Die Infektion bei einem 43-Jährigen aus der Nähe von Paris wurde unlängst im Nachhinein entdeckt. Er habe im Dezember trockenen Husten, Fieber, Müdigkeit und schwere Atembeschwerden gehabt, sagte er am Dienstag dem Sender BFMTV. Im Krankenhaus wurde eine Lungeninfektion diagnostiziert. Man habe ihm nicht sicher sagen können, was er hat – nur, dass es sehr ernst wäre, sagte der Mann. Nach wenigen Tagen konnte er das Krankenhaus wieder verlassen.
Die WHO ruft nun auch andere Staaten dazu auf, ähnliche Krankheitsfälle von Ende 2019 nachträglich auf eine Coronavirus-Infektion hin zu überprüfen. Es sei möglich, dass sich noch mehr Patienten und Patientinnen mit vermeintlichen Lungenentzündungen als frühe Fälle erweisen, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier am Dienstag.
WHO: „Sehr interessant, aber nicht überraschend“
Lindmeier bezeichnete die positive Coronavirus-Probe in Frankreich von Ende Dezember als „sehr interessant, aber nicht überraschend“. Gleichwohl ergebe sich ein völlig neues Bild. Die Erkenntnisse würden dabei helfen, die „potenzielle Zirkulation von Covid-19“ besser zu verstehen. Frühe Fälle zu entdecken würde dazu beitragen, dass die Welt sich ein „neues und klareres Bild“ des Ausbruchs machen könnte. Angesprochen auf den allgemein angenommenen Ursprung des Virus in China sagte Lindmeier, es sei sehr wichtig, dem nachzugehen.
In der chinesischen Stadt Wuhan hatte es schon im Dezember mysteriöse und zunächst nicht als Infektionen mit einem neuen Virus erkannte Lungenerkrankungen gegeben. Menschen aus Wuhan könnten das Virus bei Reisen im Dezember unbewusst nach Frankreich und in andere Länder eingeschleppt haben. „Es ist gut möglich, dass weitere frühere Fälle in anderen Ländern entdeckt werden, wenn Gewebeproben jetzt im Nachhinein auf das Virus getestet werden“, sagte der WHO-Sprecher.
Vermutlich durch Reisende eingeschleppt
Für die Theorie, dass das Virus bereits Ende des Vorjahres eingeschleppt worden sein könnte, spricht auch der nun entdeckte Fall in Frankreich. Der Mann selbst hatte zwar keine Verbindungen zu China und war nicht ins Ausland gereist, bevor er im Dezember krank wurde. Doch seine Frau arbeitet in einem Supermarkt in der Nähe des Pariser Flughafens Charles de Gaulle, wo viele Reisende einkaufen. Sie erkrankte nicht – möglicherweise war sie ein asymptomatischer Fall –, könnte das Virus aber mit nach Hause gebracht haben.
Die chinesischen Behörden hatten die WHO am 31. Dezember erstmals über die neue Lungenkrankheit unterrichtet. Bisher wurde davon ausgegangen, dass sie sich erst ab Jänner in Europa ausbreitete. Insbesondere die US-Regierung wirft China vor, bewusst Informationen über das Virus zurückgehalten und so zur weltweiten Ausbreitung des Covid-19-Erregers beigetragen zu haben. Auch mutmaßt sie, dass das Virus in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte.
Geheimdienste glauben nicht an Laborunfall
Westliche Geheimdienste halten die Theorie von einem Laborunfall als Ursprung der Pandemie allerdings für „höchst unwahrscheinlich“. Der US-Nachrichtensender CNN zitierte am Dienstag drei Quellen, die entsprechenden Verdächtigungen von US-Präsident Donald Trump und zuletzt US-Außenminister Mike Pompeo über das neue Virus SARS-CoV-2 widersprachen.
„Es ist höchst wahrscheinlich, dass es auf natürliche Weise aufgetreten und die Infektionen von Menschen durch natürliche Interaktion zwischen Mensch und Tier erfolgt ist“, zitierte der Sender einen Diplomaten. Auch China hatte die Theorie zurückgewiesen. Kommentare in chinesischen Staatsmedien sahen eine Strategie der US-Regierung, China die Schuld zuzuschieben, um von eigenen Versäumnissen in der Pandemie abzulenken.