Rekonstruktion einer Tatortuntersuchung
APA/AFP/Tiphaine Le Liboux
Ermordete Partnerin erfunden

Serienkiller-Experte stolpert über Lügennetz

Stephane Bourgoin galt bis dato in Frankreich als Experte für Serienmorde: Der 67-Jährige interviewte laut eigenen Angaben Dutzende der berüchtigtsten Täter, veröffentlichte über 30 Sachbücher zu dem Thema, trat regelmäßig in Dokumentationen auf. Doch kürzlich wurde nach einer Recherche bekannt, dass der Autor große Teile seiner Biografie einfach erfunden hat – inklusive der vermeintlichen Ermordung der eigenen Freundin.

Bourgoin hatte behauptet, dass seine Partnerin „Eileen“ 1976 in Los Angeles von einem Mann getötet und verstümmelt worden sei, der noch zehn weitere Frauen ermordet haben soll. Dieses Erlebnis sei der Startpunkt für seine Karriere gewesen: „Ich habe sein Geständnis gelesen. Ich habe nach Büchern über diese Menschen gesucht, aber nicht viel gefunden“, so Bourgoin im Jahr 2000 zur Zeitung „La Liberation“. Um den Mord zu verarbeiten und zu verstehen, habe er begonnen, sich mit Serienmördern zu beschäftigen, bekannte Täter wie Charles Manson, Ed Kemper oder David Berkowitz interviewt und ein Training beim FBI absolviert – Bourgoin galt als weltweite Kapazität.

Zwanzig Jahre und millionenfach verkaufte Bücher später gestand der Autor nun gegenüber der Zeitung „Le Parisien“, dass „Eileen“ überhaupt nie existiert hat. Stattdessen habe er die Geschichte rund um eine junge Frau konstruiert, die er 1975 fünf- oder sechsmal getroffen habe und die tatsächlich von dem Serienmörder Gerald Stano ermordet worden sei. Er habe nicht gewollt, dass die Welt ihren Namen kenne. Die Lüge sei eine „Dummheit“ gewesen, so der Autor gegenüber der Zeitung.

Mit YouTube-Videos enttarnt

Und es ist bei Weitem nicht die einzige Unwahrheit, die Bourgoin fabriziert hat. Zum ersten Mal hinterfragt wurden seine Angaben von einem anonymen Kollektiv selbst deklarierter „Kriminalliebhaber“, die in mehreren YouTube-Videos Zweifel an Bourgoins Karriere äußerten. Sie stellten unter anderem infrage, ob Bourgoin Manson tatsächlich getroffen habe. Die Gruppe wolle, dass „er aufhört, Geld mit erfundenen Geschichten zu tatsächlich ermordeten Menschen zu machen“.

Die Videos wurden gelöscht, doch die französische Presse sprang auf die Vorwürfe an. In einer Serie von Artikeln flogen zahlreiche Lügen Bourgoins auf. So dementierte das FBI gegenüber „Le Parisien“, dass der Autor mit dem FBI zusammengearbeitet habe. Ein Franzose hätte kein Training im berühmten US-Profiling-Center in Quantico absolvieren können.

Weniger Serienmörder, kein Profifußballer

Und der Autor selbst gestand, dass er keine 77 Serienmörder interviewt habe. Es seien vielmehr 30 gewesen, wovon er weniger als zehn persönlich getroffen habe. Darüber hinaus soll Bourgoin auch plagiiert und Treffen mit Ermittlern erfunden haben. Er sei auch nie – wie er behauptet hatte – Profifußballer beim Fußballverein Red Star Paris gewesen. Welche seiner aktuellen Angaben wahr sind, bleibt freilich offen.

In dem Interview bezeichnete sich Bourgoins als Mythomane – also einen pathologischen Lügner, der eine Therapie brauche. All die Lügen der vergangenen Jahre seien „lächerlich“, so der 67-Jährige gegenüber „Le Parisien“. Er habe sich und sein Leben mit den Lügen „verstärken“ wollen – dies sei aber nicht notwendig gewesen, da sein tatsächliches Werk objektiv gesehen ausreichend gewesen sei. Er tue ihm „sehr leid“, so Bourgoins. Das Erscheinen seines neuen Buchs Ende des Frühjahrs wurde gestoppt, ebenso eine Lesetour durch ganz Frankreich.