Menschen mit Schutzmasken auf der Mariahilferstraße
ORF.at/Carina Kainz
AGES-Chef Allerberger

Tragen von Masken „teilweise überzogen“

Das Tragen von Schutzmasken in vielen Bereichen der Öffentlichkeit sei teilweise überzogen. Das sagt Franz Allerberger, Infektionsmediziner der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Insbesondere im Freien ergebe das Tragen „überhaupt keinen Sinn“, insbesondere, wenn nicht andere Menschen in der Nähe seien.

Wenn man mit „drei, vier Leuten im Freien eng zusammensteht“, könne man sich zwar anstecken, so Allerberger im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal – wenngleich man die Ansteckungen nicht belegen könne. „Wir kennen keinen Fall, wo man sich im Autobus oder im Freien angesteckt hat“, sagte der Berater von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Dennoch: Ausschließen könne man es nicht, aber das Hauptproblem seien enge Kontakte. Generell sei das Übertragungsrisiko im Freien, selbst unter Anwesenheit anderer Menschen, „sehr, sehr gering“. Und: Bei den Tausenden Fällen, die in Österreich nachverfolgt worden seien, habe es engeren Kontakt von zumindest einer Viertelstunde gegeben.

„Nicht so ansteckend, wie manche annehmen“

Masken in Schulbereichen und in öffentlichen Verkehrsmitteln könnten das Schutzgefühl erhöhen, es gebe aber keine einzige nachgewiesene Verhinderung einer Coronavirus-Infektion dadurch. Es sei „überhaupt keine Frage“, dass das Tragen von Masken in Spitälern, Ordinationen und Pflegeheimen sinnvoll sei. Im Vergleich mit der bisher bekannten Grippe sei das Coronavirus etwa dreimal so ansteckend, aber sechsmal weniger ansteckend als etwa Masern.

Bereits am Wochenende hatte der Facharzt für Infektionskrankheiten gegenüber dem Magazin „profil“ betont, dass das Virus „nicht so ansteckend (sei), wie manche annehmen“. Überhaupt sei die Wirkung einzelner Maßnahmen unklar: „Niemand kann sagen, ob die Rückgänge bei den Neuinfektionen in Europa eine Folge des Lock-down waren oder ob es am wärmeren Wetter oder an sonst etwas liegt.“

Andere waren „überzeugungsfähiger“

Als die Zahl der Infizierten Ende März zurückging, hatte Allerberger als einer der Experten in Anschobers Beraterstab für eine Lockerung plädiert. Die Regierung hatte aber vor einer „Ruhe vor dem Sturm“ gewarnt. Allerberger sieht hier aber nicht die Fehler in der Politik: „Es ist mein Problem, wenn es mir nicht gelungen ist, meine Position überzeugender darzulegen.“ Durchgesetzt hätten sich die Experten, die „überzeugungsfähiger“ waren.

Es sei zwar die Entscheidung der Politik, aber einen neuerlichen nationalen „Lock-down“ hält Allerberger für wenig zielführend: „Das können wir uns gar nicht leisten, weil auf Dauer die wirtschaftlichen Kollateralschäden die Schäden vom Coronavirus übersteigen werden.“ Er plädierte zu „Mut, gezielt regional zu schließen“, wo es notwendig sei.

Tiroler Experte stellte Masken nach Ende Mai infrage

In der vergangenen Woche hatte der Direktor der Innsbrucker Uniklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, die Notwendigkeit des Aufrechterhaltens der Maskenpflicht in manchen Bereichen in Zweifel gezogen. Sollte die Neuinfektionsrate so niedrig bleiben, müsse man etwa über die weitere Sinnhaftigkeit der in verschiedenen Bereichen geltenden Maskenpflicht nachdenken, so Weiss.

Das sagte der Infektiologe bei einer Videopressekonferenz des Landes Tirol und spielte dabei unter anderem auf die Mitte letzter Woche präsentierten Daten der AGES an, die die Übertragungsketten von über 3.800 Infizierten ermittelt hatte. Dabei fand man etwa heraus, dass kein einziger Cluster in Schulen und im Bereich des öffentlichen Verkehrs nachgewiesen werden konnte.

Man sei bereits jetzt in puncto infizierte Personen und Neuinfektionsrate auf einem „sehr niedrigen Niveau“, so Weiss. Sollte diese Entwicklung anhalten, müsse man sich überlegen, welche Maßnahmen mit Ende Mai weiter gelockert bzw. welche neuen Strategien hin zur gewohnten Normalität angewendet werden. Der Mai sei jedenfalls der „entscheidende Monat“.