Reiner Maria Matysik: Radiolarienübung
Foto: Reiner Maria Matysik, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Der Krise trotzen

Museum verleiht Kunst

Die Kunsthalle Wilhelmshaven macht aus der Not eine Tugend. Wenn die Besucher nicht zur Kunst kommen können, dann muss die Kunst eben zu den Besuchern kommen. Die können sich nämlich die knalligen Objekte der aktuellen Ausstellung „Komm, nimm mich“ von Reiner Maria Matysik für zu Hause ausborgen.

In einer Presseaussendung erklärte die Kunsthalle ihre Aktion mit dem Verständnis, dass Kunst auch Lebensmittel sei. Deshalb lade man mit der Ausleihe zur echten Begegnung mit Objekten, Gebilden und Skulpturen. Thematisiert werden in der Ausstellung der Lebensraum Wattenmeer, die mächtige Kraft des Wassers, die Künstlichkeit der Trennung von Wasser und Land sowie der stetig ansteigende Meeresspiegel.

Die Ausstellungsstücke sind so zahlreich wie bunt und unterschiedlich, es sind Skulpturen mikroskopisch kleiner Strahlentierchen, fragile Wachsobjekte, Glas-Wasser-Skulpturen, die den Tidenhub verbildlichen, eine zentnerschwere Aluminiumplastik in Wolkenform, Installationen und kleinere Kunststoffobjekte. Die Ausleihe all dieser Werke ist unkompliziert online möglich, es liegt ein umfangreicher Katalog (Dropbox) vor.

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Reiner Maria Matysik: kugelreicher erschöpfter
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „kugelreicher erschöpfter“
Links: Reiner Maria Matysik: eingefleischter weissfuss; rechts: Portrait Reiner Maria Matysik
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven; Roland Baege
Links: Matysik: „eingefleischter weissfuss“; rechts: Porträt Matysik
Reiner Maria Matysik: biomorph
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „biomorph“
Reiner Maria Matysik: kunstwerk zuhause bei Michael und Thorsten
Michael und Thorsten
Matysik: „kunstwerk zuhause bei Michael und Thorsten“
Reiner Maria Matysik: oranger multifuss
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „oranger multifuss“
Reiner Maria Matysik: biomorph
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „biomorph“
Reiner Maria Matysik: wulstiges rotes
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „wulstiges rotes“
Reiner Maria Matysik: hellblaues anbetungswürdiges
Foto: Ricardo Nunes, © Kunsthalle Wilhelmshaven
Matysik: „hellblaues anbetungswürdiges“

Das Wattenmeer im Kopf des Künstlers

Die Objekte entreißen mikroskopische Organismen ihrem natürlichen Umfeld und sprengen biologische Grenzen. Sie sind ein Fundus aus jenem Wattenmeer, das als Sehnsuchts- und Furchtort so nur in der Fantasie des Künstlers existiert. Nicht wenige der Objekte sind knallbunte Phalli in allen Stadien der sexuellen Euphorie und Dysfunktion. Andere wiederum erinnern an Coronaviren. Bei den Titeln der Werke beweist der Künstler Humor – so etwa beim Phallus „kugelreicher erschöpfter“.

Die Coronavirus-Krise hat auch den Ausschlag für die Ausstellung gegeben. In der Aussendung der Kunsthalle hieß es: „Mit dem Projekt lässt sich das Potential der direkten Begegnung von Mensch und Kunstwerk zu Zeiten des Kontaktverbots erleben. Die soziale Vereinzelung ermöglicht die Auseinandersetzung mit der künstlerischen Arbeit in größter Nähe und Intimität.“

Kunstausleihe in Coronavirus-Zeiten

Auch beim Organisieren der Aktion wurde die Coronavirus-Krise bedacht. Die Vorschriften der niedersächsischen Landesregierung zur Reduzierung von Kontakten werden streng eingehalten, hieß es. Es finde kein direkter Kontakt zwischen den Ausleihenden und dem Personal der Kunsthalle Wilhelmshaven statt. Ein Leihvertrag werde per E-Mail geschlossen, die Exponate nach Absprache direkt vor der Kunsthalle platziert und könnten dort entgegengenommen oder auf Kosten des Leihnehmers postalisch zugesandt werden. Die Ausleihe erfolge kostenlos.

Matysik, dessen Objekte verliehen werden, ist seit 2016 Professor für „Dreidimensionales Gestalten / Material.Form.Objekt“ an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Wie die Kunsthalle mitteilte, gehören zu seinen Arbeiten zukünftige Lebensformen, eine „cloud machine“ und ein „wolkenfänger“, mit dem er den Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Duisburger Bahnhofsvorplatzes gewonnen hat. Matysik kann auf zahlreiche Ausstellungen in Deutschland zurückblicken, unter anderem im Martin-Gropius-Bau in Berlin.