Polizeibeamtin mit Gesichtsmaske kontrolliert ein Auto an der deutsch-österreichischen Grenze
APA/AFP/Christof Stache
Coronavirus

Deutsch-österreichische Grenze ab 15. Juni offen

Die geschlossenen Grenzen zwischen Deutschland und Österreich werden am 15. Juni vollständig geöffnet. Das teilte das Bundeskanzleramt der APA am Mittwoch mit. Schon ab dem Wochenende wird es an den Grenzen nur noch stichprobenartige Kontrollen geben. Auch die Grenzen zur Schweiz sind ab Mitte Juni wieder komplett offen, vorausgesetzt, die Infektionsraten entwicklen sich entsprechend.

Das Kanzleramt bestätigte damit den von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel skizzierten zweistufigen Öffnungsprozess. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Dienstag mit Merkel telefoniert, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) mit seinem deutschen Amtskollegen Horst Seehofer. Die deutsche Regierung beschloss eine schrittweise Lockerung der Kontrollen ab Samstag, die vollständige Aufhebung sei am 15. Juni geplant, sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer am Mittwoch. Voraussetzung sei aber, dass das Infektionsgeschehen weiter zurückgehe.

Es sei die „klare Zielsetzung“ der deutschen Regierung, dass es ab Mitte Juni wieder einen freien Reiseverkehr in Europa gebe, so Seehofer weiter. Die deutsche Regierung empfehle zudem, dass die deutschen Bundesländer die bestehenden Quarantänevorschriften für EU-Binnenreisen aufheben. Dafür soll es auch über den 15. Mai hinaus keine Einreisen aus Spanien und Italien geben, da sei man sich mit Österreich, Frankreich und der Schweiz einig, sagte Seehofer weiter.

Grafik zu Kontrollen an Österreichs Grenzen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Österreich hatte Mitte März innerhalb weniger Tage seine Grenzen wieder kontrollieren lassen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu hemmen. Eine Einreise nach Österreich ist nur an bestimmten Grenzübergängen erlaubt. Außerdem müssen Einreisende ein Attest über ihren Gesundheitszustand mit sich führen. Mittlerweile wurden die Bestimmungen wieder etwas gelockert, etwa für Familienbesuche und Pendler. Entsprechende Verordnungen treten mit Ende Mai außer Kraft.

Andere Länder sollen folgen

Geöffnet werde am 15. Juni auch die Schweizer Grenze zu Österreich und Deutschland, bestätigten die Schweizer Behörden am Mittwoch. Auch hier gilt eine entsprechende Entwicklung der Infektionsraten als Bedingung. Bereits am Dienstagabend hatte Kurz in der Sendung „10vor10“ des Schweizer Fernsehens gesagt, dass er eine Grenzöffnung im Juni erwarte.

Wie das Bundeskanzleramt in Wien mitteilte, strebt Österreich eine Liberalisierung des Grenzregimes vorerst mit bestimmten weiteren Nachbarländern an. Kurz habe Nehammer, Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg beauftragt, einen ähnlichen stufenweisen Prozess auch mit Liechtenstein und osteuropäischen Nachbarländern aufzusetzen, „wenn die Infektionen auch dort unter Kontrolle bleiben“.

Tschechien kündigte an, dass die Grenzen zu Östereich und der Slowakei bis zum 8. oder auch 15. Juni wieder geöffnet werden könnten. Der tschechische Außenminister Tomas Petricek will kommende Woche mit Vertretern Österreichs und der Slowakei über den Zeitplan für die Öffnung der Grenzen verhandeln.

„Keine Perspektive“ für Italien

Um die tourismusbezogenen Aspekte werde sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kümmern, hieß es. Zunächst seien nur Grenzöffnungen in Nachbarstaaten geplant, so Köstinger im Ö1-Morgenjournal. In Sachen Italien könnte es aber noch länger dauern, so die Tourismusministerin – Audio dazu in oe1.ORF.at. Entsprechend äußerte sich auch Kurz am Mittwoch nach der Ministerratssitzung: Italien sei in einer besonderen Situation, daher sei dort auch ein anders Vorgehen notwendig. Angesichts der weiterhin sehr hohen Ansteckungszahlen gebe es „keine Perspektive auf baldige Grenzöffnungen“.

Köstinger vor Ostern mit Vorstoß

Köstinger hatte vor Ostern als erstes Regierungsmitglied eine Grenzöffnung zu Deutschland auf Basis einer bilateralen Vereinbarung noch vor dem Sommer ins Spiel gebracht. Sie war damit zunächst auf eine verhaltene Reaktion sowohl des Gesundheitsministeriums als auch der deutschen Regierung gestoßen.

Die österreichische Tourismuswirtschaft ist stark von deutschen Sommerurlaubern abhängig. Vor allem drängte die Branche aber auf Klarheit, was die Sommersaison betrifft, und verwies auf Buchungen von deutschen Stammgästen, die Zusagen für neue österreichische Gäste erschwerten. Das Vorgehen entspreche dem Ansatz „So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie nötig“ und folge auch den Empfehlungen der EU-Kommission nach einem graduellen Prozess auf Grundlage von klar definierten Kriterien, hieß es nun aus dem Bundeskanzleramt.

