Demonstranten wehren sich mit Schirmen gegen den polizeilichen Einsatz von Tränengas
Reuters/Tyrone Siu
Demos gegen Sicherheitsgesetz

Hongkonger Polizei setzt Tränengas ein

In Hongkong haben am Sonntag Tausende Menschen gegen Pekings umstrittene Pläne für ein Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone demonstriert. Sie versammelten sich trotz Coronavirus-Beschränkungen im Einkaufsviertel Causeway Bay. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein, um den Protest aufzulösen. Über Lautsprecher wies sie auf das Verbot von größeren Versammlungen wegen der Pandemie hin.

Auch vor dem Verbindungsbüro der chinesischen Regierung kam es zu Protesten. Im Laufe des Tages habe es mindestens 180 Festnahmen gegeben, berichtete die „South China Morning Post“ („SCMP“) unter Berufung auf Angaben der Polizei. Die Protestbewegung befürchtet, dass die Gesetzespläne das Ende des Prinzips „Ein Land – zwei Systeme“ einleiten könnten, nach dem die ehemalige britische Kronkolonie seit der Rückgabe an China 1997 mit mehr Freiheiten autonom regiert wird.

Die Proteste sind eine Reaktion auf die Ankündigung des neuen Gesetzes. Es soll jeglichen „Separatismus und Subversion“ mittels „Durchsetzungsmechanismen“ bestrafen sowie Aktivitäten verhindern, die „die nationale Sicherheit ernsthaft schädigen“. Am Freitag waren die Pläne vom chinesischen Regierungschef Li Keqiang anlässlich der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses vorgebracht worden.

Neues Gesetz: Peking dürfte Sicherheitskräfte entsenden

Das Vorhaben schließt auch die Möglichkeit ein, chinesische Sicherheitsbehörden nach Hongkong zu verlegen. Das würde auch die Vorzeichen auf den Straßen der Metropole entscheidend ändern, denn bisher kann die Pekinger Führung nicht mit eigenen Einheiten in Hongkong aktiv werden, wo es im vergangenen Jahr zu Massendemos der Demokratiebewegung gekommen war.

Demonstranten wehren sich mit Schirmen gegen den polizeilichen Einsatz von Tränengas
Reuters/Tyrone Siu
Noch stellt sich die Demokratiebewegung den Hongkonger Sicherheitskräften – das würde sich mit dem neuen Gesetz ändern

„Anfang vom Ende, Zeit wird knapp“

Die neue Eskalation kommt nicht ganz unterwartet, Expertinnen und Experten hatten im Vorfeld bereits eingeschätzt, dass Peking im Zuge der Coronavirus-Krise einen neuen Anlauf unternehmen werde, Hongkong enger an sich zu binden. „Das ist jetzt der Anfang vom Ende, und die Zeit in Hongkong wird wirklich knapp“, sagte der Vertreter der Demokratiebewegung, Joshua Wong. Deswegen müssten auch inmitten der Epidemie die Kräfte gebündelt werden, um dagegen zu protestieren.

Polizei setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

In Hongkong haben Hunderte gegen die Pläne Chinas für ein nationales Sicherheitsgesetz protestiert. Die Polizei ging entschieden gegen die Demonstranten vor.

Peking will Gesetz umgehend in Kraft setzen

Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler befürchten, dass das Gesetz auf eine möglichst rasche Ausweitung der Machtbefugnisse der chinesischen Regierung hinausläuft. Die EU und die USA haben Pekings Pläne scharf kritisiert. Hongkonger Demokratieaktivisten und Washington sprachen von einem Todesurteil für die Demokratiebewegung.

USA drohen China mit Sanktionen

Zudem drohen die USA mit Sanktionen, denn das neue Gesetz könne auch den Status Hongkongs als internationaler Finanzplatz gefährden. „Es sieht so aus, als ob sie Hongkong mit diesem neuen Sicherheitsgesetz praktisch übernehmen“, sagte der Nationale Sicherheitsberater der USA, Robert O’Brien, am Sonntag dem Sender NBC. Sollte das geschehen, werde US-Außenminister Mike Pompeo Hongkong vermutlich nicht länger ein hohes Maß an Autonomie bescheinigen. „Wenn es dazu kommt, wird es Sanktionen gegen Hongkong und China geben.“

„Es ist schwer vorstellbar, wie Hongkong das asiatische Finanzzentrum bleiben kann, wenn China übernimmt“, warnt O’Brien. Internationale Firmen hätten dann keinen Anreiz mehr, dort zu bleiben. „Ein Grund, warum sie nach Hongkong gegangen sind, ist die Tatsache, dass dort Rechtsstaatlichkeit herrschte, freies Unternehmertum, Kapitalismus, Demokratie und Wahlen zu einem Parlament stattfanden.“ Verschwinde all das, sei er sich nicht sicher, wie die internationale Finanzwirtschaft dort bleiben könne.

Chinas Außenminister Wang Yi
Reuters/China Daily Cdic
Gesetz soll „keinen Einfluss“ auf die Autonomie Hongkongs haben, sagte Chinas Außenminister Wang Yi

Hongkong „innere Angelegenheit Chinas “

Und tatsächlich scheint die Zeit für die Demokratiebewegung diesmal knapp: So soll das Sicherheitsgesetz nach dem Willen Pekings umgehend in Kraft treten. Das Gesetz solle „ohne die geringste Verzögerung“ angewendet werden, sagte Außenminister Wang Yi am Sonntag in Peking. Das Gesetz sei „notwendig“, nachdem die monatelangen Proteste in Hongkong im vergangenen Jahr „Chinas nationale Sicherheit ernsthaft gefährdet haben“.

Andreas Pfeifer (ORF) zu den Protesten in Hongkong

ZIB-Außenpolitikchef Andreas Pfeifer analysiert das geplante Sicherheitsgesetz und die gegen Peking gerichteten Proteste in Hongkong.

Und auch Kritik aus dem Ausland verbittet sich Peking: So wies Außenminister Wang Yi jede „Einmischung“ zurück – Hongkong sei eine „innere Angelegenheit“ Chinas. Die Zentralregierung in Peking habe die Verantwortung für die nationale Sicherheit Chinas. Dass dem Hongkonger Parlament erlaubt werde, selbst Gesetze zu erlassen, schließe nicht aus, dass auch die Zentralregierung ihrerseits das Rechtssystem in Hongkong verbessere.

Auch bemühte sich der Außenminister, Befürchtungen zu entkräften, wonach der Eingriff aus Peking den Status des Wirtschafts- und Finanzzentrums schädigen könnte. Er werde „keinen Einfluss“ auf den hohen Grad der Autonomie, die Freiheiten der Hongkonger und die Interessen der Investoren haben, beteuerte der Minister. Das Gesetz werde vielmehr Stabilität und Rechtsstaatlichkeit in Hongkong sowie bessere Geschäftsmöglichkeiten bringen.