Starke Regenfälle in  Bhadrak
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Indien, Bangladesch

Zyklon „Amphan“ erreicht Küstengebiete

Der starke Zyklon „Amphan“ hat die Küstengebiete Indiens und Bangladeschs erreicht. Behörden zufolge wurden im Vorfeld bis zu 2,6 Millionen Menschen in Sicherheit gebracht. Erschwert wurden die Vorbereitungen auf einen der – laut Behörden – stärksten Wirbelstürme seit 20 Jahren durch die Coronavirus-Krise.

Der Zyklon traf zwischen Digha im indischen Bundesstaat Westbengalen und der Insel Hatia in Bangladesch an Land. Bis „Amphan“ ganz an Land sei, dauere es aber etwa vier Stunden, teilte der meteorologische Dienst Indiens am Mittwochnachmittag mit. Das Auge des Zyklons dürfte über die Sunderbans, die größten Mangrovenwälder der Erde, fegen.

Er sorgte offenbar schon für erste Schäden. Dächer wurden von Häusern gefegt, Bäume entwurzelt sowie Telekommunikationsmasten zerstört, wie Behörden der indischen Bundesstaaten Westbengalen und Odisha meldeten. Einzelne Gebiete sind dadurch ohne Strom.

Überschwemmte Straße in Dacope
APA/AFP/Munir Uz Zaman
„Amphan“ hat mit viel Wind und Regen das Festland in Indien und Bangladesch erreicht

Mehr als zwei Mio. Menschen betroffen

Im Vorfeld hatten Behörden erwartet, dass der Sturm „sehr schlimm“ werde – in der Früh wurden Windgeschwindigkeiten von 160 bis 170 km/h gemeldet. Zunächst waren Windstärken von 185 km/h sowie bis zu 15 Meter hohe Wellen erwartet worden. Eine Sturmflut könnte bis zu 25 Kilometer tief das Festland überfluten, hieß es zudem. Betroffen sein sollten dicht besiedelte Städte wie Kolkata mit 15 Millionen Einwohnern, Küstenregionen mit vielen schlecht gebauten Hütten und ein Rohingya-Flüchtlingslager in Bangladesch mit mehr als einer Million Bewohnern.

Bangladesch brachte eigenen Angaben zufolge mehr als zwei Millionen Menschen in Sicherheit. Um dabei in Coronavirus-Zeiten für genügend Abstand zu sorgen, hätten Behörden dreimal mehr Nothilfezentren vorbereitet, insgesamt mehr als 12.000, sagte der Chef der nationalen Katastrophenhilfe.

Umgefallener Baum auf Straße
APA/AFP/Dibyangshu Sarkar
Durch den Zyklon wurden Bäume entwurzelt

Auch Schulen und Regierungsgebäude sollten genutzt werden, um Menschen befristet unterzubringen. Die Menschen seien aufgefordert worden, in den Unterkünften Masken zu tragen. In Indien hatten die Behörden bis zum Vormittag nach Notunterkünften gesucht, denn allein im Bundesstaat Odisha werden 250 der 800 Unterkünfte als Quarantäneunterkünfte genutzt.

Behörden verteilen Masken

Im indischen Bundesstaat Westbengalen wurden offiziellen Angaben zufolge rund 300.000 Menschen in Sicherheit gebracht, weitere fast 150.000 im Bundesstaat Odisha. Aus Indien hieß es, die Behörden verteilten Masken und Desinfektionsmittel, um das Risiko einer Ausbreitung des Coronavirus zu minimieren. Zudem gebe es Isolationsräume für Infizierte. Mehrere Dutzend Teams des Katastrophenschutzes seien im Einsatz.

Auf Videos und Fotos waren Menschen mit Masken zu sehen, die ihre Habseligkeiten in Notunterkünfte bringen. Die Polizei in Westbengalen gab gegenüber der BBC jedoch an, dass einige Menschen es ablehnten, die Notunterkünfte zu beziehen – sie hätten Angst, sich zu infizieren.

Mann schützt sich mit Plastikregenmantel vor Wetter
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„Amphan“ sei einer der schlimmsten Stürme der vergangenen 20 Jahre in der Region, hieß es

„Normalerweise werden vor so einem Megazyklon Hunderte Menschen in Bussen und mit Lastwagen gemeinsam in große öffentliche Gebäude wie Schulen oder Turnhallen evakuiert“, sagte Hilfekoordinator Felix Neuhaus von AWO International. „Unter Einhaltung der Abstandsregeln ist das jetzt aber kaum umsetzbar.“ Bei der Hilfsorganisation Save the Children hieß es vor dem Eintreffen des Zyklons, die Menschen würden wohl nicht in erster Linie an „Social-Distancing“ denken, wenn es darum gehe, sich in Sicherheit zu bringen.

Gastarbeiter auf dem Heimweg – Behörden besorgt

Der BBC zufolge würden aktuell zudem Tausende Gastarbeiter, die die Städte wegen der Coronavirus-Pandemie verlassen hatten, in die betroffenen Küstengebiete zurückkehren. Um das zu verhindern, strich Odisha bereits am Montag Züge. Dutzende Behörden hätten die Regierungen zudem gebeten, die Menschen – viele befinden sich zu Fuß auf dem Weg in Richtung Küste – anderswo unterzubringen, solange der Sturm über das Land fegt. Die Zahl der bestätigten Infektionen in Indien liegt aktuell bei fast 107.000. In Bangladesch wurden bisher rund 25.000 Fälle gemeldet.

Mann mit Maske in Notunterkunft
APA/AFP/Dibyangshu Sarkar
Die Menschen wurden aufgefordert, in den Notunterkünften Masken zu tragen

NGO: Sturm bedroht Flüchtlingslager

Der Wirbelsturm bedrohe unter anderem das riesige Rohingya-Flüchtlingslager Cox’s Bazar in Bangladesch, meldete die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision. Im Flüchtlingslager in Cox’s Bazar bestehe die „große Gefahr, dass durch Wind und heftige Regenfälle und dadurch ausgelöste Schlammlawinen die Unterkünfte weggeschwemmt werden“. Das Lager befindet sich laut Behörden jedoch nicht unmittelbar in Gefahr.

Deutlich heikler sei die Lage auf der Insel Bhasan Char, wo Hunderte Flüchtlinge untergebracht sind. Die Behörden gaben an, die rund 300 Menschen auf der Insel in Sicherheit gebracht zu haben. Die UNO rief jedoch dazu auf, die Menschen nach Cox’s Bazar zu bringen.

CoV-Ausbreitung in Flüchtlingslager befürchtet

Hilfskräfte befürchten, dass der Sturm auch Bemühungen zur Eindämmung des Virus in Flüchtlingslagern gefährdet – vor knapp einer Woche wurde die erste Infektion in den überfüllten Flüchtlingslagern festgestellt. Anfang April hatten die Behörden den gesamten Bezirk Cox’s Bazar mit seinen mehr als eine Million Rohingya-Flüchtlingen abgeriegelt, um einer Coronavirus-Epidemie vorzubeugen. Zudem wurde die Zahl der Helfer in den Camps um 80 Prozent reduziert.

Bangladesch und der Osten Indiens werden regelmäßig von Wirbelstürmen heimgesucht. 1999 starben in Odisha fast 10.000 Menschen durch einen Zyklon. 1991 wurden in Bangladesch fast 140.000 Menschen durch von einem Zyklon ausgelöste Stürme und Überschwemmungen getötet. In Bangladesch fürchten die Behörden, dass „Amphan“ der schlimmste Zyklon seit „Sidr“ 2007 wird – damals starben rund 3.500 Menschen.