Was die Lockerungen genau bedeuten und wie sie ausgestaltet werden, müsse noch geprüft werden, sagte etwa Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Punktuelle Kontrollen könnten bedeuten, dass nicht mehr rund um die Uhr kontrolliert wird. Es könnte aber auch heißen, dass die Gründe, die Grenze zu überqueren, erweitert werden – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Wirbel um R-Wert in Deutschland

Deutschland hatte in der Coronavirus-Krise Grenzkontrollen zu Dänemark, Frankreich, Luxemburg, der Schweiz und Österreich beschlossen, die derzeit bis 15. Mai befristet sind. Einreisen darf nach Deutschland derzeit nur, wer einen triftigen Grund hat. Zudem gilt in Deutschland bis Mitte Juni eine weltweite Reisewarnung für touristische Auslandsreisen. Dem Vernehmen nach soll diese Warnung künftig auf bestimmte Länder beschränkt werden.

Erst diese Woche sorgte die Nachricht für Unruhe, wonach die effektive Reproduktionszahl in Deutschland über die Schwelle von 1 gestiegen sei. Die Zahl gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Schnitt aktuell ansteckt. Das Coronavirus schien sich im größten EU-Mitgliedsland wieder auszubreiten, doch am Dienstag gab das Robert-Koch-Institut Entwarnung: Der Wert liege bei 0,94 – das bedeutet, dass zehn Infizierte durchschnittlich 9,4 Personen mit dem Coronavirus anstecken. Aus Salzburg gibt es warnende Stimmen vor einer Grenzöffnung zu Bayern – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Erste Grenzübergänge öffnen für Pendler und Anrainer

Bereits am Mittwoch öffneten in der Früh mehrere kleinere Grenzübergänge zwischen Bayern und Österreich für Berufspendler und Anrainer – mehr dazu in tirol.ORF.at und salzburg.ORF.at. In Oberösterreich geht es um die Grenzübergänge Breitenberg-Hinteranger/Vorderanger und Voglau, die nunmehr täglich von 7.00 bis 20.00 Uhr offen sein werden, sowie Bad Füssing-Obernberg (6.00 bis 20.00 Uhr). Am Mittwoch gab es in Oberösterreich allerdings Verwirrung – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Wie das Innenministerium der APA auf Anfrage mitteilte, wird auch der Salzburger Grenzübergang Großgmain/Bayerisch Gmain geöffnet, allerdings nur für Berufspendler mit Wohnsitz bzw. Arbeitsplatz in diesen beiden Gemeinden oder in Bad Reichenhall. Zu Tirol sollten deutschen Angaben zufolge die Grenzübergänge Reit im Winkl/Kössen sowie Oberjoch/Schattwald geöffnet werden. Weiters wird nunmehr eine Reihe weiterer Grenzübergänge für Land- und Forstwirte benutzbar sein. Lockerungen gibt es auch an der Grenze zwischen der Steiermark und Slowenien – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Im Burgenland sind seit Mittwochfrüh zwei weitere Grenzübergänge zu Ungarn geöffnet. In Andau (Bezirk Neusiedl am See) kann die Grenze zwischen 5.00 und 21.00 Uhr passiert werden, in Neumarkt an der Raab (Bezirk Jennersdorf) zwischen 7.00 und 19.00 Uhr. Die Grenzöffnungen sollen den Pendlern den Weg in die Arbeit erleichtern, betonte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto auf Facebook – mehr dazu in burgenland.ORF.at. Am Freitag öffnet das große deutsche Eck – mehr dazu in tirol.ORF.at

Hotels begrüßen Vorhaben

Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) begrüßte die Ankündigung der Regierung. „Viele Kolleginnen und Kollegen stehen bereits in den Startlöchern und freuen sich über die angekündigte Grenzöffnung zu Deutschland. Was leider noch immer fehlt, sind klare Regeln für die Wiedereröffnung“, sagte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer in einer Stellungnahme. Laut Regierung ist geplant, dass Beherbergungsbetriebe mit Ende Mai wieder öffnen dürfen. Bis jetzt gilt das Betretungsverbot allerdings bis Ende Juni. An einer Verordnung werde gearbeitet, hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Laut einer aktuellen ÖHV-Umfrage peilen 45,8 Prozent der heimischen Hotellerie den 29. Mai als Wiederöffnungsdatum an. „Das ist in etwas mehr als zwei Wochen. Die Betriebe brauchen eine Vorlaufszeit, damit sie etwaige Adaptierungen noch durchführen und vorgeschriebene Hygiene-Sets bestellen können und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Planungssicherheit haben“, so Reitterer.

Begrüßt wurde die komplette Grenzöffnung ab 15. Juni auch von der Bundessparte Tourismus- und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Die Öffnung werde sich in vielen Bereichen positiv bemerkbar machen, so Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher in einer Aussendung. Mit einem Anteil von 37 Prozent aller Nächtigungen in Österreich seien die Deutschen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Tourismusexperte Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) dämpfte den Optimismus im Ö1-Mittagsjournal aber etwas. Er erwartet trotz der Grenzöffnungen eine deutliche Zurückhaltung bei den Buchungen, also eine schwache Nachfrage. Insbesondere für den Westen Österreichs seien die Grenzöffnungen aber „gute Nachrichten“. Auch für den Städtetourismus in Wien sei der deutsche Markt wichtig. Leicht werde es für viele Hoteliers heuer im Sommer trotzdem nicht – Audio dazu in oe1.ORF.at.