Demonstranten in Michigan
AP/Paul Sancya
Neue US-Proteste

Milizen schüren Hass in Kampf gegen CoV

Demonstrationen mit bewaffneten Teilnehmern sind in den USA, besonders in republikanisch geführten Staaten, keine Seltenheit. In den letzten Wochen nahmen sie aber überhand: Der Kampf gegen Beschränkungen im Zuge der Coronavirus-Krise trieb obskure Gruppierungen auf die Straße, in Michigan besetzten rechte Milizgruppen Ende April gar das Parlament. Am Donnerstag droht ein ähnliches Szenario.

„Direkt über mir schreien uns Männer mit Waffen an“, beschrieb die Senatorin Dayna Polehanki am 30. April die Lage im Parlament von Michigans Hauptstadt Lansing. Einige ihrer Kollegen hätten kugelsichere Westen angezogen. Die örtliche Polizei zeigte sich entspannter: Es sei auch in staatlichen Gebäuden legal, Waffen mit sich zu führen. Auf Plakaten der Protestierenden wurde die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer als Adolf Hitler dargestellt.

Das war allerdings erst der Anfang: Die Generalstaatsanwältin von Michigan, Dana Nessel, berichtete Anfang der Woche über „glaubwürdige Drohungen“ gegen demokratische Politikerinnen und Politiker. Die „Detroit Metro Times“ hatte sich Zugang zu mehreren privaten Facebook-Seiten verschafft, die nur registrierten Mitgliedern offen stehen. Darin, hieß es in dem Bericht, „wimmle es von paranoiden, sexistischen und auch grammatikalisch bedenklichen Beschimpfungen. Es wird unverhohlen zu Gewalt und Missachtung von Social Distancing aufgerufen.“

Demonstranten stürmen das Büro der Gouverneurin
Reuters/Seth Herald
Am 30. April herrschte im Parlamentsgebäude von Lansing völliges Chaos

„Wir brauchen einen Lynchmob“

Facebook reagierte nur zögerlich: „Wir haben eine Gruppe wegen Missachtung unserer Regeln gelöscht. Weitere prüfen wir derzeit.“ In den Einträgen wurde vielfach die Ermordung von Gouverneurin Whitmer propagiert, Dutzende Mitglieder riefen zu ihrer Erhängung auf. In der Gruppe „People of Michigan vs. Gov. Gretchen Whitmer“ etwa stand zu lesen: „Wir brauchen einen Lynchmob, der die Tyrannin aus dem Parlament schleift und sie aufknüpft, wie es unsere Vorväter gemacht hätten.“

Auf der Facebook-Seite „Michiganders Against Excessive Quarantine“ wiederum stand: „Man fragt sich, wie lange es noch dauert, bis Whitmer mit einer Schrotflinte durchlöchert wird.“ Ein anderer schrieb, er hoffe, dass die Demonstranten am Donnerstag „bis auf die Zähne bewaffnet“ sein werden. Für diesen Tag haben die „patriotischen“ Milizen erneut zu einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude in Lansing aufgerufen. Die Furcht vor Gewaltexzessen ist entsprechend hoch.

Gouverneurin bleibt gelassen

Führende Politiker von Demokraten und Republikanern gleichermaßen verurteilten die „Einschüchterungstaktik“ der Demonstranten scharf und forderten die Polizei dazu auf, jene zu verhaften, die mit Waffen hantieren würden. „Diese Leute sind Schlägertypen und ihr Kalkül ist verabscheuungswürdig“, zitierte der „Guardian“ am Mittwoch den Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mike Shirkey. „Es ist niemals angemessen, die Sicherheit oder das Leben einer anderen Person, ob gewählt oder nicht, zu bedrohen“, so Shirkey. Den Demonstranten gehe es jetzt wohl darum, „Blut vor diesem Gebäude zu vergießen“, warnte die demokratische Senatorin Mallory McMorrow.

Lockerung geht vielen zu langsam

In den letzten Wochen wurden aufgrund zurückgehender Infiziertenzahlen einige Anordnungen gelockert, der Ausnahmezustand aber bis Ende Mai verlängert und ein sechsstufiger Wiederöffnungsplan beschlossen, der sich über Monate ziehen könnte. Auf einer Pressekonferenz am Montag erkannte Whitmer das Recht zu protestieren an, forderte die Demonstranten jedoch auf, Vorsicht walten zu lassen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Lakonisch sagte sie: „Wenn Sie demonstrieren wollen, bitte ich Sie, eine Maske zu tragen und einen Abstand von etwa zwei Metern zu anderen zu wahren.“

Whitmer gehört zu den Aufstrebenden bei den Demokraten und wird so zunehmend nicht nur in Michigan zum Ziel von Attacken, sondern etwa auch von US-Präsident Donald Trump. Er sprach den Demonstranten seine Unterstützung aus. „Das sind sehr gute Leute, aber sie sind wütend“, schrieb Trump auf Twitter. „Sie wollen ihr Leben zurück, auf sichere Weise.“ Auch in anderen Bundesstaaten befeuerte Trump wiederholt die Proteste gegen Eindämmungsmaßnahmen wegen des Coronavirus und rief etwa zur „Befreiung“ von Virginia, Minnesota und Michigan auf.

Die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer
AP/Michigan Office of the Governor
Gouverneurin Whitmer zeigte sich bis zuletzt unerschrocken – und gilt landesweit als Hoffnungsträgerin der Demokraten

Neue Hotspots in republikanischen Hochburgen

Für ihn selbst gab es zuletzt aber schlechte Neuigkeiten, wie der „Guardian“ am Mittwoch berichtete: Neue Coronavirus-Hotspots scheinen derzeit vor allem in traditionell republikanischen Bundesstaaten zu entstehen, in denen sich die Gouverneure weigerten, Ausgangsbeschränkungen zu erteilen, oder Trumps Rat befolgten, die Maßnahmen rasch zu lockern. In einem Bericht vom 7. Mai, der der NBC News vorliegt, wurden Nashville (Tennessee), Des Moines (Iowa), Amarillo (Texas), Racine (Wisconsin), Garden City (Kansas) und Central City (Kentucky) als neue Cluster angeführt.

Trumps Behauptung, die Pandemie sei besiegt und die Fallzahlen stetig am Sinken, wurde zuletzt auch von seinem führenden Berater Anthony Fauci widerlegt. Fauci warnte am Dienstag bei einer Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Senats vor einer verfrühten Öffnung der Wirtschaft: „Die Folgen könnten wirklich schwerwiegend sein.“ Die Zahlen würden sich zwar derzeit in die richtige Richtung entwickeln, sagte der Immunologe, aber: „Wir haben den Coronavirus-Ausbruch nicht unter Kontrolle.“