Sodaten auf einem Pickup in Libyen
AP/Hazem Ahmed
UNO bestätigt

Russische Söldner seit 2018 in Libyen

Ein Untersuchungsbericht von UNO-Experten hat nach Diplomatenangaben den Einsatz russischer Söldner im von Kämpfen erschütterten Libyen bestätigt. Söldner der Gruppe Wagner, denen eine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt wird, seien in Libyen bereits seit 2018 an der Seite des Generals Chalifa Haftar in die Kämpfe gegen die von der UNO anerkannte Einheitsregierung verwickelt.

Ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Außenministeriums sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe sei ein „Instrument der Kreml-Politik“, also ein verlängerter militärischer Arm Putins in Libyen. Moskau hat stets bestritten, direkt in den verheerenden Bürgerkrieg in Libyen verwickelt zu sein. UNO-Diplomaten zitierten am Mittwoch (Ortszeit) aus einem noch unveröffentlichten Expertenbericht: „Das Gremium hat die Gegenwart privater Militärkräfte der Gruppe Wagner in Libyen seit Oktober 2018 identifiziert“, heißt es in dem Bericht.

Die Gruppe Wagner sei in dem Land an Kampfeinsätzen beteiligt und versuche, Einfluss zu gewinnen. Die Söldnertruppe stelle zudem technische Unterstützung, Spezialisten zur Luftraumüberwachung, Know-how für elektronische Abwehrmaßnahmen sowie Scharfschützen. Ihr Einsatz habe Haftars Kampfkraft „effektiv verstärkt“.

Sodaten während einer Kampfpause in Libyen
AP/Ricard Garcia Vilanova
Ein Bild aus einem Video von Haftars Truppen Ende April 2020

„Schattenarmee des Kremls“: Von der Krim bis Zentralafrika

Die Zahl der in Libyen aktiven Wagner-Söldner konnten die UNO-Experten nicht unabhängig überprüfen, schätzten sie aber auf zwischen 800 und 1.200. Die Gruppe Wagner ist eine private Sicherheitsfirma. Tausende ihrer Mitarbeiter sollen in Konfliktgebieten außerhalb Russlands von Syrien über die Ukraine und die Krim-Annektion bis hin zur Zentralafrikanischen Republik im Einsatz sein.

Wie das in Argentinien registrierte Unternehmen seine militärische Einsätze finanziert, darüber ist offiziell nichts bekannt. Die russischen Söldner der Gruppe Wagner werden auch als „Schattenarmee des Kremls“ bezeichnet.

Auf der schwarzen Liste

Ursprung der Söldnertruppe ist nach Angaben der Internetseite Fontanka, welche die Rolle privater Sicherheitsfirmen im Syrien-Konflikt dokumentierte, das Slawische Corps. Nach der Verurteilung seiner Chefs wurde es das Kernstück einer neuen Söldnertruppe unter der Leitung des ehemaligen Mitglieds Dmitri Utkin, Spitzname Wagner.

Utkin und seine Gruppe Wagner tauchen auf einer schwarzen Liste des US-Finanzministeriums auf, weil sie Soldaten in die Ostukraine geschickt haben sollen, um an der Seite der prorussischen Separatisten zu kämpfen. Auch laut Fontanka war die Gruppe Wagner ab Ende 2015 auch in Syrien aktiv.

Der libysche General Khalifa Haftar
APA/AFP
Der abtrünnige General Haftar inszeniert sich bei seinen Auftritten staatsmännisch

Putin-Verbündeter im Hintergrund

Wagner wird Medienberichten zufolge vom Unternehmer und Putin-Verbündeten Jewgeni Prigoschin aus St. Petersburg finanziert. Prigoschin hat mit zahlreichen Aufträgen aus dem russischen Verteidigungsministerium ein Vermögen gemacht und steht wegen mutmaßlicher Einflussnahme auf die US-Wahlen 2016 mit Hilfe von Internettrollen auf der schwarzen Liste des US-Finanzministeriums.

Prigoschin gründete nach Angaben eines ehemaligen Wagner-Söldners die Firma Ewro Polis, die im Auftrag der syrischen Regierung Öl- und Gaseinrichtungen sicherte und dafür mit 25 Prozent an der künftigen Produktion beteiligt wurde. Ewro Polis habe in Syrien jedem Wagner-Söldner zwischen 3.500 und 5.000 Dollar im Monat bezahlt.

Ölfelder im Fokus

Im Februar 2018 wurden Medienberichten zufolge Hunderte russische Söldner und syrische Milizionäre bei dem Versuch getötet, das von US-Truppen kontrollierte Conoco-Ölfeld in Syrien einzunehmen. Russland äußerte sich nie offiziell zu dem Vorfall, doch sollen die Wagner-Söldner im Auftrag des staatlichen syrischen Ölkonzerns agiert haben. Die US-Luftwaffe schlug den Angriff in in der Provinz Deir al-Sor zurück.

Auch in Libyen gibt es große Ölfelder, die von den gegnerischen Seiten in dem Konflikt beansprucht werden. Derzeit haben sich vor allem die Einheiten von Haftar die Kontrolle über die wichtige Einnahmequelle im Osten und in der Mitte des Landes gesichert.

Auch syrische Milizionäre auf Haftars Seite

Dem Bericht über Söldnereinsätze in Libyen zufolge, der am 24. April dem UNO-Sicherheitsrat vorgelegt wurde, kämpfen auch syrische Milizionäre an Haftars Seite in Libyen. Es sei unklar, wer sie ausbilde und finanziere, erklärten die Experten. Eine private syrische Fluggesellschaft habe jedoch seit Jahresbeginn mit mindestens 33 Flügen knapp 2.000 Kämpfer nach Libyen gebracht.

Seit einem von der NATO unterstützten Umsturz 2011 und dem Tod des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi ist das nordafrikanische Land im Chaos versunken. Die von den Vereinten Nationen unterstützte, aber weitgehend machtlose Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis ringt mit den Truppen von General Haftar um die Macht – zudem gibt es Hunderte Milizen und weitgehende Anarchie in dem ölreichen Land. Haftar und seine Truppen kontrollieren einen Großteil des Ostens und Südens des Landes.

Zahlreiche Länder mischen mit

Längst ist in Libyen ein Stellvertreterkonflikt entbrannt: Sarradsch wird von der Türkei, Katar und Italien unterstützt, Haftar unter anderem von Russland, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Frankreich. Im Februar hatte die Türkei verkündet, protürkische Syrer kämpften aufseiten der Einheitsregierung in Libyen. Im Dezember hatte ein UNO-Bericht zudem die Präsenz bewaffneter Gruppen aus dem Sudan und dem Tschad aufgelistet.