Leerer Strand in der Nähe von Rom
AP/Andrew Medichini
Reisefreiheit

Tauziehen zwischen Österreich und Italien

Italiens Außenminister Luigi Di Maio will am 15. Juni einen „touristischen D-Day“: Wenn an diesem Tag Deutschland die Reisebeschränkungen lockert, soll auch im Rest Europas der Tourismus den Neustart wagen. Ob Österreich mitspielt und seine Grenzen nach Italien öffnet, ist aber weiter unklar. Nach Gesprächen am Montag blieb man trotz eines Bekenntnisses zur Reisefreiheit eher vage und versprach vorerst nur eine enge Abstimmung. In Italien sorgt das Thema für Unmut.

Denn Italien ist seit Jahrzehnten das beliebteste Urlaubsland bei Österreicherinnen und Österreichern. Das kommt auch bei den Betrieben an: Laut den letzten verfügbaren Zahlen entfielen fünf Prozent der Übernachtungen in der italienischen Sommersaison 2018 auf österreichische Touristen und Touristinnen. Sie geben durchschnittlich 156 Euro pro Tag aus – und damit deutlich mehr als der europäische Durchschnitt (110 Euro).

Dazu kommt, dass Italien heuer wohl wichtige Urlaubersegmente wegbrechen dürften – etwa Gäste aus den USA, für Italien das zweitwichtigste Herkunftsland. Umso stärker wird das Buhlen um europäische Touristen ausfallen. Umgekehrt lag in Österreich der Anteil italienischer Reisender in der Sommersaison des Vorjahres übrigens bei 2,4 Prozent. Damit befindet sich Italien bei den wichtigsten Herkunftsländern immerhin auf Platz 5.

Regierung für Österreich-Urlaub

Italien will nun ab dem 3. Juni die Grenzen für Urlauber wieder öffnen, was für Österreich offenbar zu früh ist. Begründet wird das damit, dass Italien von der Pandemie besonders schwer betroffen gewesen sei. Die gesundheitliche Situation in Italien sei noch nicht so weit, dass Österreich die Einreise freigeben könne. Gleichzeitig ist es kein Geheimnis, dass die Regierung heuer Österreich-Urlaube unter der Bevölkerung forcieren will, um den inländischen Tourismus wieder anzukurbeln. Dazu kommt das Werben um Gäste aus Deutschland: Sie sind sowohl für Österreich als auch für Italien die wichtigste Gruppe.

Abstandsbegrenzungen an einem Strand in Südfrankreich
AP/Daniel Cole
In Frankreich sorgen Absperrsysteme auf Stränden für Abstand – eine Lösung auch für Italien?

Vergangene Woche hatte daher vor diesem Hintergrund der slowenische Außenamtssprecher Aleksander Gerzina Österreich vorgeworfen, jene Touristen im Land halten zu wollen, die an die slowenische oder kroatische Adriaküste reisen wollten. Denn auch bei einer Grenzöffnung Richtung Slowenien zeigt sich Österreich trotz geringer Infektionszahlen zurückhaltend, begründet wird dies mit der slowenisch-italienischen Grenze. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) befürchte, dass infizierte Italiener nach Slowenien gelangen könnten.

Aussicht auf Grenzöffnungen

Mit Tschechien, Ungarn und der Slowakei laufen die Verhandlungen über Grenzöffnungen ganz gut, Italien gegenüber ist Österreich aber noch auf Grenzschutz bedacht.

Friaul sieht „Tourismusdumping“

Aus Italien kam am Dienstag ähnliche Kritik wie aus Slowenien. So sprach etwa der Präsident der Kärntner Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien, Massimiliano Fedriga, gegenüber RAI Radio 1 von „Tourismusdumping“. „Wenn man die Zahlen betrachtet, sieht man, dass in Deutschland die Zahl der Infizierten jener in Italien sehr ähnlich ist. Ich begreife nicht, warum die österreichische Grenze zu Deutschland und nicht zu Italien offen ist. Es ist klar, dass die Epidemie instrumentalisiert wird“, so der Politiker der rechten Lega. Er kritisierte, dass somit jegliche „europäische Regel“ zerstört werde.

