Frau sieht sich auf einem Tablett die Webseite ORF.at in einfacher Sprache an
ORF.at/Christian Öser
Neues Service

ORF.at täglich in Einfacher Sprache

Gut eine Million Menschen hat in Österreich Lese- und Schreibschwächen. Auch diese große Gruppe soll täglich mit wichtigen Informationen versorgt werden. Deshalb startet ORF.at nun das Infofenster „Einfache Sprache“: Dieses kann man sich am Fuß des Nachrichtentickers einrichten. Und so das Wichtigste leicht verständlich erfassen.

„Wenn wir den Anspruch haben, alle Österreicherinnen und Österreicher mit den wichtigsten Nachrichten zu erreichen, dann müssen wir auch in allen Sprachniveaus verständlich sein“, sagt ORF.at-Chefredakteur Gerald Heidegger. Seit Langem erfüllt ORF.at die Richtlinien zur Barrierefreiheit, um aktuelle Nachrichten für Screenreader und Co. auszuliefern. Nun, so Heidegger, stehe auch eine einfachere Übersetzung der Nachrichten in ORF Online für alle zur Verfügung.

„Jetzt, nicht zuletzt im Schatten der Covid-19-Krise, hat sich umso mehr gezeigt, dass man alle Gruppen der Gesellschaft mit überlebenswichtigen Informationen versorgen muss“, unterstrich auch der Leiter des Humanitarian Broadcasting im ORF, Pius Strobl, bezüglich des nun gestarteten Projekts.

Mit dem neuen Modul „ORF.at Einfache Sprache“ sollen all jene erreicht werden, die einen inhaltlich einfacheren Zugang zu den Informationen benötigen. Am Fuß der blauen Seite kann man sich deshalb, egal ob am Handy, Tablet oder Desktop, ja auch Fernseher, das Fenster „Nachrichten in Einfacher Sprache“ einrichten. Täglich erscheinen in diesem Fenster dann Nachrichten leicht verständlich dargeboten, auch stets ausgestattet mit einem informativen Bild.

Bildschirmfoto zeigt wie bei den Kurzmeldungen auf ORF.at die Meldungen in Einfacher Sprache eingerichtet werden können
ORF.at
Einfach einzurichten am Fuß des ORF.at-Nachrichtentickers

Deutlich größer fällt dabei auch die Schrift im Fenster „Einfache Sprache“ aus und soll damit auch eine notwendige Leseerleichterung bringen. Bereits erste Testgeschichten auf ORF.at im Verbund mit dem Verein Jugend am Werk im Jahr 2014 haben gezeigt: Das Interesse an einem Angebot in Einfacher Sprache war enorm.

Teletext als Vorreiter

Angeboten werden die Nachrichten in Einfacher Sprache auch vom ORF-Teletext, der bereits seit 2017 ab der Seite 470 „Nachrichten leicht verständlich“ anbietet. Bisher war das nur von Montag bis Freitag möglich, nun wird es online und im Teletext eine Abdeckung an 365 Tagen im Jahr mit leicht verstehbaren Nachrichten geben.

Kooperation mit APA

Möglich ist dieses Angebot durch eine enge Kooperation zwischen dem ORF und der Austria Presse Agentur (APA), die seit Längerem Nachrichten in „Leichter Sprache“ anbietet – und das im Rahmen einer Kooperation mit dem ORF nun ausgeweitet hat. Die von der APA bereitgestellten Meldungen werden aber bald erweitert durch Beiträge der Inklusiven Lehrredaktion, die zum Jahresanfang in das ORF-Zentrum auf dem Küniglberg gezogen ist. Hatte das vom Fonds Soziales Wien (FSW) unterstützte und von Jugend am Werk umgesetzte Projekt früher beim „Kurier“ dank der Pionierleistungen von Heinz „KiKu“ Wagner eine Heimat gefunden, konnte das Team nun im Bereich der Human-Ressource-Abteilung des ORF eine neues Zuhause finden.

Teletextmeldung leicht verständlich
ORF.at
Teletext-Seite „leichter verständlich“

Seit dem Umzug auf „den Berg“ ist die Lehrredaktion zur zentralen Instanz im ORF für Nachrichten in Einfacher Sprache geworden – etwa als Unterstützung für das mittlerweile sehr beliebte Nachrichtenformat in der sonntäglichen „wow“-Show von Rolf Rüdiger und Robert Steiner oder als Beitraggestalter für Nachrichten in Einfacher Sprache in ORF III.

„Selbstverständlicheres Miteinander“

„Es freut mich sehr, dass es jetzt mit ORF einfach ein tägliches und aktuelles Nachrichtenformat in Einfacher Sprache gibt“, sagt Franz-Joseph Huainigg. Der frühere Parlamentarier ist im ORF mit einer der Motoren, Barriereschranken bei der Darstellung von Medien abzubauen. Das neue Fenster öffne ja, so Huainigg, nicht nur Menschen mit Lernbehinderungen die Tür zur Welt, sondern auch vielen älteren Menschen, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und Kindern. Insgesamt wünscht sich Huainigg ein „selbstverständlicheres und natürlicheres Miteinander zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen“.

