„Ibiza“-Untersuchungsausschuss-Verfahrensrichterin Ilse Huber im ORF.at-Interview
ORF.at/Carina Kainz
U-Ausschuss

Hüterin der „Ibiza“-Fragen

Rücktritte, Misstrauen, Neuwahlen: Das „Ibiza“-Video hat im Mai 2019 die Politik ordentlich durchgerüttelt. Ein Jahr später startet nun am Donnerstag der Untersuchungsausschuss. Er wird zahlreiche Auskunftspersonen zur „mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ befragen. Doch ob eine Frage beantwortet werden muss, hängt zum Teil von Verfahrensrichterin Ilse Huber ab.

Die 13 Ausschussmitglieder (fünf ÖVP, drei SPÖ, zwei FPÖ, zwei Grüne, ein NEOS) wollen parlamentarische Aufklärung leisten. Ausgehend vom „Ibiza“-Video stellt sich etwa die Fragen, ob dem Konzern Novomatic für Postenschacher in der teilstaatlichen Casinos Austria AG (CASAG) Glücksspiellizenzen versprochen wurde. Ermittlungen wurden bereits eingeleitet, bisher wiesen alle Beteiligten die Vorwürfe zurück. Auch jene, die am Donnerstag Rede und Antwort stehen müssen: Die beiden Hauptakteure im „Ibiza“-Video, Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie sein damaliger Parteikollege Johann Gudenus.

Die Erstbefragung der beiden Zeugen – wie auch bei allen anderen Auskunftspersonen, die in den nächsten Monaten vor dem Ausschuss geladen sind – wird erstmals eine Verfahrensrichterin durchführen. Ilse Huber, ehemalige Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes (OGH), wird nicht nur auf die Antworten der Auskunftspersonen penibel achten, sondern auch auf die Fragen der Abgeordneten. Man müsse die Leute „bis zu einem gewissen Grad auch reden lassen“, sagt Huber im Gespräch mit ORF.at. Einschreiten will sie nur, wenn die Fragen mit dem Beweisthema überhaupt nichts zu tun haben, oder in die Persönlichkeitsrechte eingreifen.

„Sie sagte, ich soll studieren“

Die Funktion des Verfahrensrichters bzw. der Verfahrensrichterin ist noch relativ jung. Vor dem Jahr 2015 war sie im Prozess der parlamentarischen Kontrolle gar nicht vorgesehen. Erst mit der Reform des U-Ausschusses wurde der beratenden Posten, für den nur Richter bzw. Richterinnen infrage kommen, eingeführt. Der Verfahrensrichter oder die Verfahrensrichterin muss aber pensioniert sein, oder für den Zeitraum des U-Ausschusses dienstfreigestellt werden. Huber ist seit Anfang 2015 im Ruhestand, war aber als Vorsitzende des Senats 3 im Presserat tätig. Dieser Posten ruht vorübergehend.

„Ibiza“-Untersuchungsausschuss-Verfahrensrichterin Ilse Huber im ORF.at-Interview
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Mehr als ein Jahr können die Befragungen im U-Ausschuss dauern. Verfahrensrichterin Huber wird den Endbericht entwerfen.

Huber machte seit 1974 eine klassische Karriere als Richterin. Das verdanke sie ihrer „sehr gescheiten Großmutter“, wie sie betont. „Sie sagte, ich soll studieren und meine Eltern sollen es mir ermöglichen. Eigentlich wollte ich Schneiderin oder Lehrerin werden“, so Huber. Das Studium hat sie „gar nicht gefreut“, aber durchgezogen habe sie es trotzdem. Über Bezirksgerichte in Niederösterreich, das Landesgericht in St. Pölten und das Oberlandesgericht Wien kam sie dann 1993 an den OGH. Ab 2012 bis zur Pensionierung war sie Vizepräsidentin.

Auf die Expertise von Huber wird es ankommen, wenn darüber zu entscheiden ist, ob eine Fragestellung unzulässig ist. Das ist nicht so selten der Fall. In den U-Ausschüssen steht zwar die Aufklärung im Vordergrund, aber wie diese erreicht werden soll, ist jeder politischen Fraktion alleine überlassen. Auch ihre Fragestellungen können zum Teil sehr unterschiedlich sein. Suggestivfragen sind ein Mittel, Provokation ein anderes. „Ich nehme an, dass es in den Befragungen hart hergehen wird“, sagt Huber. Aber mit entsprechender Freundlichkeit und Sachlichkeit werde man dem schon entgegentreten können.

Vorwürfe und Debatten vor Beginn der Befragung

Der U-Ausschuss stotterte quasi bis zum ersten Tag der Befragungen. Das lag zum einen an den unterschiedlichen Ansichten über die Palette der Beweisthemen, was auch den Verfassungsgerichtshof auf den Plan rief. Zum anderen machte das Coronavirus der parlamentarischen Aufklärung einen Strich durch die Rechnung. Auch auf den letzten Metern wurden noch teils heftig gestritten – etwa über den Ort, an dem die Zeugenbefragungen stattfinden sollen.