Gesprächsbedarf gibt es offenbar auch noch bezüglich der Korridorlösung, derzufolge etwa deutsche Touristen schon ab Juni durch Tirol ohne zusätzliche Quarantänemaßnahmen oder Ähnliches nach Italien reisen können. Am Montag hatte sich Italien dagegen ausgesprochen: Man akzeptiere „keine touristischen Korridore im EU-Raum, sondern nur gemeinsame Maßnahmen, wie sie die EU-Kommission fordert“, hieß es dazu vom italienischen Europaminister Vincenzo Amendola. Auch der Präsident Venetiens, Luca Zaia, kritisierte den Schritt und forderte eine europäische Lösung.

Italiens Touristiker riefen indes zu einem runden Tisch gegen die Korridore auf. „Wir dürfen die Gefährlichkeit von Initiativen wie jene Österreichs nicht unterschätzen, das einerseits Allianzen mit Deutschland, der Tschechischen Republik und der Slowakei abschließt und andererseits die Grenzen zu Italien geschlossen hält“, so der Präsident des Touristikerverbands Confturismo, Luca Patane. Er warnte vor Versuchen, die internationalen touristischen Ströme von Italien auf andere Länder zu verschieben.

Platter: Lombardei als Knackpunkt

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bezeichnete indes in der Debatte die Situation in der Lombardei als ausschlaggebend. Die Zahl der Infizierten sei dort mit 25.000 Erkrankten noch zu hoch. Nachdem eine Isolation der Lombardei „scheinbar nicht möglich“ sei, könne man im Falle einer Grenzöffnung von dort direkt nach Tirol weiterfahren – „und das ist das Problem“. Die Situation in Südtirol und auch im Trentino sei dagegen gut, „ähnlich wie in Tirol“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Südtirol wirbt um Gäste

„Nichts steht mehr einem Italien-Urlaub im Weg“, sagte der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag laut Medienangaben. „Die Vorschriften betreffen nur die Einreise nach Österreich und nicht den Transit, daher können deutsche Urlauber nach Italien und Südtirol einreisen“, sagte Kompatscher weiter. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Tourismusbranche, Hoteliers und ihre Familien sollen vor Beginn der Saison Tests unterzogen werden.

Das Angebot sei nicht verpflichtend, sondern „ein Service“, sagte Kompatscher dem Radiosender RAI1. Dabei gehe es sowohl um Antikörperbluttests als auch um PCR-Tests. Erwogen wird, die Tests in Hotelangebote zu integrieren. Die Kosten soll der Gastgeber oder der Gast übernehmen, hieß es. Südtirol hat in der Coronavirus-Epidemie insgesamt rund 2.600 Infektionen und 290 Tote gemeldet.

Di Maio: „Retten, was vom Sommer zu retten ist“

Italien wolle sich nun dafür einsetzen, „dass wir am 15. Juni alle gemeinsam in Europa wieder öffnen können“, sagte Außenminister Di Maio. „Wir müssen das retten, was vom Sommer zu retten ist, um unseren Unternehmern zu helfen“, sagte der Minister. Doch wann eine Grenzöffnung seitens Österreich tatsächlich kommen könnte, blieb vorerst offen. Bei einer Besprechung zwischen ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg und Di Maio betonte man die gemeinsame Anstrengung.

Italiens Außenminister Luigi di Maio
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Di Maio will eine europäische Lösung

Die Minister sprachen sich für die Rückkehr der vollen Reisefreiheit in Europa aus und vereinbarten „enge Abstimmung“, hieß es aus dem Außenministerium. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die volle Reisefreiheit und die Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union wiederherzustellen“, so Schallenberg. Gleichzeitig betonte er, die Öffnung müsse „schrittweise“ erfolgen, um die Erfolge der letzten Wochen nicht zu gefährden.

Der slowenische Innenminister Ales Hojs zeigte sich nach einem Telefonat mit seinem Kollegen Nehammer indes zuversichtlich, dass es zu einer baldigen Grenzöffnung kommen werde. "Wir werden uns auch weiterhin darüber eng abstimmen und austauschen.“, so Nehammer.