Rudolf Anschober
APA/Georg Hochmuth
Anschober

Warnungen an Tirol weitergeleitet

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) tritt dem Vorwurf entgegen, sein Ministerium habe Coronavirus-Warnungen aus dem Ausland nicht an Tirol weitergeleitet. Der „Standard“ hatte darüber berichtet und SPÖ und FPÖ auf den Plan gerufen.

Zwischen 3. und 14. März habe man 21 Meldungen aus Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Norwegen und den Niederlanden mit konkreten Hinweisen zu bestätigten Covid-19-Fällen an die Stellen in Tirol weitergeleitet, hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Das betreffe auch Kontaktpersonen zu bestätigten Covid-19-Fällen. Aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) geht laut Ministerium hervor, dass den zuständigen Tiroler Bezirksverwaltungsbehörden bis zum 12. März bereits 150 bestätigte Covid-19-Fälle bekannt waren, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Keine Weiterleitung aus EU-System

Nicht weitergeleitet habe man an Tirol Fälle aus dem Gesundheitsfrühwarnsystem der EU – dem Early Warning and Response System (EWRS) –, bei denen Daten über Personen oder Hotels fehlten. Jedenfalls habe man alle für die Arbeit des Kontaktpersonenmanagements der Tiroler Behörden relevanten internationalen Informationen übermittelt.

Überdies präzisierte das Ministerium, dass generell weitere Einmeldungen über das EWRS über Einzelfälle – ohne konkrete Informationen zu Personendaten (Name der Person), Aufenthaltsorten (z. B. Hotelnamen), Kontaktpersonen – ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an die Landessanitätsbehörde weitergeleitet wurden. Das deshalb, weil ohne diese fehlenden Informationen eine „Quellensuche bzw. eine Kontaktpersonennachverfolgung unmöglich ist“.

Bis zum Stichtag 31. März 2020 wurden ungefähr 16.900 positiv getestete Personen und deren Kontakte an 94 Staaten (davon 64 Drittstaaten) weitergemeldet, hieß es. Davon wurden ungefähr 13.300 Personen den EWRS-Ländern und etwa 2.300 Personen an Drittstaaten weitergemeldet. Den Bundesländern wurden ungefähr 1.300 Personen weitergemeldet.

Tirol: Daten lagen nicht vor

Der „Standard“ hatte berichtet, dass das Gesundheitsministerium von 9. bis 13. März Warnungen aus diversen Staaten bekommen habe – etwa eine aus Dänemark über 283 mit dem Coronavirus infizierten Urlaubsheimkehrern aus österreichischen Wintersportgemeinden. Tirol lagen diese Meldungen aber nicht vor, sagte Landesamtsdirektor Herbert Forster.

Laut „Standard“ hat das Gesundheitsministerium inzwischen bekanntgegeben, dass die EU-Kommission prüfen werde, ob Dänemark mit der Herausgabe der E-Mails gegen die verpflichtende Vertraulichkeit verstoßen habe. Denn die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, das EWRS-Frühwarnsystem vertraulich zu nutzen, um personenbezogene Daten zu schützen. In den Unterlagen, die dem „Standard“ vorliegen, sind aber keine personenbezogene Daten enthalten.

SPÖ will „schonungslose Aufklärung“

Zu den „beinahe täglich neuen Ungereimtheiten“ in der Causa forderte die SPÖ am Freitag „schonungslose Aufklärung“. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Kurz und Anschober „tragen hier die Verantwortung, sie können sich jetzt nicht einfach davon verabschieden“, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. „Auch wenn für Kurz sowieso immer die anderen die Schuldigen sind, muss das tägliche gegenseitige Sichabputzen und Schuldzuweisen endlich ein Ende haben“, so Kucher.

Dass die Tiroler Verantwortlichen – Landeshauptmann Günther Platter und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (beide ÖVP) – „schwer überfordert sind, ist offensichtlich“, sagte der SPÖ-Gesundheitssprecher. Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer verlangte indes erneut einen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene. An diesem führe „über kurz oder lang kein Weg vorbei“.

FPÖ: „Unerträgliches ‚Verantwortungs-Ping-Pong‘“

„Wenn die Recherche von ‚Der Standard‘ den Tatsachen entspricht, ist Gesundheitsminister Anschober rücktrittsreif“, sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Immer wieder putze sich der Gesundheitsminister in der Causa Ischgl ab. „Dieses ‚Verantwortungs-Ping-Pong‘ zwischen dem ÖVP-dominierten Tirol und dem grünen Gesundheitsministerium in der Causa Ischgl ist unerträglich“, so Hofer. „Die Liste der Fehlleistungen des Gesundheitsministers ist lange. Nach all dem Chaos, das hier angerichtet wurde, sollte auch Minister Anschober sein Wirken hinterfragen. Seine Parteikollegin Ulrike Lunacek hat das getan – und die Konsequenzen gezogen.“