Um den Mindestabstand wegen des Coronavirus zu ermöglichen, muss mehr Platz geschaffen werden. Die SPÖ sprach sich für den Plenarsaal in der Hofburg aus. Dieser biete auch den Medienvertreterinnen und -vertretern genügend Raum, so die Argumentation. Die Entscheidung fiel aber auf das bisherige Ausschusslokal, das Lokal 7. Zwischen den Sitzplätzen gebe es genügend Abstand, und Plexigläser wurden etwa an der Vorsitzbank, wo auch Huber sitzt, angebracht. Zusätzlich werde ein weiterer Medienraum geöffnet, so die Parlamentsdirektion. Eine Schutzmaskenpflicht gibt es nicht, das Tragen von Masken wird allerdings empfohlen.

Die SPÖ warf Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der dem Ausschuss vorsitzt, vor, er riskiere mit dem Lokal 7 nicht nur, dass Zeuginnen und Zeugen aus Angst vor dem Coronavirus nicht erscheinen werden. Auch die mediale Berichterstattung werde eingeschränkt. Sobotka sei wegen „zahlreicher problematischer Naheverhältnisse“ zu Personen, die teilweise dem U-Ausschuss Rede und Antwort stehen werden müssen, befangen, so NEOS. Der Ausschussvorsitzende sagte: „Ich bin als Vorsitzender mit Sicherheit nicht befangen. Das Gesetz sieht keine Befangenheit vor, und ich greife inhaltlich nicht ein.“

Vorschusslorbeeren für Huber

Huber wird das als Verfahrensrichterin insofern betreffen, als sie den Ausschussvorsitzenden beratend zur Seite steht. Als Moderatorin sieht sie sich nur eingeschränkt, wie sie sagt. Dass es mitunter hitzig zugehen kann, weiß die ehemalige Höchstrichterin. „Bei Gericht ist es nicht anders. Manche holen sehr weit aus.“ Es sei aber wichtig, dass Debatten nicht ausufern. „Sonst zerfleddert die ganze Sache“, betont Huber.

Vorschusslorbeeren bekommt die „Ibiza“-Verfahrensrichterin von ihrer ehemaligen OGH-Kollegin Irmgard Griss. Sie bezeichnet gegenüber ORF.at Huber als „gewissenhafte Richterin“, die akribisch arbeite und „nie Rückstände“ hatte. Die Rolle als Verfahrensrichterin werde Huber wohl ähnlich auslegen, sagt die ehemalige OGH-Präsidentin und NEOS-Politikerin, die mit Huber 1993 an das Höchstgericht berufen wurde. „Sie wird sich die verschiedenen Standpunkte genau anhören und dabei auf die Regeln des Ausschusses achten.“

„Zahnloser“ U-Ausschuss?

Hubers Stellvertreter ist der frühere Vizepräsident des Oberlandesgerichts (OLG) Wien, Wolfgang Pöschl. Über die Einhaltung der Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen werden Rechtsanwalt Andreas Joklik als Verfahrensanwalt und Barbara Weiß, Richterin am Bundesverwaltungsgericht, als seine Stellvertreterin wachen. Daneben werden noch drei weitere Mitarbeiter die Verfahrensrichterin, die auch den Entwurf des Endberichts zu erstellen hat, bei ihrer Arbeit unterstützen.

„Ibiza“-Untersuchungsausschuss-Verfahrensrichterin Ilse Huber im ORF.at-Interview
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Ist der U-Ausschuss „zahnlos“? Nein, sagt Huber. Er sei eine „wirksame parlamentarische Kontrolle“.

Dass ein U-Ausschuss „zahnlos“ sei, wie Kritiker und Kritikerinnen nicht selten monieren, widerlegt Huber, die auch eine ähnliche „oberflächliche Meinung“ gehabt hätte. Wenn man sich aber intensiver mit den Ausschüssen beschäftigt, erkenne man die „wirksame parlamentarische Kontrolle“. Die Folgen des U-Ausschusses auf die Politik und auf die Auskunftspersonen würden unterschätzt werden, so die Verfahrensrichterin. „Aus meiner langjährigen Erfahrung im Disziplinarbereich weiß ich, dass es für Betroffene äußerst unangenehm ist, vor solchen Gremien erscheinen zu müssen.“

Sie erhofft sich auch durch die Aufklärungsarbeit eine „große generalpräventive Wirkung“ und nennt das Beispiel Eurofighter. Nach den bisherigen U-Ausschüssen zum Thema Kauf von Kampfflugzeugen und den Modalitäten, die hier zutage gekommen sind, würde Entscheidungen wohl nicht mehr so locker getroffen werden. Und: „Wenn die Politik kein Auge darauf haben wird, dann die Öffentlichkeit.“