinder nicht zu ihnen gebracht werden, um Ansteckungen zu vermeiden. Vor der Krise nutzten 29 Prozent der Befragten diese Option, jetzt nur noch vier Prozent.

Am Land wird bei der Betreuung nach wie vor stärker auf die Großeltern zurückgegriffen (elf Prozent), weil viele Familien durch Mehrgenerationenhaushalte ohnehin mit ihnen unter einem Dach leben.

37 Prozent der Eltern betreuen ihre Kinder, während sie von zu Hause aus arbeiten, gaben die Befragten an. Vor der Coronavirus-Pandemie stellte diese Gruppe gerade einmal sieben Prozent. Gering sind die Betreuungszahlen in den Einrichtungen: Zwei Prozent der Befragten bringen die Kinder zu Schule, drei Prozent in den Kindergarten.

Eine Grafik zeigt, wie sich die Hauptlast der Kinderbetreuung und die Arbeitszeiten durch die Coronavirus-Krise verschoben haben
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: SORA/Momentum

Dramatische Veränderungen

Für die Eltern hat sich in den meisten Fällen aber nicht nur die Betreuung für die Kinder, sondern auch die Erwerbsarbeit drastisch verändert. In 29 Prozent aller Haushalte ist ein Elternteil in Kurzarbeit, in sieben Prozent sogar beide. In neun Prozent aller Haushalte ist ein Elternteil arbeitslos, in einem Prozent haben beide keinen Job mehr. Menschen mit geringer sozialer Absicherung sind stärker betroffen, sagte Schönherr am Dienstag, auch junge Arbeitnehmer treffe die Krise besonders hart.

Von negativen Auswirkungen auf das Familienbudget sind vor allem Familien in der Arbeiter- und Mittelschicht betroffen. Während in der Arbeiterschicht 23 Prozent in Kurzarbeit und elf Prozent arbeitslos sind, sind in der Mittelschicht 22 Prozent in Kurzarbeit und drei Prozent arbeitslos, in der oberen Mittelschicht ist niemand arbeitslos und nur 20 Prozent befinden sich in Kurzarbeit.

Eine Grafik zeigt aufgeteilt nach Bildung den Homeoffice-Anteil in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: SORA/Momentum

Große Bildungsschere bei Homeoffice

Nach Bildungsstand starke Unterschiede gibt es – wie erwartet – auch in der Homeoffice-Nutzung. Unter den Pflichtschulabsolventinnen und -absolventen muss die Mehrheit wie gewohnt an den Arbeitsplatz. Hier ist nur für elf Prozent ein Arbeiten von zu Hause möglich, bei Uni- oder FH-Absolventen ist das für 67 Prozent möglich.

Mütter müssen Arbeitszeit stärker reduzieren

Die Arbeitszeiten der Eltern haben sich durch die Coronavirus-Maßnahmen drastisch reduziert. Im Durchschnitt verringerten Eltern ihre Arbeitszeit um fast zehn Stunden von 35 auf 26 Stunden pro Woche. 55 Prozent der Befragten arbeiten weniger Stunden als vor der Krise. Geschlechterunterschiede setzen sich während Krise fort, analysierte Sozialwissenschaftler Schönherr. Mütter mussten ihre Erwerbsarbeit mehr reduzieren als Väter.

Betreuungslücke im Sommer

Eine große Sorge der Eltern betrifft laut den Ergebnissen der Umfrage die Betreuung im Sommer. Jede zweite Familie musste bereits bisher Urlaub nehmen, um ohne Kinderbetreuung über die Runden zu kommen, berichtete Blaha. Zehn Prozent der Befragten gaben außerdem an, Urlaub gewollt, aber keinen bekommen zu haben. Für den Sommer gab jede dritte Familie an, nicht genug Urlaub zu haben, um die Kinderbetreuung zu schaffen. Viele können sich keine externe Betreuung leisten, bei Befragten, die sich der Arbeiter- und unteren Mittelschicht zuordnen, sind es sogar 60 Prozent.

Teilzeitanspruch bei Schulschließungen?

Basierend auf den Ergebnissen der repräsentativen Umfrage empfiehlt das Momentum Institut ein Maßnahmenpaket, um Familien zu entlasten. So sollen Betreuungseinrichtungen im Sommer durchgehend geöffnet bleiben, es soll ein Rechtsanspruch auf Coronavirus-Teilzeit mit Lohnausgleich während Schulschließungen eingeführt werden und ein bezahlter Sonderurlaub soll helfen, die Betreuung im Sommer zu meistern.

Dass Homeoffice oft als Zukunftsmodell gehandelt wird, sieht Blaha gespalten. In Zeiten mit gesicherter Kinderbetreuung könne das durchaus funktionieren, sagte sie. In Zeiten wie diesen, wo sowohl Beschäftigungsverhältnisse als auch Kinderbetreuungseinrichtungen nicht in normalen Bahnen laufen, sieht sie Homeoffice allerdings durchaus kritisch.

SPÖ fordert Paket für Alleinerziehende

SPÖ-Frauen-Chefin Gabriele Heinisch-Hosek präsentierte am Dienstag ihrerseits eine Umfrage, wonach sich drei Viertel der alleinerziehenden Frauen von öffentlichen Einrichtungen mit der Mehrfachbelastung alleingelassen fühlen. Frauen würden sich einer „Vier- und Fünffachbelastung“ gegenüber sehen.

Zwei Drittel erwarten zudem, dass sich ihre berufliche Situation verschlechtern wird. Ein Drittel der Frauen, vor allem die Frauen in Kurzarbeit, haben der Umfrage des Triple-M-Marktforschungsinstituts zufolge Angst vor Jobverlust, bei Alleinerzieherinnen sind es sogar 44 Prozent. Heinisch-Hosek fordert daher „ganz dringend ein Paket für Alleinerziehende“. Dazu gehöre eine staatliche Unterhaltsgarantie, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent und eine „massive Arbeitszeitverkürzung“ auf 30 Stunden pro Woche.