Eine US-Amerikanerin hält ein Briefwahlkuvert in der Hand
Reuters/Daniel Acker
Rennen um Weißes Haus

US-Briefwahlstreit als Suche nach Vorteil

Die Coronavirus-Krise hat in den USA die heftig geführte Debatte über die Briefwahl wieder aufflammen lassen. Republikaner wie Demokraten erhoffen sich von der Ablehnung bzw. der Ausweitung der Briefwahl einen Startvorteil bei den Präsidentschaftswahlen Anfang November. Die Gräben sind tief. Während die Demokraten Druck machen, lehnt der republikanische US-Präsident Donald Trump eine Ausweitung strikt ab.

Die Demokraten wollen ohnehin das US-Wahlsystem reformieren und den Zugang, wie etwa die Registrierung im Wahlregister, erleichtern. Bisher wurden allerdings ihre Anträge durch die republikanische Mehrheit im Senat immer abgelehnt.

Ihre Argumentation: Durch die CoV-Krise sei eine Reform des Wahlsystems notwendig, damit alle US-Bürger und Bürgerinnen überhaupt wählen könnten, wie das Politmagazin „Politico“ schreibt. Doch nicht nur die Vertreter und Vertreterinnen der Republikaner im Senat sind dagegen. Auch republikanisch geführte Bundesstaaten bleiben auf der bisherigen Linie.

Republikaner wollen Identifizierung verschärfen

Die republikanische Partei sperrt sich seit Langem gegen eine Öffnung und spricht sich gegen die Ausweitung des Wahlzugangs aus. Sie fordert stattdessen strengere Maßnahmen, die die Gesetze zur Identifizierung von Wählern und Wählerinnen ausbauen. Nur so könne ihrer Ansicht nach die Integrität des Wahlprozesses gewährleistet werden, wie der Nachrichtensender CNN auf seiner Website schreibt.

US-Wahlmaschine
Reuters/Mike Blake
Eine der vielen unterschiedlichen US-Wahlmaschinen, hier aus Kalifornien

Umfrage zeigt große Zustimmung zu Briefwahl

In einer vom Markt- und Meinungsforschungsunternehmen Morning Consult durchgeführten Umfrage, die zu Wochenbeginn veröffentlicht wurde, sieht man allerdings deutlich die Zustimmung zur Briefwahl. Drei von fünf Wahlberechtigten unterstützen entweder stark oder einigermaßen ein Bundesgesetz, dass „allen Wählern Briefwahlzettel für Wahlen zur Verfügung stellt, die während der Coronavirus-Pandemie stattfinden“, wie „Politico“ schreibt.

Nur ein Viertel der Befragten sei einigermaßen oder stark gegen diese Idee, heißt es weiter. Die Befragung zeigt auch deutlich den ideologischen Graben zwischen den zwei großen politischen Lagern auf. So sind laut der Umfrage 77 Prozent der Demokraten für den Vorstoß. Republikanische Wähler und Wählerinnen sind indes gespalten. 48 Prozent sind strikt dagegen und befinden sich damit auf Parteilinie, 42 Prozent können der Idee allerdings etwas abgewinnen, wie „Politico“ weiter schreibt. Eine Umfrage des Pew Research Center kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Sieben von zehn Wahlberechtigten sind für die Briefwahl.

Online- und Registrierung am Wahltag gefordert

Auch weitere Wahlrechtsreformvorschläge der Demokraten konnten sich bisher nicht durchsetzen. So fordern sie, dass man sich noch am Wahltag in die Wahlregister eintragen lassen darf, und eine Onlineregistrierung. Auch die Möglichkeit, bereits vor dem Wahltag die Stimme abzugeben, sollte unter anderem laut ihrem Vorstoß ausgebaut werden. Von der republikanischen Senatsmehrheit kommt indes Ablehnung. Sie argumentiert, dass die Demokraten durch eine Reform den Urnengang föderalisieren wollen, auch sei nicht genug Zeit, eine mögliche Reform überhaupt bis zu der Wahl im November fertigzustellen.

Insgesamt wurden 2016 23 Prozent und 2018 26 Prozent der Stimmzettel abgegeben, so ein Bericht des Brennan Center for Justice. Die Wahlinfrastruktur ist jedoch von Bundesstaat zu Bundesstaat sehr unterschiedlich. Fünf Bundesstaaten — Colorado, Hawaii, Oregon, Utah und Washington — planen die Wahl als reine Briefwahl.

Kalifornischer Gouverneur unterzeichnete bereits Dekret

Auch der Gouverneur des demokratischen Bundesstaates Kalifornien will wegen der CoV-Pandemie die Wahl im November per Briefwahl abhalten. Er habe ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, teilte der Demokrat Gavin Newsom Mitte Mai mit. Danach können alle Wahlberechtigten in dem bevölkerungsreichsten US-Staat mit knapp 40 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen, wobei rund die Hälfte wahlberechtigt ist, die notwendigen Unterlagen per Post einreichen. Das geschehe zum Schutz der Gesundheit der Wähler, sagte Newsom.

