Philharmoniker im „Homeoffice“
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„Fest der Freude“

Gedenken im virtuellen Raum

Das „Fest der Freude“ anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs war wegen der Coronavirus-Pandemie heuer nicht auf dem Wiener Heldenplatz mit Zehntausenden Teilnehmern möglich. Es wurde am Freitag in den virtuellen Raum verlegt – als Livestream im Internet und als ORF-III-Übertragung. Zu Wort kamen Zeitzeugen, Politiker und Vertreter der einstigen Alliierten. Die Wiener Symphoniker spielten Beethoven.

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht, und der Zweite Weltkrieg endete in Europa. Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) veranstaltete das „Fest der Freude“ dieses Jahr zum achten Mal. Gewidmet war es neben dem Tag der Befreiung auch dem inhaltlichen Schwerpunkt „Menschlichkeit ohne Grenzen“.

„Wir müssen alle sehen, wie wichtig das Zusammenleben der Menschen ist“, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, in seinem Beitrag. Dabei gebe es auch keine Grenzen. Garanten dafür, dass es eigentlich überall Menschlichkeit geben sollte, seien etwa Organisationen wie die Europäische Union und die Vereinten Nationen.

„Augenblick des Feierns in schwierigen Zeiten“

Botschafter der Befreiernationen USA, Russland, Großbritannien und Frankreich richteten wieder ihre Grüße aus. Auch Margaritis Schinas, Vizepräsident der Europäischen Kommission, meldete sich zu Wort: „Wir durchleben schwierige, beispiellose Zeiten“, erwähnte er die Coronavirus-Krise. Das „Fest der Freude“ sei aber ein Augenblick des Feierns. 75 Jahre nach der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz sei das auch eine Gelegenheit, der Millionen Opfer des Holocaust zu gedenken.

MKÖ-Vorsitzendem Willi Mernyi
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Mernyi eröffnet das virtuelle „Fest der Freude“

Willi Mernyi, MKÖ-Vorsitzender und damit Veranstalter des Fests, sagte, dass die virtuelle Austragung zwar nicht zu vergleichen sei mit der Veranstaltung auf dem Heldenplatz. Eine Absage sei aber einfach nicht infrage gekommen. Mernyi erinnerte auch an den kürzlich verstorbenen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani, der das „Fest der Freude“ immer unterstützt hatte.

Van der Bellen würdigt Deserteur Wadani

Bundespräsident Alexander Van der Bellen mahnte in seiner Videogrußbotschaft ein „Bekenntnis zu Grund- und Freiheitsrechten, zu Rechtsstaatlichkeit, zu Demokratie und zu Solidarität“ ein. Dieses bilde das Fundament „unseres Österreichs“, so Van der Bellen, „ein Bekenntnis gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Fremdenfeindlichkeit.“

Van der Bellen: „An Österreich glauben“

Besonders in schwierigen Zeiten gelte es, an Österreich zu glauben, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

„Gerade in Zeiten so großer Herausforderungen ist es wichtig, an unser Österreich zu glauben. An seine Stärken, seine Errungenschaften und seine Fähigkeit, auch schwierige Situationen zu meistern.“ Der Bundespräsident würdigte in seiner Rede die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen von damals, die die Gräuel erfahren mussten, als „Vorbilder für das Heute“. Besonders erinnerte auch er an Wadani.

„Ihm ist es wesentlich zu verdanken, dass die Verfolgten der NS-Militärjustiz rehabilitiert wurden“, sagte Van der Bellen. Sein Vermächtnis sei das „Deserteursdenkmal“ auf dem Ballhausplatz. „Dort, vor der Präsidentschaftskanzlei und dem Bundeskanzleramt, erinnert es daran, dass humanistische Werte das politische Handeln bestimmen müssen. Und es erinnert daran, dass es auf jeden von uns ankommt, wenn es gilt, diese Werte zu schützen.“

Zeitzeugin Kosnar: „Meine Waffe ist das Wort“

Highlight war die Rede der Zeitzeugin Erika Kosnar. Wegen der Rassegesetze sei sie aus der Volksschule entfernt worden. Es wäre ihr eine Freude gewesen, am Freitag auf dem Heldenplatz zu stehen, wo einst die dafür Verantwortlichen standen. „Doch die Verbrecher sind schon lange tot, aber ich lebe noch“, sagte Kosnar, erinnerte aber daran, dass der Ungeist von damals schon wieder in manchen Köpfen spuke.

Erika Kosnar
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Zeitzeugin Kosnar setzt sich für Zivilcourage und Menschlichkeit ein

„Meine Waffe ist das Wort“, sagte Kosnar, „damit versuche ich, der Jugend Menschlichkeit und Toleranz beizubringen.“ Sie werde oft gefragt, ob die Zeit wiederkommen könne. „Wenn ich manche Zeitgenossen höre, muss ich leider bejahen“, meinte Kosnar, unterstrich aber, dass sich die Jugend für Geschichte interessiere: „Man muss nur wissen, wie man sie ihr bringt.“

An der Stelle, an der Kosnar heute wohne, habe sie 1945 gemeinsam mit anderen Jugendlichen als 13-Jährige aus einer Schutthalde Ziegel herausgetragen. Am Abend habe sie das Geleistete stolz betrachtet. „Damit hat der Wiederaufbau begonnen“, sagte Kosnar. Erst 1960 erkannte sie, in welcher Gefahr sie sich befand, als ein Blindgänger gefunden wurde. „Wir waren stolz, Österreicher zu sein“, sagte Kosnar, viele hätten das in den Jahren des Wohlstands wieder vergessen. „Nur das Für- und Miteinander macht stark und glücklich.“ Das „Fest der Freude“ solle an die Verantwortung für den Frieden und das Glück künftiger Generationen erinnern. Und zum Schluss appellierte Kosnar: „Vergiss nie, dass du ein Mensch bist.“

Philharmoniker im „Homeoffice“
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Die Wiener Symphoniker spielen im Split-Screen-Format Beethoven

Originalprotokolle und Beethoven

Vorgelesene Auszüge aus den Originalprotokollen der US-Truppen zur Befreiung des KZ Mauthausen bildeten den roten Faden der virtuellen Feier. Auch die Wiener Symphoniker und Dirigent Alexander Liebreich waren mit dem „Allegretto“ aus Beethovens 7. Symphonie A-Dur op. 92 im zeitgemäßen Split-Screen-Format vertreten. Das „Fest der Freude“ findet alljährlich in enger Zusammenarbeit mit dem Orchester und mit der Unterstützung der IKG, dem Verein Gedenkdienst sowie dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) statt.