Trauernde in Toronto
APA/AFP/Geoff Robins
Kanada

„Incel“-Frauenmord als Terrorakt gewertet

Rund drei Monate nach dem Mord an einer jungen Frau in Kanada haben Polizei und Staatsanwaltschaft die Beschuldigungen gegen den mutmaßlichen Täter auf Terrorismus ausgeweitet. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der 17-Jährige mutmaßlich aus frauenfeindlichen Motiven handelte und sich von der „Incel“-Bewegung leiten ließ, teilte die Polizei am Dienstag (Ortszeit) mit.

Dem Teenager wird vorgeworfen, am 24. Februar in einem Massagesalon in Toronto eine 24-Jährige erstochen und eine weitere Frau sowie einen Mann verletzt zu haben. „Incels“ ist eine Eigenbezeichnung, die Männer in der Bewegung nennen sich selbst so. Der englische Begriff „Incel“ setzt sich aus „involuntary“ und „celibate“ zusammen und bezeichnet vorwiegend Männer, die aus ihrer Sicht „unfreiwillig zölibatär“ leben und Hass auf Frauen sowie auf sexuell aktive Männer entwickeln. Der Hass geht so weit, dass er in Gewaltfantasien bis hin zu Mord an Frauen in den von „Incels“ frequentierten Foren artikuliert wird.

Auch eine rassistische Einstellung wird oftmals propagiert. In den USA hat die „Incel“-Bewegung auch Überschneidungen zu Rechtsnationalisten, wie es heißt. Laut der Zeitung „Toronto Star“ ist es die erste Terrorismusanklage in Kanada in Verbindung mit „Incel“-Überzeugungen. Es gebe unterschiedliche Formen des Terrorismus, hieß es in einer Polizeimitteilung. In diesem Fall habe es sich um eine ideologisch motivierte Gewalttat gehandelt, inspiriert von einer extremistischen Bewegung.

Haus des Verdächtigen
Reuters/Saul Porto
Das Haus, in dem der 17-Jährige wohnte, wurde nach der Tat von der Polizei abgeriegelt

Auch Amokfahrer galt als bekennender „Incel“

Allerdings ist es nicht der erste Mordfall in Kanada, der mit „Incel“ in Verbindung gebracht wird. Ein Amokfahrer hatte im April 2018 einen gemieteten Lieferwagen mit voller Geschwindigkeit auf den Gehsteig einer belebten Straße in Toronto gelenkt. Der damals 25-jährige Alek Minassian galt als bekennender „Incel“. Bei seiner Amokfahrt tötete er zehn Menschen, mehr als ein Dutzend wurden verletzt. Bei den Opfern handelte es sich überwiegend um Frauen im Alter zwischen etwa 20 und 80 Jahren, wie die Polizei damals mitteilte.

Minassian lebte mit seinem Vater in einem Vorort von Toronto. An seiner Berufsschule galt Minassian als Einzelgänger. Mitschüler beschrieben ihn als verschlossen, sein Verhalten sei oft seltsam gewesen. Minassians Mutter hatte einer Lokalzeitung 2009 gesagt, ihr Sohn leide an einer Form des Autismus.

Bewunderung für frauenfeindlichen US-Täter

In einem Eintrag im Sozialen Netzwerk Facebook unmittelbar vor der Tat hinterließ Minassian eine „kryptische“ Nachricht, wie die Polizei damals mitteilte. Darin habe er dem 22-jährigen US-Bürger Elliot Rodger seine Bewunderung ausgesprochen. Rodger hatte 2014 im US-Bundesstaat Kalifornien sechs Menschen und anschließend sich selbst getötet, nachdem er zuvor Frust über seine Jungfräulichkeit und über eine Zurückweisung durch Frauen geäußert hatte. Minassian machte laut Polizei in dem Facebook-Eintrag zudem Angaben im Zusammenhang mit „Incel“-Internetgruppen.

Morde in Yogastudio mit „Incel“-Verbindung

Auch ein Fall im US-Bundesstaat Florida wird mit den „Incels“ in Verbindung gebracht. Ein Mann schoss im November 2018 in einem Yogastudio um sich und tötete dabei zwei Frauen, bevor er sich selbst tötete. Auch hier handelte der Täter laut den Ermittlungen aus frauenfeindlichen Motiven. Er soll nach Medienberichten schon vor Jahren Hassvideos mit rassistischen und frauenfeindlichen Inhalten gepostet haben. Außerdem bezeichnete sich der 40-jährige Todesschütze in einer Reihe von YouTube-Videos von 2014 als „Incel“, wie US-Medien 2018 berichteten.