Plastikflaschen
Getty Images/Ilona Nagy
„Ökologische Scheinlösung"

Getränkehersteller setzen auf Bioplastik

Das niederländische Biochemieunternehmen Avantium arbeitet derzeit an der Entwicklung von Kunststoffen auf Basis nachwachsender Rohstoffe – und bekommt dabei Rückenwind von großen Konzernen wie Coca-Cola, Carlsberg und Danone. Experten und Expertinnen warnen jedoch vor „ökologischen Scheinlösungen“. Denn im schlimmsten Fall könne Bioplastik sogar mehr Schaden als Nutzen verursachen.

Trotz der Coronavirus-Krise läuft das selbst ernannte „Pionierprojekt“ auf Hochtouren. „Bier und alkoholfreie Getränke könnten bald aus Kunststoffflaschen getrunken werden, die auf Pflanzen basieren“, schrieb der „Guardian“ am Samstag. So will etwa der Brauereikonzern Carlsberg seine Biere künftig in Kartonflaschen verkaufen, die im Inneren mit einer Schicht aus Pflanzenplastik versehen sind.

Der Geschäftsführer von Avantium, Tom van Aken, hofft auf Investments der großen Unternehmen bis Ende des Jahres – weitere Partner sollen in den kommenden Monaten folgen, heißt es in dem Bericht weiter. so könnten bereits 2023 die ersten pflanzenbasierten Plastikflaschen in den Supermarktregalen stehen.

Papierflasche von Carlsberg
Avantium
So könnte die Bierflasche der Zukunft aussehen: Außen Karton, innen eine pflanzliche Plastikschicht

Plastik ohne fossile Brennstoffe

Für deren Herstellung würden im Gegensatz zu herkömmlichen Kunststoffflaschen keine fossilen Brennstoffe verwendet, sondern nachhaltig angebaute Zuckerpflanzen. Deren Strukturen würden chemisch zerlegt und zu einem neuen Kunststoff auf pflanzlicher Basis wieder zusammengesetzt werden, heißt es vonseiten des Unternehmens.

Bioplastik

Der Begriff bezieht sich auf zwei Arten von Kunststoffen: einerseits auf jene, die aus Biomasse hergestellt wurden, anderseits auf Kunststoffe, die zwar auf fossilen Brennstoffen basieren, aber dennoch biologisch abbaubar sind.

Das Bioplastik könnte dadurch viel schneller abgebaut werden als normale Kunststoffe, sagte van Aken gegenüber dem „Guardian“. Mit Hilfe eines Komposters brauche die Zersetzung lediglich ein Jahr, ohne „ein paar Jahre länger“. Im besten Fall würden aber auch diese Flaschen recycelt werden, so der Geschäftsführer.

Bei dem Projekt sei geplant, vorerst nur 5.000 Tonnen Kunststoff pro Jahr aus Zucker, Mais, Weizen oder Rüben herzustellen, van Aken rechne jedoch mit einem Wachstum, da in Zukunft die Nachfrage nach erneuerbaren Kunststoffen steigen werde. Zudem soll in Zukunft pflanzlicher Zucker aus Bioabfall verwendet werden, um die Nahrungsmittelversorgung nicht zu beeinträchtigen.

Reiher watet in Plastikmüll
Reuters/Erick Marciscano
2050 könnten Kunststoffe Schätzungen zufolge bereits für 15 Prozent der weltweiten CO2-Produktion verantwortlich sein

Unternehmen wollen Beitrag zum Klimaschutz leisten

Mit der Abkehr von der Plastikherstellung aus fossilen Brennstoffen wollen die beteiligten Großunternehmen eigenen Angaben zufolge einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Schließlich trägt die Produktion von jährlich rund 360 Millionen Tonnen Kunststoffe erheblich zur Verschärfung der Klimakrise bei: Das im Kunststoff enthaltene Kohlendioxid wird beim Abbau wieder frei und heizt so die globale Erwärmung zusätzlich an.

Bioplastik ist hingegen klimaneutral. Die Pflanzen, aus denen es hergestellt wird, entnehmen für ihr Wachstum genauso viel CO2 aus der Atmosphäre, wie sie später bei ihrer Verrottung wieder freigeben. Einer 2018 veröffentlichten Studie deutscher Forscher zufolge sei die Verwendung von Bioplastik jedoch weit weniger effizient, als man annehmen mag.

Maisfeld
Reuters/Vincent Kessler
Von Mais zu Stärke zu klimaneutralen Bioplastik – dafür braucht es Ackerflächen, was wiederum zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes führt

Mehr Äcker, weniger Wälder, mehr CO2

Eines der Hauptprobleme stelle vor allem die Landnutzung dar. Global gesehen könnten für den Anbau von Pflanzen wie Mais und Zuckerrohr wertvolle Waldflächen verschwinden – Wälder binden jedoch aufgrund ihrer größeren Biomasse weit mehr Kohlendioxid als die zur Herstellung von Bioplastik verwendeten Pflanzen. Eine steigende Nachfrage nach der „ökologischeren“ Alternative könnte somit enorme Waldrodungen mit sich bringen, was wiederum zu einem erhöhten Treibhausgasanstieg führen würde, so die Autoren der Studie. Sie plädieren dafür, bei der Herstellung von Bioplastik daher auf pflanzliche Abfälle anstatt auf eigens angebaute Pflanzen zurückzugreifen.

Experten kritisieren „Scheinlösung“

Auch bei Greenpeace zeigt man sich Bioplastik gegenüber skeptisch und spricht dabei von einer „ökologischen Scheinlösung“. Bei Bioplastik handle es sich insofern um keine ökologische Alternative, da es sich nach der Verarbeitung in den meisten Fällen kaum vom herkömmlichen Kunststoff unterscheide. Gelangt es ins Meer, sei es für Meerestiere oft genauso gefährlich.

Zudem werde es in der industriellen Kompostierung aufgrund langer Abbauzeiten überwiegend aussortiert und mit dem Restmüll verbrannt, so Greenpeace in einer Aussendung Ende vergangenen Jahres. Auch in Österreich würden nur 25 Prozent der Plastikverpackungen in den Recyclingprozess gelangen – der Rest werde verbrannt.

Auf der Website heißt es dazu: „Biokunststoffe sollen Einwegkunststoffe und/oder Kunststoffe auf Erdölbasis ersetzen. Dieser Idee nach, würden wir also nicht unseren Abfall reduzieren, sondern ihn lediglich durch andere Materialien ersetzen.“ Produzenten und Konsumenten müssten daher auf Wiederverwenden statt Wegwerfen setzen.