Briefwahlstimmen werden ausgezählt
Reuters/Paul Vernon
Die Post ist für die Briefwahl äußerst wichtig – deswegen wird das US Postal Service zum Politikum

Trump droht mit Entzug von Bundesmitteln

US-Präsident Donald Trump drohte derweil den Bundesstaaten Michigan und Nevada mit dem Entzug von Bundesmitteln. Die Innenministerin von Michigan habe „widerrechtlich und ohne Autorisierung“ Formulare für die Briefwahl verschickt, schrieb Trump am Mittwoch auf Twitter, ohne auf ein konkretes Gesetz zu verweisen.

„Ich werde darum bitten, Gelder für Michigan einzufrieren, wenn sie auf diesem Pfad des Wahlbetrugs weitergehen wollen“, sagte Trump. Kurz darauf warf er Nevada vor, ebenfalls illegal Unterlagen zur Briefwahl versenden zu wollen. Auch hier drohte er mit einem Stopp von Geldern. „Es tut mir leid“, schrieb Trump. „Aber man darf bei Wahlen nicht betrügen.“

In den USA werden auch die Wahlen auf Bundesebene von den einzelnen Bundesstaaten organisiert, nicht vom Bund. Die Innenministerin von Michigan, Jocelyn Benson, hatte angekündigt, alle 7,7 Millionen Wählerinnen und Wähler des Staates sollten Anträge auf Briefwahl für die Vorwahl am 4. August und die Präsidentschafts- und Kongresswahl am 3. November erhalten. Niemand solle „zwischen der Gesundheit und dem Recht auf Stimmabgabe“ entscheiden müssen, erklärte auch sie vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie. Michigan könnte bei der Wahl eine wichtige Rolle zukommen. Der Staat stimmte 2016 für Trump, 2012 allerdings für den Demokraten Barack Obama.

Trump sieht existenzielle Bedrohung

Trump hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen eine Ausweitung der Briefwahl angesichts der CoV-Krise ausgesprochen. Sollten die USA auf die Briefwahl wechseln, würde nie mehr ein Republikaner in diesem Land gewählt werden, so Trump im Vormonat.

Er versucht die Briefwahl als eine existentielle Bedrohung für die Republikaner darzustellen und gibt damit die Linie für andere Republikaner vor. "Eine Briefwahl wäre für die Republikaner „mehr als verheerend“, hieß es etwa auch von republikanischer Seite in Georgia. Die universelle Briefwahl wäre das „Ende der USA wie wir sie kennen“, so ein Abgeordneter aus Kentucky.

Experten sehen Panikmache

Politfachleute, die sich eingehend mit der Briefwahlthematik beschäftigt haben, gehen davon aus, dass das nicht stimmt, und sehen Panikmache gegen die Briefwahl dahinter. So ist ein weiteres Argument der Republikaner gegen die Briefwahl, dass es dabei weitaus einfacher zu Wahlbetrug kommen könnte. Die Angst dahinter: Die Republikaner befürchten, dass eine Briefwahl vorteilhaft für die Demokraten sei. Politologen sehen allerdings keine Anzeichen dafür.

Doch auch bei den Republikanern gibt es „Abweichler“ von der von Trump ausgerufenen Linie. So glaubt der republikanische Politikberater Rob Stutman aus der kalifornischen Hauptstadt Sacramento fest daran, dass der nationale Ausbau der Briefwahl den Republikanern nutzt und führt dabei in einem Gastkommentar in der „Washington Post“ die jüngsten Urnengänge in Kalifornien als Beispiel an. Die Partei müsse unbedingt auf den Zug mit der Briefwahl aufspringen, nur dieser führe in die Zukunft, so sein Fazit.

Die Absicht hinter den Zweifeln

Auch das Argument mit dem vermehrten Wahlbetrug greift nicht. Es gebe historisch betrachtet dafür keinerlei Anzeichen, so die „Washington Post“ Anfang Mai. Doch sieht die Zeitung eine andere Gefahr: So wird bereits über Soziale Netzwerke Stimmung mit Verschwörungstheorien gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel gesät.

Damit soll der Urnengang per Post generell diskreditiert werden. Trump selbst fördert diese Skepsis aktiv und vertritt die Ansicht, dass „viele Leute bei Briefwahlen betrügen“. „Stellt euch dagegen“, so der Präsident wiederholt in Interviews und via Twitter. Trump bereite damit vor, dass Briefwahlergebnisse von seinen Anhängern und Anhängerinnen in Zweifel gezogen würden, so die „Washington Post“ weiter.

Auch Post kommt in Politdebatte

Das US-Justizministerium befürchtet indes, dass ausländische Mächte mögliche Schwachstellen im Abstimmungsprozess ausnutzen könnten. Selbst geringfügige Manipulationen könnten weit verbreitete Zweifel an der Integrität und Legitimität der Abstimmung auslösen, wie die „Washington Post“ schreibt. Und auch die US-Post wird in die Debatte hineingezogen. Trump attackiert das US-Postal-Service regelmäßig in seinen Angriffen auf den US-Onlinehandelsgiganten Amazon. Trump setze deshalb einen seiner Wahlfinanzierer auf den Chefsessel, so die „New York Times“.