Doppelt hart trifft dann der fehlende finanzielle Ausgleich nach dem Arbeitsverlust, und auch eine Rückkehr in die Heimat ist oft in weiter Ferne. Die Herkunftsländer wollen an Covid-19-Erkrankte nicht aufnehmen. Arbeitsmigranten und -migrantinnen aus Indien, Pakistan, Nepal und Sri Lanka machen einen großen Teil der CoV-Infizierten in den Golfstaaten aus. Allein in Saudi-Arabien betreffen nach offiziellen Angaben von Ende April 70 bis 80 Prozent der in jüngster Zeit nachgewiesenen Infektionsfälle Ausländer.
Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Katar gelten die schlecht ausgestatteten und überfüllten Unterkünfte für Wanderarbeiter als „Coronavirus-Fallen“. Und viele der aus dem Ausland zum Arbeiten Gekommenen stehen nun ohne Job da. Die Regierungen Saudi-Arabiens und Bahrains wollen für ihre eigenen Staatsbürger etwaige Lohnausfälle ausgleichen, doch die Wanderarbeiter sind davon ausgenommen. In manchen Golfstaaten wird an der juristischen Schraube gedreht und das Arbeitsrecht kurzerhand geändert, wie die Deutsche Welle auf ihrer Website schreibt.
Drastisch weniger Überweisungen an die Familien
So ist es Unternehmen etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten möglich, Arbeitsverträge aufzukündigen oder einfach zu ändern – zum Schaden der Wanderarbeiter, die nun ob der schlechten Wirtschaftslage unbezahlten Urlaub nehmen oder aus den Golfstaaten hinausgedrängt werden sollen.
Die Wirtschaft in den Herkunftsländern ist der Weltbank zufolge wiederum von den Einkommen der Migranten und Migrantinnen abhängig, die sie an die Familien überweisen. So brachen die Überweisungen laut der Weltbank je nach Land um bis zu 95 Prozent ein. Das Geld mache einen wichtigen Teil des Bruttoinlandsprodukts aus. Der Arbeitsverlust verstärkt so in den armen Ländern nun zusätzlich die Wirtschaftskrise.
„Wie im Gefängnis“ in Singapur
Auch in Singapur sind Wanderarbeiter offenbar stärker als der Rest der Bevölkerung von CoV betroffen: So meldete der Stadtstaat am Sonntag 753 neue bestätigte Infektionen mit dem Coronavirus. Die Zahl der nachgewiesenen Fälle im Land steige damit auf 22.460, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntag mit.
Der Großteil der neuen Ansteckungen betreffe Wanderarbeiter, die in Gemeinschaftsräumen untergebracht seien, heißt es auch aus Singapur. Als Wanderarbeiter lebe man jetzt „wie im Gefängnis“, berichtete der britische „Guardian“ über die Zustände in Singapur. Teils müssten bis zu 20 Personen in den beengten Räumen etwa in Stockbetten schlafen.
Malaysia will alle Wanderarbeiter durchtesten
Im benachbarten Malaysia wächst die Sorge, wie der US-Auslandssender Voice of America am Wochenende berichtete. Dort will man nun Millionen an Wanderarbeitern auf das Virus testen. Zu groß ist die Angst vor einem größeren Ausbruch in den überfüllten Quartieren wie etwa beim Nachbarn Singapur.
Wie auch der Stadtstaat ist das Land auf die Billigkräfte aus dem Ausland für seine Fabriken und die rege Bautätigkeit angewiesen. Viele Wanderarbeiter gibt es auch in der Gummi- und Palmölindustrie. Laut offiziellen Angaben gibt es 2,5 Millionen legale Arbeitsmigranten – mit hoher Dunkelziffer an illegal eingereisten Arbeitskräften.
Indien: Rückholaktion mit Schwerpunkt Golfstaaten
Indien begann derweil mit einer der größten Aktionen der Welt zur Rückholung im Ausland gestrandeter Bürger und Bürgerinnen. Insgesamt sollen mindestens 190.000 Inder nach Hause geholt werden – und diese Zahl wird sich nach Angaben des Zivilluftfahrtministers Hardeep Puri vermutlich um ein Vielfaches erhöhen.
Ein Schwerpunkt der Rückholaktion sollen zunächst die Golfstaaten sein, wo Millionen Inder und Inderinnen als günstige Arbeitskräfte gearbeitet hatten – viele haben inzwischen ihre Arbeit verloren. Es dürften nur Leute zurück, die keine Covid-19-Symptome zeigten. Für die Rückholaktion müssen die Betroffenen zwischen umgerechnet knapp 150 und rund 1.220 Euro zahlen.
Nach der Ankunft müssen Rückkehrer und Rückkehrerinnen zwei Wochen in einem Krankenhaus oder einer anderen staatlichen Institution in Quarantäne und werden anschließend auf das Coronavirus getestet. Zur Sicherheit müssen alle eine Kontaktverfolgungs-App der Regierung herunterladen. Diese App hatten im 1,3-Milliarden-Einwohner-Land in den vergangenen Wochen mehr als 90 Millionen Menschen installiert. Kritiker befürchten, dass sie bald für alle obligatorisch wird und auch der Umgang mit den Daten macht Menschenrechtlern Sorgen – in einem Land ohne nationales Datenschutzgesetz.
Auffällig viele Fälle in deutscher Fleischindustrie
Doch auch in Europa gibt es das Problem der Unterkünfte und der Ansteckung mit dem Coronavirus für Saison- bzw. Werkarbeiter. So tauchten mehrere Fälle in der deutschen Fleischindustrie auf. Vor allem die Schlachthöfe entwickeln sich zunehmend zu Coronavirus-Brennpunkten.
Im April brach die Krankheit bereits in einem Fleischwarenwerk in Birkenfeld im Bundesland Baden-Württemberg aus. Ende April infizierten sich über 200 Arbeitskräfte aus Rumänien in einem Schlachthof in Süddeutschland mit dem Virus. Jetzt sind Schlachthöfe in Coesfeld und Oer-Erkenschwick in Nordrhein-Westfalen sowie Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein betroffen.
Unterbringung im Visier der Behörden
Tausende Arbeiter auf saisonaler bzw. Werkvertragsbasis kommen etwa aus Rumänien oder Bulgarien. Die deutsche Fleischindustrie steht wegen der Arbeits- und Unterkunftsbedingungen seit vielen Jahren in der Kritik. Vertreter der Gesundheitsämter sollen nun alle Sammelunterkünfte der Arbeiter auf den Infektionsschutz überprüfen.
Dass die Fleischindustrie in diesem Umfang ins Visier der Behörden rückt, habe damit zu tun, „dass wir die Befürchtung haben, dass die Strukturen insbesondere bei der Unterbringung von Werkvertragsarbeitnehmern (…) nicht den Hygienebedingungen einer Pandemieentwicklung entsprechen könnten“, so der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen Karl-Josef Laumann Ende letzter Woche. Das dürfe nicht sein.