Warum das alles nicht so einfach ist und man nicht nach Lust und Laune Gift verspritzen kann, liegt nicht zuletzt am Grundsätzlichen: Auf den Galapagosinseln im Pazifik, rund 1.000 Kilometer westlich von Ecuador entfernt, konnte sich durch die isolierte Lage eine einzigartige Flora und Fauna entwickeln. Viele Pflanzen- und Tierarten gibt es nur hier, etwa die berühmte Riesenschildkröte, die Meerechse und den Scalesia-Baum.
Das einmalige Naturparadies steht nicht nur durch die Brombeere vor einer großen, ökologischen Herausforderung: invasive Pflanzen- und Tierarten wie Hunde, Katzen, Ratten und Fliegen. Eingeschleppt durch den Menschen, gefährden sie das empfindliche Ökosystem. Rund 30.000 Menschen leben auf Galapagos, und der Tourismus stieg innerhalb von vier Jahrzehnten auf das 25-Fache an. Bis vor Kurzem besuchten jährlich circa 280.000 Touristen die Inseln, dadurch steigt das Risiko von eingeschleppten Arten.
Undurchdringbares Dickicht
Besonders problematisch unter den invasiven Arten ist jedoch die Brombeere. Eingeführt wurde sie 1968 von Farmern auf der Insel Santa Cruz, um süßen Saft aus ihren Früchten zu machen. Seither überwuchert sie die Inseln und hat sich mittlerweile auf einer Fläche von rund 30.000 Hektar ausgebreitet. Besonders betroffen sind die feuchten Hochländer der Inseln Santa Cruz, Isabela, San Cristobal, Floreana und Santiago.
Brombeeren wachsen schnell und können bereits innerhalb von drei Monaten Blüten ausbilden und Tausende von Samen produzieren. Die Pflanze bildet stachelige Dickichte, die bis zu drei Meter hoch wachsen können. Tiere wie die Riesenschildkröte und Pflanzen können den dichten Brombeerteppich nur schwer durchdringen.
Brombeeren auf Galapagos
Eine Brombeerplage bedroht das Naturparadies auf den Galapagosinseln. Forscher – auch aus Österreich – suchen nach einem Ausweg.
Brachliegendes Land als Problemfaktor
In Studien konnte festgestellt werden, dass die einheimischen Pflanzenarten einen Bedeckungsgrad der Brombeere von 50 Prozent noch tolerieren können, sagte Heinke Jäger, Biologin von der Charles Darwin Foundation auf Santa Cruz, im Interview mit ORF.at. „Nimmt die Bedeckung aber zu“, fügte die Biologin hinzu, „sterben die einheimischen Pflanzen unter der Bedeckung ab.“
Die Brombeere ist sowohl im Nationalparkgebiet, das rund 97 Prozent der Inselflächen ausmacht, als auch in den Landwirtschaftszonen eine Plage. Ein großes Problem stellen unbewirtschaftete Flächen dar, so Franz Zehetner vom Institut für Bodenforschung der BOKU Wien. Zehetner war vergangenes Jahr im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts auf den Galapagosinseln, um Bodenanalysen durchzuführen und Einblick in die Problematik der invasiven Pflanzen- und Tierarten zu bekommen.
Landflucht als eine der Ursachen
Der steigende Tourismus auf den Inseln sei eine lukrative Einkommensquelle für die Inselbevölkerung, sagte Zehetner im Interview mit ORF.at. Durch den Tourismus steigt der Bedarf an Lebensmitteln, Infrastruktur und natürlichen Ressourcen. Das schafft Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten. Zehetner fügte hinzu: „Vor allem junge Menschen aus dem landwirtschaftlich geprägten Hochland ziehen deshalb in die urbanen Zentren an der Küste.“
Das hat zur Folge, dass sich die Brombeere auf den brachliegenden Flächen unkontrolliert ausbreiten kann und die Anbauflächen dadurch stark beeinträchtigt werden.
Herbizide und Co.
Die Nationalparkverwaltung und Landwirte setzen verbreitet Herbizide ein, um die Brombeere zu bekämpfen. Welche Folgen der Einsatz von chemischen Mitteln für die Umwelt hat, wurde laut Zehetner bisher noch wenig untersucht. Aber anhand von Analysen konnte das Team der BOKU zahlreiche Pestizidrückstände und Schwermetalle wie das hochgiftige Cadmium in Bodenproben nachweisen.
Jäger forscht aktuell mit der Organisation CABI (Centre for Agriculture and Bioscience International) nach einer biologischen Methode, um den Eindringling zu bekämpfen. Bei der klassischen biologischen Bekämpfung werden natürliche Feinde der invasiven Pflanzen- und Tierarten aus ihrem ursprünglichen Herkunftsgebiet eingesetzt, um die Eindringlinge zu schwächen und ihre Verbreitung zu verringern.
Rostpilze
Rostpilze sind Pflanzenparasiten und zählen zu den natürlichen Feinden der Rubus-niveus-Brombeere, die ursprünglich aus der chinesischen Provinz Yunnan stammt.
Spezialisierte Parasiten
Der Parasit kann sehr wirtsspezifisch sein, das heißt, er attackiert nur eine Pflanzenart. Das macht ihn zu einem geeigneten Anwärter für die Bekämpfung der Brombeere. Jäger erklärte, dass sich besonders Rostpilze spezialisieren können, wenn sie sich in isolierten Gebieten entwickeln, wie zum Beispiel in der Region in Yunnan, die durch das Himalaya-Gebirge eingegrenzt ist.
Man erkennt den Rostpilz an den gelblich-orangenen bis rot-braunen Pusteln, die er beim Befall auf den Blättern seines Wirts bildet. Mit einem kleinen Saugorgan dringt der Parasit in das Pflanzengewebe ein und raubt der Pflanze ihre Nährstoffe. Die Pflanze verhungert sozusagen und wird stark geschwächt. Dadurch verringert sich die Samenproduktion.
Zeit drängt
Aktuell testet das Forschungsteam verschiedene Rostpilzarten an Brombeerpflanzen, um den Rostpilz zu finden, der sich auf diese Brombeerenart spezialisiert hat. Erst wenn gewährleistet ist, dass der Parasit auf keine anderen Pflanzen überspringt, kann er zur Bekämpfung der Brombeere auf Galapagos eingesetzt werden.
Eine erfolgreiche biologische Bekämpfung ist nicht nur eine nachhaltige Alternative zu den Herbiziden, sondern würde auch die Kosten für die Kontrolle der Brombeere senken. Die einheimische Vegetation kann sich regenerieren und der Anbau auf den brachliegenden Flächen könnte wieder aufgenommen werden. Doch noch wird auf verwertbare Ergebnisse gewartet. Die Zeit drängt.