Mitglieder der Lehrredaktion vor dem Umzug aus dem Kurier
ORF Human Ressources
„Wollen ein selbstverständlicheres Miteinander zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen“, wünscht sich Franz-Joseph Huainigg (Mitte), hier bei einem Besuch in der Inklusiven Lehrredaktion.

Die Inklusive Lehrredaktion ist auf drei Jahre ausgelegt. Bewusst will man von den Trägerorganisationen wie dem FSW, wie der für Behindertenarbeit zuständige Robert Bacher erläutert, auf das Moment der Berufsbefähigung hinarbeiten, also, dass etwa Absolventen der Lehrredaktion nach ihrer Zeit in dieser Einheit in der Lage sind, etwa in einer Redaktion einen Job zu finden. Bereits ein Absolvent arbeitet mittlerweile am APA-„TopEasy“-Programm mit. „Für uns ist die Berufsqualifizierung der Lehrredaktion ebenso wichtig wie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, erläutert Bacher: „Und schließlich auch, dass die Lehrredaktion wieder für andere Gruppen mit Leseschwäche ein wichtiges Nachrichtenangebot erstellt, sodass diese Gruppe nicht vom Informationsfluss ausgeschlossen ist.“

„TopEasy“-Projekt der APA

Die Austria Presse Agentur hat ihrerseits 2017 das Angebot „TopEasy“ gestartet, das seitdem Nachrichten in zwei einfacheren Sprachstufen (A2 und B1 nach den Standards des auf Lernunterstützung spezialisierten Unternehmens Capito) anbietet. Für APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger hat das vom Sozialministerium geförderte „TopEasy“-Angebot nicht nur einen Nutzen für die Medien, um neue Zielgruppen zu erreichen. „Mit dem Projekt leisten wir auch einen wertvollen Beitrag zur Barrierefreiheit im Nachrichtenbereich.“

„Das Nichtverstehen von Texten hat für die Betroffenen gravierende Folgen“, erläutert der Leiter der APA-Multimedia-Redaktion Christian Kneil, seinerseits ORF.at-Redakteur der ersten Stunde: „Studien zeigen, dass Menschen mit geringer Lesekompetenz kaum Medien konsumieren und auch seltener zu Wahlen gehen.“

Bildschirmfoto eines Artikels auf ORF.at in Einfacher Sprache
ORF.at
Klar strukturierte, einfache Meldungen mit Bild im Fenster „Einfache Sprache“

Die Idee von der Leichten bzw. Einfachen Sprache

Die Idee von Leichter bzw. Einfacher Sprache hat ihren Ursprung in der US-amerikanischen Organisation People First, die 1974 gegründet wurde und 1996 die Idee des „Easy Read“ entwickelte. Etwas früher hatte man schon in Schweden Ende der 1960er Jahre ein Projekt für Einfache Sprachvermittlung gestartet, das vom schwedischen Bildungsministerium getragen wurde.

In Schweden kam bereits im Jahr 1984 die Zeitung „8 Sidor“ („Acht Seiten“) heraus, die Nachrichten in Einfacher Sprache vermittelte. Seit 1991 hat Schweden auch ein eigenes Verlagsgebäude für Publikationen in Einfacher Sprache. Servicestellen der Easy-to-read-Kommission erstellen und übersetzen im Auftrag von Behörden, Organisationen, Verbänden und Unternehmen Texte in Einfache Sprache.

Einfach oder leicht?

Die Begriffe „Einfache Sprache“ und „Leichte Sprache“ gehen in eine grundsätzlich ähnliche Richtung. Beim Begriff „Leichte Sprache“ gibt es strengere Regeln und klar gegliederte Sprachstufen. Beim Begriff „Einfache Sprache“ sind teilweise auch Nebensätze erlaubt. ORF.at möchte eine einfache Sprachvariante anbieten und verwendet deshalb den Begriff „Einfache Sprache“.

In Deutschland entstand 1997 ein erstes offizielles Netzwerk von Menschen mit Lernschwierigkeiten, bevor 2006 das Netzwerk Leichte Sprache entstand. 1998 wurden von der europäischen Vereinigung der ILSMH (International League of Societies for Persons with Mental Handicap) erstmals europäische Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen entwickelt und herausgegeben.

Aus dieser Richtlinie erstellte die internationale Organisation Inclusion Europe im Jahr 2009 in Kooperation mit Menschen aus acht Ländern – Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Litauen, Österreich, Portugal, Schottland – ein umfassendes Regelwerk zu Leichter Sprache. Es ist weitgehend in sehr einfacher Sprache mit klarer und ansprechender Optik verfasst und geht auch auf die Gestaltung von Print- und Audiomedien, Internetauftritten und Videos ein.

Inclusion Europe hat auch ein Gütesiegel für Leichte Sprache entwickelt, das in Deutschland mittlerweile verbreitet ist und Texte kennzeichnet, die in Leichter Sprache verfasst und von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft wurden.