Rathaus in Hartberg
ORF.at/Christian Öser
Städte und Gemeinden in Finanznot

Kommunen sollen eine Mrd. Euro bekommen

Infolge der Coronavirus-Krise versiegen Städten und Gemeinden große Teile zentraler Einnahmequellen – etwa Ertragsanteile und Kommunalsteuer. Das Hilfspaket des Bundes für die Kommunen werde eine Milliarde Euro umfassen. Das sagten unter anderen Vertreter der Bundesregierung am Montag. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von einer „noch nie da gewesenen Investition“.

Das ausgehandelte Paket sieht vor, dass der Bund 50 Prozent von Investitionsprojekten übernimmt, die entweder von 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 begonnen werden oder bereits ab 1. Juni 2019 begonnen wurden, wenn die Finanzierung aufgrund der krisenbedingten Mindereinnahmen nicht mehr möglich ist.

Die Finanzmittel dienten etwa der Modernisierung von Kindergärten und Schulen. Generell würden die regionale Wirtschaft belebt und Arbeitsplätze gesichert, so Kurz. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte, es sei wichtig, dass die Investitionskraft der Kommunen erhalten bleibe. „Jeder investierte Euro ist gut angelegt“, so Kogler. Infolge der Ökologisierung des Gemeindepakets könnten auch die Klimaziele „umso besser erreicht werden“.

20 Prozent Ökoanteil als Ziel

Mindestens 20 Prozent der Mittel sollen für ökologische Maßnahmen verwendet werden. Als Beispiele nannte Kogler mögliche Investitionen in den öffentlichen Verkehr, die Infrastruktur für das Laden von E-Fahrzeugen und die Sanierung von Gebäuden, die sich im Besitz der Gemeinden befinden. Damit sei es möglich, zwei Krisen auf einmal zu bekämpfen. Neben den zuletzt beschlossenen Geldern für Mobilität und Schutz von Gewässern sei das Gemeindepaket das dritte Paket in diese Richtung.

Pressekonferenz zu den Gemeindefinanzen
APA/Helmut Fohringer
Ludwig, Stelzer, Kogler, Kurz, Blümel und Riedl (v. l. n. r.) bei der Pressekonferenz

Erster Kassasturz im Herbst

Es handle sich um einen wesentlichen Baustein des „Comebackpakets“, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Er verwies auf WIFO-Zahlen, wonach die Länder bei den Beitragsanteilen laut Prognose ein Minus von 7,3 Prozent gegenüber der ursprünglichen Planung zu verzeichnen hätten, Gemeinden ein Minus von 6,8 Prozent. Im Herbst solle es einen ersten Kassasturz geben.

Mit den Mitteln aus dem Paket könnten bestehende sowie neue Investitionen mit bis zu 50 Prozent gefördert werden; der Förderzeitraum endet mit 31. Dezember 2021. Bei der Verteilung folge man dem Schlüssel des Gemeindepakets von 2017. Blümel nannte mehrere Beispiele: Die 2.000-Einwohner-Gemeinde Sillian mit rund 2.000 Einwohnern könne bis zu 200.000 Euro aus dem Paket erhalten, Hartberg mit rund 7.000 Einwohnern bis zu 700.000 Euro, die Stadt Steyr mit rund 40.000 Einwohnern viereinhalb Mio. Euro – und Wien mit rund zwei Mio. Einwohnern bis zu 238 Mio. Euro.

Auf Nachfrage sagte Blümel, dass eine hundertprozentige Kompensation der Auswirkungen der Krise wohl nicht möglich sein werde – zumindest werde mit der Milliarde ein Großteil der Probleme abgedeckt.

Eine Milliarde „nicht wenig, sondern viel“

Auf Basis des Einbruchs der Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent hatte das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) im Vorfeld den möglichen Einnahmenentfall mit bis zu zwei Milliarden Euro berechnet. „Wenn jetzt eine Milliarde Euro kommt von der Regierung, dann ist das nicht wenig, sondern viel“, so Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) auf Nachfrage – die Summe sei „beachtlich“.

Kurz sagte auf die Journalistenfrage, ob die Milliarde „nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sei, dass derzeit wohl kein Staat der Welt in der Lage sei, sich nicht zu verschulden. Selbiges gelte für Österreich, für die Bundesländer, für die Gemeinden und Städte. Die Budgets seien eben auf allen politischen Ebenen „nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben“.

