Schild „Heute Geschlossen“
APA/Herbert Neubauer
Musik, Kabarett, Events

Kulturbranche begehrt gegen Stillstand auf

Die Museen öffnen wieder ebenso wie die Gastronomie, Baumärkte wurden bereits gestürmt, auch sonst wird an Plänen zur Wiederherstellung des öffentlichen Lebens gefeilt. Die Kulturschaffenden des Landes fühlen sich dabei ignoriert und machen ihrem Ärger im Netz und auf der Straße Luft. Adressatin ist Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne), die alsbald ihre Pläne vorlegen will.

Der Freitag ist der Stichtag für weitere Lockerungen in Österreich. Ab dann dürfen Museen, Bibliotheken, Büchereien und Archive besucht werden, ebenso wie Lokale – freilich unter Sicherheitsvorkehrungen. Sie freue sich, dass ab 15. Mai sukzessive die Museen wieder öffnen werden, so Lunacek am Dienstag im Ö1-Radio. Am Freitag will sie auch einen Fahrplan für die vielen Betroffenen in der Kulturbranche vorlegen. Bisher haben die zahllosen Musiker, Kabarettisten, Festivalveranstalter, die Eventbranche und Freischaffende keine Anhaltspunkte – und seit Monaten keine Einnahmen.

Der Unmut der Branche ist entsprechend groß. Am Dienstag sprach der Musikmanager Hannes Tschürtz im Ö1-Mittagsjournal von der finanziellen Misere, die die Pandemie über die heimische Szene brachte, die aber durch die Hilfspakete der Regierung nicht abgefangen würden.

Die Musikwirtschaft sei ein „extrem komplexes Spielfeld“ und habe unterschiedliche Bedürfnisse. Gemeinsam hätten viele Künstlerinnen und Künstler aber, dass sie schon vor der Krise „von der Hand in den Mund“ gelebt hätten. Die bestehenden Regeln des Härtefallfonds seien für die Musikindustrie schlicht nicht anwendbar. Ein Fixkostenersatz helfe einem Musiker nicht weiter, so Tschürtz – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Auf Facebook präzisierte er seine Forderungen: So sollte man Kunstschaffenden Ausfälle ausgleichen, ihre Infrastruktur, etwa Veranstaltungslokale, stützen und „Modelle für Investitionskapital schaffen, wie man es etwa aus der Startup-Welt kennt“, so Tschürtz.

Rettungsschirm gefordert

Unter Schauspielern, Musikern und anderen Kulturschaffenden formierte sich nun auch eine Initiative, die per Petition einen Rettungsschirm für die Branche fordert. Die Auswirkungen der Pandemie auf „Kunst, Kultur, Event- und Kreativwirtschaft sind dramatisch. Unsere Branchen wurden als erste zugesperrt und werden auch zu den letzten gehören, die ihre Arbeit wieder voll aufnehmen können“, hieß es am Dienstag in einer Aussendung.

Kabarettist Lukas Resetarits in der ZIB2

Kabarettist Lukas Resetarits erklärt die Beweggründe für die Veröffentlichung jenes Videos, in dem er den Umgang der Regierung mit der Kulturbranche kritisiert.

„Wir wollen keine Bittsteller sein, sondern fordern von der Regierung Unterstützung für alle, die aktuell nicht arbeiten und künstlerisch tätig sein dürfen“, so die Gruppe. In einer Krise wie der aktuellen brauche es von der Politik „besonderes Engagement, Klarheit, Wissen um künstlerische Lebens- und Arbeitsrealitäten, Verlässlichkeit und Mut. Dies vermissen wir aktuell.“

„Missachtung der Branche“

Gefordert wurde eine finanzielle Kompensation für fehlende Ticketverkäufe, Kurzarbeitsregeln für „kurzfristig Beschäftigte“, wie sie sich im Kulturbetrieb zahlreich finden, und eine Verlängerung der Kurzarbeitsregeln sowie der Hilfsfonds, bis all jene, die in der Event- und Unterhaltsbranche tätig sind, ihre Arbeit wieder zu 100 Prozent aufnehmen dürfen. In der vordersten Reihe der Initiatoren fanden sich neben dem Perkussionisten Martin Grubinger auch die Schauspieler Erwin Steinhauer und Adele Neuhauser sowie SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda.

