Covid-19 Bluttest.
APA/AFP/Tiziana Fabi
Nach Lockerungen

Italien startet riesige Antikörperstudie

In Italien startet am Montag eine Antikörpertest-Studie mit rund 150.000 Teilnehmern, um die Dunkelziffer der Coronavirus-Infizierten zu ermitteln. Das Gesundheitsministerium und die Statistikbehörde wollen mit dem nationalen Roten Kreuz Bluttests von Freiwilligen aus 2.000 Orten nehmen. Indes nutzen viele Italienerinnen und Italiener die gelockerten Maßnahmen für Strandbesuche und nächtliche Feiern – zum Missfallen vieler Politiker.

Der Massentest wurde vom Ministerium in Rom am Wochenende mitgeteilt. Die repräsentativ ausgewählten Teilnehmer würden telefonisch um ihre Mithilfe gebeten. Die Teilnahme sei aber freiwillig, die Daten würden für die Forscher anonymisiert.

Die große Antikörperuntersuchung war im April angekündigt worden. Derartige Tests sind wichtig, um herauszufinden, ob jemand bereits mit dem Coronavirus infiziert war und dagegen Antikörper im Blut gebildet hat. So lässt sich der Kontakt mit dem Virus auch bei Menschen nachweisen, die kaum oder keine Symptome der Covid-19-Krankheit hatten. Diese wissen oft gar nichts von ihrer Infektion. Antikörpertests wurden bisher eher mit ein paar tausend Personen durchgeführt, aber kaum in dieser Größenordnung. In Spanien wurde der Start einer Antikörperstudie mit rund 90.000 Menschen im April angekündigt.

Zahl der täglichen Todesopfer sinkt

In Italien waren die ersten Ansteckungsfälle innerhalb des Landes im Februar in der Lombardei aufgefallen. Danach wurde das Land heftig von der Lungenkrankheit erfasst. Der Zivilschutz registrierte bisher rund 230.000 Menschen, die positiv auf den Erreger SARS-CoV-2 getestet worden sind. Die Zahl der offiziellen Covid-19-Todesopfer liegt bei rund knapp 33.000. Die Zahl der täglichen Toten sinkt merklich, von Samstag auf Sonntag waren es 50, die besonders stark betroffene Lombardei meldete keine Todesfälle, aber 285 Neuinfizierte.

Mittlerweile häufen sich die Hinweise, dass das Virus schon Wochen vor dem ersten Nachweis in Italien kursierte. Laut einem Experten der Gesundheitsbehörden in Ligurien habe es nach Studien vermutlich schon am 8. Dezember erste Fälle gegeben. In Frankreich war bereits zuvor in einer Blutprobe von Ende Dezember nachträglich das Coronavirus nachgewiesen worden.

Ansammlungen auf Stränden und in den Stadtzentren

Am Wochenende haben indes viele Italiener bei sommerlichem Wetter ihre neuen Freiheiten ausgekostet: Die italienischen Strandbäder sollten eigentlich erst am Montag ganz wieder öffnen, doch viele Regionen hatten die Küsten für die Sonnenhungrigen schon vorher freigegeben. Fernsehsender zeigten am Sonntag aus dem Süden des Landes – etwa aus Sizilien – Strände voller Menschen meist ohne Atemschutz.

Menschen am Strand von Castiglione della Pescaia in Italien.
AP/LaPresse/Jennifer Lorenzini
Viele Strandbesucher hier in Castiglione della Pescaia in der Toskana

In einer Reihe von Städten wie Rom, Neapel und Genua strömten junge Leute abends in Ausgehviertel. Viele standen ohne vorgeschriebenen Abstand und Mund-Nasen-Schutz in Gruppen auf den Straßen und stießen mit Wein oder Bier an. Italiens Regierung hatte am 18. Mai den „Lock-down“ erheblich gelockert. Restaurants, Bars und Läden dürfen wieder verkaufen. Allerdings gelten strenge Hygiene- und Abstandsregeln.

Appell der Innenministerin

Innenministerin Luciana Lamorgese kritisierte am Samstag in einem Interview des Senders RTL 102,5: „Die Jugendlichen haben nach so langer Zeit des zu Hause Eingeschlossenseins die Grenzen aus dem Blick verloren, an die sie sich bisher gehalten haben.“ Sie hoffe, „dass die Vernunft überwiegt, denn jetzt müssen wir besonders vorsichtig sein“, sagte die Ministerin. In einigen Städten ließen Bürgermeister Bars am Abend vorzeitig schließen. In Rom waren am Wochenende Tausende Polizisten im Einsatz, die vor allem die beliebtesten Lokalviertel kontrollierten.

Regionalpolitiker greifen durch

Nachdem es zu Menschenansammlungen vor Lokalen in der Innenstadt gekommen war, beschloss der Bürgermeister der von der Coronavirus-Pandemie schwer betroffenen Stadt Brescia, Emilio Del Bono, die Schließung der Lokale im Stadtzentrum ab 21.30 Uhr. Eine ähnliche Maßnahme wurde von der Stadt Perugia ergriffen. Der Bürgermeister von Verona, Federico Sboarina, entschied, dass bis zum 2. Juni Alkohol nur an Tischen konsumiert werden darf. Er beanstandete, dass Jugendliche mit Flaschen, Plastik und Müll das Stadtzentrum verunreinigen.

Zahlreiche Menschen am Strand von Santa Severa.
Reuters/Alberto Lingria
Auch in Santa Severa bei Rom herrschte reges Treiben

Der Präsident der Lombardei, Attilio Fontana, drohte mit einschränkenden Maßnahmen, sollten sich die Bürger der Region nicht an die Vorsichtsmaßnahmen halten. Man könne die Opfer der vergangenen Monate nicht einfach zunichtemachen und eine Zunahme der Infektionen riskieren.

Händler und Gastronomen klagen über schlechtes Geschäft

Ebenfalls unzufrieden sind die Kleinunternehmer und Gastronomen: Der Handelsverband berichtete, dass viele Shops wegen sinkender Kundenzahl und teuren Sicherheitsvorkehrungen bereits schwere Verluste meldeten. Viele von ihnen hätten sich zu einer Anhebung der Preise entschlossen.

68 Prozent der befragten Kaufleute hätten in der ersten Woche nach Ende des „Lock-down“ Verluste erlitten. 37 Prozent beklagten einen halbierten Umsatz gegenüber der Zeit vor Beginn der Epidemie. Lediglich 17 Prozent berichteten von Einnahmen auf demselben Niveau wie vor den Ausgangsbeschränkungen. 13 Prozent begrüßten dagegen ein Umsatzwachstum. Besonders unter Druck geraten sind Restaurants, Pizzerien und Gasthäuser. 92 Prozent erklärten sich über ihre Einnahmen in der ersten Woche für unzufrieden.