Am Bild zu sehen ist eine Grafik zur Cluster-Analyse der Ages.
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Clusteranalyse

Wie in Österreich das Virus verbreitet wurde

Rund 3.800 der derzeit etwa 15.600 Infektionsfälle mit dem Coronavirus in Österreich hat die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) untersucht und damit insgesamt 169 Cluster, also zusammenhängende Infektionen, ausfindig gemacht. Rund 35 Prozent aller Cluster und 30 Prozent aller Fälle sind dabei dem Bereich von Senioren- und Pflegeheimen zuzuordnen. Übertragungen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Geschäften wurden in den untersuchten Fällen nicht nachgewiesen.

Die AGES definierte fünf Clustertypen, die durch die Quelle der Erstinfektion bestimmt wird. Gerade zu Beginn der Epidemie habe der „Import“ der Infektion die wichtigste Rolle gespielt, erklärte Daniela Schmid, Leiterin der Abteilung Surveillance und Infektionsepidemiologie der AGES am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Dazu zählen Reisen ins Ausland, von Individuen und Reisegruppen sowie der Kontakt zu ausländischen Touristen in Österreich. Danach habe sich das Virus lokal, vor allem im halböffentlichen Bereich, verbreitet, ab Mitte März konnten die meisten Fälle dieser Kategorie zugeordnet werden. Ab 23. März wurde kein aus dem Ausland importierter Covid-19-Fall verzeichnet.

Unterschiedliche Settings der Verbreitung

Die AGES unterschied zudem elf verschiedene Settings bei der Verbreitung: Dazu zählen Freizeitaktivitäten, der Arbeitsplatz, Haushalt und Familie, Krankenhäuser sowie Senioren- und Pflegeheime – und Mischformen und Kombinationen davon. Die Cluster wurden je nach Art der dominanten Art der Übertragung diesen Settings zugeordnet.

Nur drei Cluster, die allerdings gleich mehr als 1.000 Infektionsfälle umfassen, wurden dem Setting Freizeitaktivität und Haushalt zugeordnet. Dazu zählen wohl Cluster, die in den Tiroler Wintersportorten ihren Ausgang nahmen, mit denen die Infektionen in viele andere Orte verteilt wurden, wo sich dann vor allem Familienmitglieder ansteckten.

Contact Tracing in Österreich

In der Covid-19-Pandemie spielt Contact Tracing von Beginn an eine wichtige Rolle. In Österreich konnten 3.822 Corona-Fälle einem von 169 ermittelten Clustern zugeordnet werden.

Keine Schulcluster, keine Ansteckung in „Öffis“

20 Cluster mit 370 Erkrankten ließen sich rein auf Freizeitaktivitäten wie der Mitgliedschaft in Chor- und Musikvereinen oder dem Besuch von Fitnessstudios zuordnen, so Schmid. Die auf Haushalte und Familien beschränkten Cluster sind zwar vergleichsweise häufig, aber dafür klein: Die 40 entsprechen fast einem Viertel der Cluster, betroffen waren hier allerdings nur 280 Personen, also rund sieben Prozent der analysierten Fälle.

Kein einziger Cluster konnte dagegen Schulen – auch vor den Schulschließungen – zugeordnet werden. Überhaupt seien signifikant wenige betroffene Kinder, so Schmid. Wenn, dann seien sie Teil von Haushaltclustern, wobei allerdings in Familien kein einziges Mal ein Kind als Infektionsquelle vorgekommen sei. Auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs und in Geschäften seien keine Ansteckungen nachgewiesen werden. „Flüchtige Begegnungen“ würden für eine Übertragung des Virus nicht ausreichen, hielt Schmid fest.

Allerdings sind solche Ansteckungen auch schwer aufzuspüren: Die Cluster werden in fast detektivischer Kleinarbeit von den lokalen Gesundheitsbehörden aufgespürt: Infizierte werden genau nach Alltag und Kontakten in den zwei Wochen vor der positiven Testung befragt.

Rund ein Drittel der Fälle in Seniorenheimen

In insgesamt 35,5 Prozent der Fälle verbreitete sich die Erkrankung im Setting Senioren- oder Pflegeheim, betroffen waren Heimbewohner, Pflegepersonal und Folgeerkrankungen im Haushalt der Primärerkrankten. Insgesamt sah Anschober die heimischen Heime aber frühzeitig und im Vergleich zur internationalen Dimension gut geschützt: „Es ist ganz gut gelungen, die ältere Bevölkerung in den Heimen zu schützen.“

Er verwies darauf, dass in den meisten Ländern zwischen einem Drittel und 60 Prozent aller Sterbefälle in Verbindung mit dem Coronavirus in Heimen zu finden waren. Hierzulande hätten sich laut Statistik Austria die Todesfälle in Pensionisten- und Pflegeeinrichtungen im ersten Quartal 2020 nicht signifikant gegenüber dem Vergleichszeitraum geändert, so Anschober.

Günther Mayr (ORF) über Contact Tracing

Günther Mayr (ORF) erklärt, wie Contact Tracing in Österreich funktioniert.

Er verwies darauf, dass beschlossen worden sei, in einem breiten Screening alle Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sowie auch das Personal zu testen. 24.000 Tests seien bereits durchgeführt worden, in Tirol sei das bereits abgeschlossen. Ö1 berichtet allerdings es gebe große regionale Unterschiede: Die Steiermark habe mit den Tests noch gar nicht begonnen – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Neue Cluster schnell identifizieren

Anschober nannte die Clusteranalyse „eine extrem wichtige Hilfe, dass es keine zweite Welle an Infektionen gibt“. Schmid wiederum verwies darauf, dass man beim derzeitigen niedrigen Niveau an Neuerkrankungen die Chance habe, schnell „Kleinhäufungen“ und Hotspots zu identifizieren, die richtigen Maßnahmen zu setzen und die Ansteckungsketten abzuschneiden. Gab es am Anfang nur passive Fallsuche, indem man Verdachtsfälle testete, die sich meldeten, könne man nun aktiv vorgehen und Kontakte von Erkrankten testen. Im Idealfall könnte man die Transmissionsketten dreigliedrig, also ganz kurz, halten, indem man die Quelle der infizierten Person ausmacht und rasch weitere Kontakte abtestet.