Finanzminister Gernot Blümel
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Budgetdebatte im Parlament

Zwischen Unterstützung und Entrüstung

Seit Dienstag debattiert der Nationalrat über das von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vorgelegte Budget 2020 in Zeiten der Coronavirus-Krise, das am Donnerstag beschlossen werden soll. ÖVP und Grüne stehen hinter dem Finanzminister, die Opposition ist entrüstet. Erneut gab es im Parlament herbe Kritik an der türkis-grünen Regierung, da viele Zahlen im Vorschlag nicht halten werden.

Eigentlich plante die Regierung für 2020 Einnahmen von 81,8 und Ausgaben von 82,4 Mrd. Euro. Dass es anders kommen wird, ist aufgrund der Pandemie allen klar. Was die Opposition aber beanstandet, ist, dass Blümel das Budget trotzdem so vorgelegt hat, als gebe es keinen Einfluss der Coronavirus-Krise darauf.

SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer fragte den Finanzminister, warum er – im Gegensatz etwa zur Regierung in Deutschland – es nicht geschafft habe, ein „verfassungskonformes, dem Haushalt entsprechendes Budget“ vorzulegen. „Erklären Sie mir, wieso die Deutschen besser sind als Sie“, forderte Krainer Blümel auf. Er kritisierte auch, dass von den versprochenen Soforthilfen von zwei Milliarden Euro erst zweihundert Millionen bei den Betroffenen angekommen seien.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte, dass die durch die Coronavirus-Krise zu erwartenden Kosten im Zahlenwerk überhaupt keinen Niederschlag gefunden hätten. Denn was das Parlament beschließen soll, „bildet diese Jahrhundertkrise nicht im Geringsten ab“. Der Bundesregierung fehle es hingegen an „Plan, an Perspektive, an Orientierung“, so Rendi-Wagner. „Es braucht endlich echte Hilfe statt leerer Versprechen“, so die Forderung der SPÖ-Chefin. Denn wenn man nicht jetzt gegensteuere, setze sich eine „Negativspirale“ in Gang, und es brauche umso mehr Mittel, je länger diese andauert. Einmal mehr untermauerte sie ihre Forderung nach dem „größten Beschäftigungspaket der Zweiten Republik“.

Überschreitungsermächtigung angestrebt

Wegen des starken Einbruchs der Wirtschaft durch die Coronavirus-Pandemie und den zu ihrer Eindämmung verhängten „Lock-down“ wird der Bund heuer deutlich weniger einnehmen und gleichzeitig viel mehr Geld für die Krisenbekämpfung ausgeben. Daher wollen ÖVP und Grüne, dass der Regierung per Überschreitungsermächtigung erlaubt wird, die vorgesehenen Ausgaben um 28 Mrd. Euro zu überziehen. Damit könnte der Bund heuer bis zu 110 Mrd. Euro ausgeben. Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden dürften den Schätzungen des Finanzministeriums zufolge um 11,5 Mrd. Euro einbrechen.

Hubert Fuchs, Jan Krainer und Karin Doppelbauer
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Die Abgeordneten Hubert Fuchs (FPÖ), Kai Jan Krainer (SPÖ) und Karin Doppelbauer (NEOS) übten Kritik am Budget

Da der SPÖ das nicht genug ist, brachte sie auch noch eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein. SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried warf dem Regierungschef vor, die Unternehmen in der Krise in Verzweiflung zu bringen. In Deutschland warteten diese 48 Stunden auf ihr Geld, in Österreich brauche man schon 48 Stunden zum Ausfüllen der Formulare. In den 28 Detailfragen geht es um das Ersuchen von Schuldeingeständnissen und um Erläuterungen von Regierungsentscheidungen, beispielsweise, warum das Arbeitslosengeld nicht erhöht werde. Schließlich soll der Kanzler einschätzen, wie viele Unternehmen im heurigen Jahr noch in Insolvenz gehen.

