„Open Skies“ Flugzeug der US Air Force
APA/AFP/Charles J. Haymond
Rüstungskontrolle

Trump kündigt nächstes Abkommen auf

US-Präsident Trump hat den Ausstieg aus einem weiteren internationalen Abkommen angekündigt: Die USA wollen sich aus einem Vertrag zwischen den NATO-Staaten und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts zur gegenseitigen militärischen Luftüberwachung zurückziehen. Die Schuld dafür schob Trump Russland zu. Die Replik aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Die NATO will noch am Freitag über die Situation beraten.

Weil sich Moskau nicht mehr an die Verpflichtungen des Abkommens halte, seien auch die USA nicht mehr daran gebunden, sagte Trump am Donnerstag im Garten des Weißen Hauses. Die Beziehung mit Russland sei „sehr gut“, und er halte es für möglich, ein neues Abkommen auszuhandeln. US-Außenminister Mike Pompeo erklärte, die USA würden die Vertragspartner am Freitag offiziell über die Entscheidung informieren. Für den Fall, dass Russland wieder zur „vollständigen Einhaltung des Vertrages“ zurückkehre, könnte der Rückzug noch einmal überdacht werden.

Das „Open Skies“ übertitelte Abkommen erlaubt den 34 Unterzeichnerstaaten unter anderem mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. Laut dem deutschen Verteidigungsministerium dienen die Flüge der „Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung in schwierigen sicherheitspolitischen Zeiten“. An allen Flügen nehmen immer sowohl Vertreter der beobachtenden als auch der beobachteten Staaten teil.

US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Mandel Ngan
Trump warf Russland vor, sich nicht an das Abkommen zu halten

Russland verstoße aber „weiterhin schamlos“ gegen vertraglichen Verpflichtungen, erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. So begrenze Moskau zum Beispiel Kontrollflüge über der russischen Exklave Kaliningrad, was „die Transparenz in einem sehr militarisiertem Gebiet reduziert“, so Sprecher Jonathan Hoffman. Das gelte auch für die Grenze zwischen Russland und Georgien.

Vorstufe für Ausstieg aus weiterem Vertrag?

Washington vermutet, dass Russland in den Gebieten Mittelstreckenraketen stationiert haben könnte. Laut „New York Times“ war Trump aber überdies verärgert über einen Flug der russischen Luftwaffe über seinem Golfresort im Bundesstaat New Jersey vor drei Jahren. Die Zeitung hatte bereits kurz vor der Ankündigung Trumps über den geplanten Ausstieg berichtet.

Der Schritt sei womöglich die Vorstufe eines Ausstiegs aus dem New-START-Vertrag, hieß es in dem Bericht. Der vor zehn Jahren von den USA und Russland unterzeichnete Vertrag begrenzt die Zahl der Atomraketen, die Russland und die USA stationieren dürfen. Er läuft im kommenden Februar aus – nur wenige Wochen nach der Amtseinführung des nächsten US-Präsidenten.

Moskau: „Schlag“ gegen Sicherheit Europas

Kritik an der US-Ankündigung kam prompt aus Moskau. Vizeaußenminister Alexander Gruschko sagte der Staatsagentur TASS, mit dem Schritt werde sich die Sicherheit Europas verschlechtern. „Der Rückzug der Vereinigten Staaten aus diesem Vertrag bedeutet nicht nur einen Schlag gegen das Fundament der europäischen Sicherheit, sondern auch gegen die bestehenden militärischen Sicherheitsinstrumente und die essenziellen Sicherheitsinteressen der Verbündeten der Vereinigten Staaten“, so Gruschko.

Der Direktor der Rüstungskontrollabteilung des Außenministeriums, Wladimir Jermakow, wies die Vorwürfe aus Washington zurück. „Das ist absolut unbegründet.“ Es sei nicht das erste Mal, dass die USA Angelegenheiten so darstellten, dass Russland etwas verletzt habe – „nur um das als Vorwand für den Rückzug aus einem Rüstungskontrollabkommen zu nehmen“.

Europäischer Appell an Trump

Der deutsche Außenminister Heiko Maas kündigte noch am Donnerstag an, er werde gemeinsam mit gleichgesinnten europäischen Kollegen dafür werben, dass US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung überdenkt. „Russland rufen wir dazu auf, zur vollen Umsetzung des Vertrags zurückzukehren“, hieß es darin weiter. Die „Schwierigkeiten“ auf russischer Seite bei der Umsetzung des „Open Skies“-Abkommens, das 34 Länder unterzeichnet haben, rechtfertigten „aus unserer Sicht“ keine Kündigung, erklärte Maas. Das habe er mit seinen Kollegen aus Frankreich, Polen und Großbritannien auch gegenüber US-Außenminister Pompeo „immer wieder deutlich gemacht“.

Dabei teilt die NATO Trumps Kritik im Grundsatz. Schon beim NATO-Gipfel 2018 hätten die Staats- und Regierungschefs ihre Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass Russland das Abkommen nur selektiv umsetze, hieß es am Donnerstag aus dem Militärbündnis. „Insbesondere sind wir darüber besorgt, dass Russland Flüge über bestimmten Regionen eingeschränkt hat.“ Für Freitag sei kurzfristig ein Treffen der NATO-Botschafter angesetzt worden, um über das Thema zu beraten.

Reihe von Abkommen aufgekündigt

Die USA haben unter Trump bereits zahlreiche internationalen Abkommen verlassen, darunter das Atomabkommen mit dem Iran, das Pariser Klima-Abkommen und den INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen. Letzterer war zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen worden und war für Europa der wichtigste Vertrag zur atomaren Abrüstung. Trump will, dass künftige Abrüstungsverträge neben Russland auch China einschließen.

Der Rückzug aus dem „Open Skies“-Abkommen wird dem Vertrag zufolge sechs Monate nach einer offiziellen Rücktrittserklärung an die Verwahrer des Vertrags wirksam. Führende Demokraten im Kongress hatten die Regierung Ende vergangenen Jahres vor einem Austritt gewarnt. Das „wäre ein weiteres Geschenk der Trump-Regierung an (Russlands Staatspräsidenten Wladimir) Putin“, hieß es in einem Brief an Außenminister Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper.

Die NATO und Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts hatten sich 1992 auf die gegenseitige militärische Überwachung „von Vancouver bis Wladiwostok“ geeinigt. Zehn Jahre später trat der Vertrag schließlich in Kraft. Welche Flüge durchgeführt werden, handeln die Vertragsstaaten jedes Jahr im Oktober in Wien aus. Dabei ist klar geregelt, wie viele Missionen über jedem Land stattfinden dürfen. Russland und die USA müssen jährlich je 42 Überflüge gestatten, Deutschland darf hingegen etwa nur zwölfmal pro Jahr überflogen werden.