Delegierte während des des chinesischen Volkskongresses
AP/Andy Wong
Volkskongress in Peking

CoV-Sorgen und Härte gegen Hongkong

Wegen der Coronavirus-Krise hatte Chinas Volkskongress seine Jahrestagung im März verschoben. Jetzt wird die Sitzung nachgeholt – unter strengen Vorsichtsmaßnahmen. Bereits am Vorabend sorgte eine Ankündigung für Aufregung, die wenig mit der aktuellen Pandemie zu tun hat: Hongkong drohen wieder unruhige Zeiten.

Mit einem höchst kontroversen Schritt will Chinas Führung ihre Kontrolle über Hongkong verschärfen. Unter Umgehung des Parlaments der chinesischen Sonderverwaltungsregion plant der Volkskongress auf seiner am Freitag beginnenden Jahrestagung in Peking, ein eigenes Sicherheitsgesetz für Hongkong zu erlassen. Es zielt auf die prodemokratische Opposition und dürfte sich gegen Aktivitäten richten, die als subversiv und terroristisch eingestuft werden oder auf eine Unabhängigkeit der früheren britischen Kronkolonie abzielen könnten. Die Pläne dürften die Proteste in Hongkong neu anfachen.

Zu der Plenarsitzung des chinesischen Parlaments sind Tausende Abgesandte unter strengen Vorsichtsmaßnahmen gegen das Coronavirus in die Hauptstadt gereist. Wegen des Ausbruchs der Lungenkrankheit Covid-19 war das ursprünglich im März geplante wichtigste politische Treffen des Jahres in China zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Volksrepublik verschoben worden.

Volkskongress in China

In Peking beginnt am Freitag der Nationale Volkskongress, das wichtigste politische Ritual im kommunistischen China. Die Nachwirkungen der Pandemie, vor allem die wirtschaftliche Erholung, werden das bestimmende Thema sein.

Xi Jingping und der „Sieg“ über das Virus

Indem die Tagung nachgeholt wird, demonstriert China als Ursprungsland der Pandemie, dass es große Fortschritte im Kampf gegen das Virus gemacht hat. Zwar steht traditionell der Premier im Zentrum des Volkskongresses. Alle Augen werden aber wohl auf Staatschef Xi Jinping gerichtet sein. Der Parteichef inszenierte sich in der Coronavirus-Krise zunehmend als solitäre Führungsfigur. Er dürfte das Forum des Volkskongresses auch nutzen, um den Sieg über das Coronavirus zu verkünden.

Der chinesische Präsident Xi Jinping
AP/Andy Wong
Die Hauptfigur des Volkskongresses ist der Premier. Im Zentrum wird diesmal aber wohl Staats- und Parteichef Xi Jinping stehen.

Von Normalität lässt sich aber dennoch schwer sprechen, da strenge Maßnahmen zur Vorbeugung gegen neue Infektionen mit SARS-CoV-2 getroffen werden mussten. So wurde die Sitzung von sonst zehn bis zwölf Tagen verkürzt und wird nur bis zum 28. Mai dauern. Für die Reise in die Hauptstadt mussten die Abgeordneten jeweils einen Coronavirus-Test bei der Abreise und bei der Ankunft in Peking machen. Viele kamen in Sonderzügen, um nicht im normalen Bahnverkehr zu reisen.

Wachstumsziel als Fragezeichen

Zu Beginn der Jahrestagung gibt Regierungschef Li Keqiang seinen Rechenschaftsbericht vor den 2.900 Abgeordneten in der Großen Halle des Volkes. Mit Spannung wird erwartet, ob der Premier angesichts der Unsicherheiten durch die Coronavirus-Krise wie üblich ein Ziel für das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft vorgeben wird. 2019 war die Wirtschaft innerhalb der vorgegebenen 6,0 bis 6,5 Prozent gewachsen. Sie ist aber im ersten Quartal 2020 um 6,8 Prozent eingebrochen.

Josef Dollinger zum Volkskongress in China

Chinas Wirtschaft soll mobilisiert werden, koste es was es wolle. ORF-Korrespondent Josef Dollinger berichtet im Vorfeld des Volkskongresses.

Die Vorgabe für das Jahr ist wichtig für die Provinzen und Kommunen, die in alter planwirtschaftlicher Tradition ihre eigenen Ziele setzen und Pläne zur Förderung ihrer Wirtschaft machen. Der Premier könnte in der Krise aber auch andere Ziele, beispielsweise für die Beschäftigung, setzen. Mit Interesse wird ferner verfolgt werden, welche Konjunkturhilfen die Regierung ankündigen wird, um die in der Coronavirus-Krise angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln.

Soldaten während der Eröffnung des chinesischen Volkskongresses
APA/AFP/Nicolas Asfouri
Die Armee ist rund um den Volkskongress allgegenwärtig

Auf der Tagung wird auch der Haushalt vorgelegt. Aufmerksam werden Beobachter nicht nur die Neuverschuldung verfolgen, sondern auch die Erhöhung des offiziellen Militäretats, der in den Vorjahren meist überdurchschnittlich stark gesteigert worden war.

Peking pocht auf „nationale Sicherheit“

Die umstrittenen Gesetzespläne für Hongkong wurden überraschenderweise am Vorabend des Treffens verkündet. Der Volkskongress werde den Entwurf für eine Verbesserung des Rechtssystems und Umsetzungsmechanismen „zur Wahrung der nationalen Sicherheit“ in der chinesischen Sonderverwaltungsregion diskutieren, berichtete Parlamentssprecher Zhang Yesui vor Journalisten in Peking.

Journalisten beim chinesischen Volkskongress
AP/Mark Schiefelbein
Peking kündigte die Gesetzespläne für Hongkong auf einer Pressekonferenz an

Offensichtlich ist Peking zu dem Schluss gekommen, dass es wegen des politisch aufgeheizten Klimas und des wachsenden Widerstands in der Hafenmetropole gegen seinen Einfluss unwahrscheinlich ist, dass Hongkongs Parlament selbst ein solches nationales Sicherheitsgesetz verabschiedet. Der Sprecher verteidigte das Vorgehen Pekings. Nationale Sicherheit sei von grundlegendem Interesse für das ganze chinesische Volk – „einschließlich der Landsleute in Hongkong“.

Hongkong sei ein „unabtrennbarer Teil“ der Volksrepublik. Der Volkskongress sei das höchste Staatsorgan. „Angesichts der neuen Lage und Notwendigkeiten übt es die von der Verfassung gewährten Rechte aus.“ Die nationale Sicherheit werde mit den Gesetzesplänen „von der nationalen Ebene aus gesichert“. Auch werde damit der Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ verbessert, nach dem Hongkong autonom regiert wird, sagte der Sprecher. „Es ist absolut notwendig.“

Opposition sieht „Ende Hongkongs“

„Wenn das kommt, wird der Status ‚Ein Land, zwei Systeme‘ ausradiert“, sagte Dennis Kwok von der Civic Party in Hongkong im Beisein anderer Oppositionspolitiker. „Das ist das Ende Hongkongs.“ Im Internet wurden die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, sich noch am Donnerstag erneut an Protesten zu beteiligen.

Seit vergangenem Sommer erlebt das sieben Millionen Einwohner zählende Hongkong andauernde Demonstrationen, die sich gegen die eigene Regierung, die Polizeibrutalität bei den Protesten und den langen Arm der chinesischen Führung richtet. Erst durch die Pandemie mit dem neuen Coronavirus waren die Demonstrationen abgeflaut.