Demonstration in Wien vor dem Rathaus
ORF
Stiller Protest der Eventbranche am Montag in Wien

Mitinitiator war auch der Kabarettist Lukas Resetarits. Er hatte in den vergangenen Tagen mit einem Video für Aufsehen gesorgt, am Montag bekräftigte er seine schwere Kritik an Lunaceks Krisenmanagement in der ZIB2. „Ich bin wütend, weil das eine Missachtung unserer ganzen Branche ist.“ Man sei nicht kontaktiert worden, auch wenn sich die gesamte Branche, die den Grünen in der Vergangenheit viel Rückhalt gegeben habe, in der Pandemie vorbildlich verhalten habe, so Resetarits.

In diese Kerbe schlugen auch die Literaturhäuser Österreichs, die sich mit einem offenen Brief an Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Lunacek wandten. Die aktuelle Situation sei für den literarischen Betrieb eine Katastrophe, weshalb man Planungssicherheit „zum jetzigen Zeitpunkt“ einforderte. Ähnlich äußerten sich am Dienstag acht heimische Orchester in einer an Lunacek gerichteten Stellungnahme – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kritik an Vorgehen

In einem offenen Brief hatten sich zudem am Montag über 50 Künstler und Festivalleiter an die Regierung gewandt. Auch sie forderten konkrete Maßnahmen für die Branche. In dem siebenseitigen Brief wurde ein grundsätzliches Bekenntnis zu Kunst und Kultur gefordert und das bisherige Vorgehen kritisiert. „Sie haben nun mit sechswöchiger Verspätung und nach verständlicher medialer Empörung Gespräche mit einigen tatsächlichen ExpertInnen aus der Kunst- und Kulturbranche gesucht. Diese dürften, glaubt man den darüber berichtenden Medien, kontroverse Erkenntnisse und vorerst keine konkreten Ergebnisse gebracht haben“, hieß es darin.

Peter Schneeberger zur Kritik der Kulturbranche an Lunacek

Peter Schneeberger kommentiert die von Kulturstaatssekretärin Lunacek (Grüne) verlautbarten Sicherheitsmaßnahmen für die Kulturbranche und die scharfe Kritik von vielen Künstlerinnen und Künstlern an ihrer Amtsführung.

„Deutlich über 100 kleine und mittelgroße Sommerfestivals stehen entweder vor dem saisonalen oder, in Abhängigkeit davon, vor dem kompletten Aus, so sie nicht bereits abgesagt wurden“, so der Brief. Er wurde initiiert von dem Pianisten und Dirigenten Florian Krumpöck, unter den Unterzeichnenden fanden sich auch Theaterdirektoren, Schauspieler, Musiker und Festivalleiter.

Lunacek weist Berichte über Rücktrittsüberlegungen zurück

Mit einem stillen Protest versuchten am Montag zahlreiche Eventveranstalter auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Mit einem Konvoi Dutzender Lkws auf dem Wiener Ring protestierten sie gegen die Unmöglichkeit einer Planung.

Lunacek sagte, ihr seien die Sorgen der Branche bewusst. „Ich höre all das, ich spreche auch mit ganz vielen.“ Etliche Petitionen, offene und andere Briefe erreichten sie, „wo Menschen einfach sagen, wir wollen diese Öffnungen jetzt“. Man arbeite intensiv an einem Stufenplan für Lockerungen. „Da sind noch Details zu klären – und ja, mein Plan ist, dieser Tage vorzustellen, wie die nächsten Monate, Juni und dann auch Juli, August, welche Regeln es hier geben kann“, so Lunacek – Audio dazu in oe1.ORF.at. Fehler gebe sie „sehr wohl auch zu“.

Einen Bericht des „Standard“ (Onlineausgabe) wies Lunacek unterdessen zurück, wonach sie vor Tagen ihren Rücktritt in den Raum gestellt haben soll. „Ich halte mich nicht mit Gerüchten auf. Ich kämpfe mit aller Kraft weiter, den Kunst- und Kulturbereich gut über die Corona-Krise zu bringen“, sagte sie in einer schriftlichen Stellungnahme am Abend.„Das ist mein Ziel. Ich weiß, wie schwierig die Lage der in der Kunst und Kultur Tätigen ist und nehme die Kritik sehr ernst. Kunst und Kultur sind essenziell für unsere Gesellschaft, sie sind wichtig für die Demokratie und unseren Wirtschaftsstandort Österreich“, so die Staatssekretärin. „Gute Maßnahmen zur Stabilisierung der finanziellen Notlagen und die Lockerungen im Veranstaltungsbereich sind derzeit meine oberste Priorität. Dafür setze ich mich ein.“