LGBTI-Umfrage: Kaum Fortschritte in Europa

Lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle (LGBTI) Menschen sind nach wie vor mit Angst, Gewalt und Diskriminierung konfrontiert. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) unter LGBTI-Personen in Europa – mit 140.000 Teilnehmenden die bisher größte weltweit.

Insgesamt habe es im Vergleich zur Befragung 2012 kaum Fortschritte gegeben, heißt es in dem heute veröffentlichten Bericht. Zwar sei die Gleichstellung von sexuellen Minderheiten in einigen EU-Ländern vorangetrieben worden, insgesamt zeige sich aber, dass LGBTI-Personen überall noch mit negativen Erfahrungen zu kämpfen haben und im Alltag nicht sie selbst sein können. Zwischen den einzelnen Staaten bestehen teils erhebliche Unterschiede.

Viele verheimlichen sexuelle Identität

„Aus Angst, verspottet, diskriminiert oder sogar angegriffen zu werden, verheimlichen nach wie vor sehr viele LGBTI-Personen ihre sexuelle Identität“, sagte FRA-Direktor Michael O’Flaherty. „Noch beunruhigender ist, dass wir in der letzten Zeit in der EU Anti-LGBTI-Vorfälle erleben mussten – etwa Angriffe auf Pride-Paraden, proklamierte ‚LGBTI-ideologiefreie Zonen‘ und Strafen für LGBTI-freundliche Werbungen“, so Helena Dalli, die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung.

Die 2019 durchgeführte Erhebung bildet die Situation in den 27 Mitgliedsstaaten der EU sowie in Großbritannien, Serbien und Nordmazedonien ab. Erstmalig sind darin auch Erfahrungen von intersexuellen Menschen und von jungen LGBTI-Personen im Alter von 15 bis 17 Jahren erfasst. Aus Österreich nahmen 2.315 Menschen an der Befragung teil.

Leicht positives Bild in Österreich

Größtenteils bewegten sich deren Antworten im Mittel beziehungsweise zeichneten ein etwas positiveres Bild. Bei der Frage nach der allgemeinen Zufriedenheit rangiert Österreich hinter den Niederlanden und Dänemark sogar auf Platz drei.

54 Prozent meinten, dass Vorurteile und Intoleranz gegenüber sexuellen Minderheiten in Österreich in den letzten fünf Jahren abgenommen hätten. Im EU-Schnitt sagten das nur 40 Prozent über das jeweils betroffene Land.

40 Prozent der LGBTI-Personen aus Österreich haben sich in den letzten zwölf Monaten wegen ihrer sexuellen Identität mindestens einmal diskriminiert gefühlt, im EU-Schnitt waren es 42 Prozent. 33 Prozent deklarierten sich, im vergangenen Jahr belästigt worden zu sein – der Durchschnitt liegt bei 38 Prozent.

Elf Prozent erlebten in den vergangenen fünf Jahren einen physischen oder sexuellen Übergriff, das trifft genau den Mittelwert. Etwas über dem Schnitt liegt aber die Häufigkeit dieser Übergriffe: 13 Prozent antworteten, das sei sechsmal oder öfter der Fall gewesen.

Problembereich Schule

Als Problembereich ließe sich eventuell das schulische Umfeld ausmachen. So sagten nur 38 Prozent der befragten 15- bis 17-Jährigen, es gebe in der Schule jemanden, der ihre Rechte als LGBTI-Person vertritt oder schützt (EU-weit 48 Prozent). 47 Prozent der Teenager meinten, Schulkollegen und Lehrer hätten sich für LGBTI-Anliegen eingesetzt (EU-weit 60 Prozent).

Auffällig ist der hohe Anteil innerhalb der Transgenderpersonen aus Österreich, die schon körperliche Eingriffe hinter sich haben, um ihr Äußeres ihrem empfundenen Geschlecht anzupassen: 46 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe gegenüber dem EU-Durchschnitt von 27 Prozent. Nur in den Niederlanden ist dieser Wert mit 48 Prozent noch höher. 28 Prozent der österreichischen Transgenderpersonen haben ihr Geschlecht rechtswirksam ändern lassen (EU-weit 16 Prozent).

EU-Agentur fordert Entschlossenheit der Staaten

Die in Wien ansässige EU-Agentur für Grundrechte appelliert an politische Entscheidungsträger, entschlossener gegen Diskriminierung und hassmotivierte Verbrechen aufzutreten – etwa durch das Aufsetzen von umfassenden nationalen Aktionsplänen.

Konkrete Vorschläge sind die leichtere Anzeigbarkeit von Straftaten und Diskriminierung durch Onlinemeldeinstrumente und die angemessene Ausstattung von Gleichstellungsstellen, damit diese Diskriminierungsopfer wirksam unterstützen können.