Kurz reagiert auf Dringliche

Kurz betonte in seiner Reaktion das neue Credo, dass es künftig ein Minimum an Regeln, aber ein Maximum an Freiheit, Eigenverantwortung und Hausverstand brauche. Die Kritik der SPÖ an den Maßnahmen der Regierung ließ Kurz an sich abperlen: „Mir fällt kein Land ein, mit dem ich tauschen möchte.“ Nur wenige Länder hätten wie Österreich einen vergleichsweise geringen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das sei einerseits der raschen Reaktion auch des Parlaments, andererseits dem 38 Milliarden schweren Hilfspaket zu verdanken.

Hans Bürger (ORF) zur Budgetdebatte

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert die Budgetdebatte im Nationalrat.

Was allfällige Verzögerungen angeht, betonte Kurz, dass die Behörden Tag und Nacht an der Bearbeitung der eingebrachten Anträge arbeiteten. Aber es sei eben eine Herausforderung, die Hilfen rechtskonform und treffsicher an den Mann zu bringen. Alles brauche eine gesetzliche Grundlage und ein Minimum an Kontrolle.

NEOS: „Ein Budget zum Kübeln“

Der Kritik schloss sich NEOS an. Es sei „jedes Verständnis da, dass nicht jede Zahl auf Punkt und Beistrich halten wird“, betonte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. „Aber nicht einmal zu versuchen, ein seriöses Budget mit Nachtrag zu liefern, das ist eine Respektlosigkeit gegenüber der Volksvertretung.“ „Ein Budget zum Kübeln“, urteilte auch die Budgetsprecherin der Partei, Karin Doppelbauer, die Blümel Arbeitsverweigerung vorwarf.

Blümel sei der erste und der einzige Finanzminister, der es nicht geschafft habe, „ein ordentliches Budget vorzulegen“, so Doppelbauer. „Stattdessen diskutieren wir Altpapier.“ Die NEOS-Abgeordnete übergab Blümel symbolisch einen türkisfarbenen Altpapiermistkübel. Doppelbauer merkte an, dass nach Brüssel sehr wohl aktuelle Zahlen unter Einberechnung der Auswirkungen der Coronavirus-Krise geschickt worden seien, aber dem Parlament zu Hause alte Zahlen zur Abstimmung vorgelegt würden.

Karin Doppelbauer während der Nationalratssitzung
ORF
Doppelbauer schenkte Blümel einen Kübel

An die EU-Kommission meldete Blümel bereits ein deutlich höheres Defizit: Statt auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung schätzt er das Minus aktuell auf acht Prozent bzw. 30,5 Mrd. Euro. Damit würde der bisherige Rekordwert des Jahres 1995 (6,1 Prozent des BIP) klar überschritten. Die Schulden würden mit 81,4 Prozent aber unter dem bisherigen Höchstwert (84,9 Prozent 2015) bleiben. Blümel sagte dazu in seiner Rede im Hohen Haus: „Was nach Brüssel gemeldet wurde, ist eine WIFO-Schätzung.“

FPÖ wirft Blümel Respektlosigkeit vor

Ablehnend fielen auch die Reden der FPÖ-Abgeordneten aus. FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs warf den türkisfarbenen und grünen Abgeordneten vor, dass diese „bedauerlicherweise wissentlich ein falsches Budget beschließen werden“. Die Opposition habe den Finanzminister „schon zigmal aufgefordert, endlich ein Budget aufgrund der vorliegenden Daten vorzulegen – auch wenn wir wissen, dass die Daten unsicher sind. Der nun vorliegende Budgetentwurf ist auf jeden Fall ein Ausdruck von großer Respektlosigkeit des Finanzministers.“

Ungewöhnliche Budgetdebatte im Parlament

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) präsentiert am Dienstag die Budgetzahlen im Nationalrat, die aufgrund der Krise nichts mit der wirklichen Lage zu tun haben. Die Opposition ist verärgert.

Als „überhaupt nicht seriös“ bezeichnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ) Blümels Budget. Es beinhalte „überhaupt keine Informationen, was dann finanziert werden soll“. „Sie haben nicht gesagt, was Sie mit den 28 Milliarden Euro vorhaben werden“, so Belakowitsch in Richtung des Finanzministers. „Die Österreicherinnen und Österreich haben ein Recht zu erfahren, was damit passieren soll.“ Sie warf der ÖVP außerdem vor, „die Bürger zu abhängigen und dankbaren Menschen zu machen“.