Stelzer sieht „starkes Mittel gegen Stillstand“

Gemeindebund-Präsident Riedl hob hervor, dass Gemeinden gerade in Krisenzeiten eine besondere Rolle einnehmen würden: Service, Daseinsvorsorge und soziale Dienste – etwa Kinderbetreuung – seien zuletzt grundlegend gewesen. Städtebund-Präsident Michael Ludwig (SPÖ) schlug einen Auffangschirm für die Ausfälle bei den Ertragsanteilen vor oder auch eine Abgeltung für die Auswirkungen der Kurzarbeit auf die Kommunalsteuer.

Thomas Stelzer (ÖVP), Landeshauptmann von Oberösterreich und derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, sah im Paket „ein ganz starkes Mittel gegen Stillstand“. Die Länder wären mit dem Aufbringen dieser Milliarde wohl überfordert gewesen, meinte Stelzer – dem pflichtete auch Ludwig bei.

Scharfe Kritik aus der Bundes-SPÖ

Scharfe Kritik am Paket für die Gemeinden kam nach der Präsentation hingegen aus der Bundes-SPÖ. Andreas Kollross, Kommunalsprecher im SPÖ-Parlamentsklub und Bürgermeister von Trumau, sprach von einem „Rohrkrepierer“. Selbst Ludwig legte per Aussendung seine Wünsche fordernder auf den Tisch als zuvor in der Pressekonferenz mit der Regierungsspitze.

„Alle Pakete dieser Regierung funktionieren nur vor laufender Kamera. Sobald diese ihr Rendezvous mit der Realität haben, ist es nicht mehr als Schall und Rauch“, meinte Kollross: „Jedem ist bekannt, dass den Gemeinden und Städten alleine heuer zwei Milliarden fehlen. Jetzt kommt die Regierung mit einer Milliarde daher und meint, dies sei ein Investitionspaket. Das ist es nicht.“ Bestenfalls werde damit der laufende Betrieb „in so manchen Gemeinden“ gesichert.

Ludwig: „Brauchen dringend kurzfristige Finanzhilfe“

Ludwig, der sich in der Pressekonferenz noch recht diplomatisch gezeigt hatte, pochte danach umso vehementer auf die Forderungen des Städtebundes. Vor dem Investitionspaket müsse den Städten und Gemeinden der Einnahmenausfall kompensiert werden: „Wir brauchen dringend eine kurzfristige Finanzhilfe, insbesondere um den Entfall der Kommunalsteuer auszugleichen.“

Er erinnerte daran, dass der Städtebund – analog zum Vorschlag des deutschen Bundesfinanzministers – eine einmalige Finanzhilfe von einer Milliarde für Städte und Gemeinden gefordert hatte, um akute Liquiditätsprobleme zu lösen. „Zumindest der Entgang der Kommunalsteuer und die zu erwartenden Rückgänge der Ertragsanteile müssen durch den Bund ersetzt werden, um die Liquidität der Städte und Gemeinden sicherzustellen“, so Ludwig.

Bedenken bei FPÖ und NEOS

Kritisch äußerten sich auch FPÖ und NEOS. Die Freiheitlichen befürchteten eine Umsetzung auf Amateurniveau. Zudem sah Wirtschaftssprecher Erwin Angerer eine von der Regierung übernommene freiheitliche Forderung. Beim Härtefallfonds und der Kurzarbeit ortete er hohe bürokratische Hürden und undurchsichtige Vorgaben. „Ich hoffe, dass beim Gemeindepaket keine derartigen Kriterien gesetzt werden, durch die viele Kommunen benachteiligt werden und wieder nur die großen städtischen Einheiten profitieren“, so Angerer.

NEOS-Budget- und Finanzsprecherin Karin Doppelbauer forderte das Finanzministerium auf, einen klaren Katalog mit Transparenzkennzahlen für Gemeinden zu erstellen. „Finanzminister Blümel muss dafür Sorge tragen, dass die Vergabe der Gelder nicht im stillen Kämmerchen stattfindet, und stattdessen hundertprozentige Transparenz garantieren“, forderte sie.

Initiativantrag am Dienstag

ÖVP-Klubobmann August Wöginger kündigte an, dass das Programm am Dienstag gemeinsam mit den Grünen als Initiativantrag im Nationalrat eingebracht werden soll. Zusammen mit den Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr (300 Mio. Euro) und in die Gewässerökologie (200 Mio. Euro) komme man auf 1,5 Mrd. Euro, die der Bund in die Regionen investiere, freute er sich in einer Aussendung.