„Alle Ministerien brauchen Grundlage“

Hinter Blümel stehen nicht verwunderlich die beiden Regierungsparteien. Nationalratsabgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) attestierte ÖVP und Grünen ein „ambitioniertes Regierungsprogramm“ unter einem „ökosozialen“ Gesichtspunkt. Er verstehe vieles an der Aufregung nicht, da es völlig klar sei, dass die vor dem Coronavirus berechneten Zahlen andere seien als die potenziell erwartbaren. „Alle Ministerien brauchen eine rechtlich verbindliche Grundlage für ihre Ausgabentätigkeit“, argumentierte Kopf. Auch „seriös“ sei daher die Überschreitungsermächtigung „bei all dieser Unplanbarkeit“.

Weniger Einnahmen, mehr Ausgaben

Um Unternehmen zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern, schnürte die Regierung Hilfspakete in Milliardenhöhe. Gleichzeitig fehlen wegen des Einbruchs der Wirtschaft und der hohen Arbeitslosigkeit Einnahmen aus Steuern und Abgaben.

„Wir können momentan nur von einer Momentaufnahmen sprechen, alles andere wäre unseriös“, verteidigte ÖVP-Klubobmann August Wöginger das Budgetvorhaben. Ein Kassasturz habe erst im Herbst Sinn, das würden auch Experten bestätigen. Dennoch sei das Vorhaben richtig, denn das Budget sehe zusätzliche Mittel in vielen Bereichen vor, die notwendig seien. „Auch wenn uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist das Regierungsprogramm, auf das sich die türkis-grüne Regierung geeinigt hat, alles andere als hinfällig“, ergänzte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Und dieses Programm sei im vorliegenden Budget abgebildet.

Diplomatisch versuchte es der grüne Abgeordnete Jakob Schwarz. „Ich weiß, dass vielen das nicht aktuell genug ist, aber hätten wir vor den Ausschussverhandlungen die Zahlen upgedatet, wären sie heute auch wieder unvollständig“, sagte auch Schwarz. Er verwies auf jene politischen Schwerpunkte der Regierung, die es sowieso gebe und auf die man sich konzentrieren müsse – etwa Klimaschutz und Digitalisierung. „Diese Maßnahmen sind vor der Krise sichtbar gewesen und werden das auch nachher sein“, so Schwarz.

Beschluss am Donnerstag

Blümel selbst verstand die Kritik der Opposition teilweise: „Ich darf ihnen recht geben, dass diese Krise die größte und schwerste ist, die wir in unseren Lebzeiten erlebt haben.“ Aus diesem Grund gebe es aber das insgesamt 38 Milliarden Euro schwere Hilfspaket. Der Finanzminister verwies erneut darauf, dass Österreich die Krise „besser als andere“ bewerkstellige, da man auch die Wirtschaft früher hochfahren könne als andere Länder. Überwiegend wies er die Kritik der Opposition aber zurück. Die Coronavirus-Hilfen würden sehr wohl wirken: „Diese Hilfe kommt an“, sagte er und verwies etwa auf bereits bewilligte sechs Mrd. Euro an Steuerstundungen und die schon bewilligten Kurzarbeitsanträge: Hier seien 40.000 bereits abgewickelt worden, und es sei auch schon Geld geflossen.

Eine von der Opposition geforderte Korrektur des Budgetentwurfs haben ÖVP und Grüne schon abgelehnt. Einzig die Ausgabengrenze des Finanzrahmens wurde angehoben und der Finanzminister ermächtigt, auf kurzem Wege bis zu 15 Mrd. Euro lockerzumachen. Das neue Budget soll am 1. Juni in Kraft treten. Bis dahin gilt das gesetzliche Budgetprovisorium. Die Schlussabstimmung über den ersten türkis-grünen Haushalt folgt nach mehrtägiger Diskussion am Donnerstag.