Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Umbau im Ministerium

Zadic entmachtet Sektionschef Pilnacek

Im Justizministerium findet ein nicht unwesentlicher Umbau statt: Die „Supersektion“ Strafrecht wird zweigeteilt. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) gab die „Neuorganisation“ Dienstagabend bekannt. Der Schritt solle „klare Verhältnisse“ im Haus schaffen und einen möglichen „Generalverdacht“ von Befangenheit durch berufliche Kontakte zur Politik ausräumen, erklärte sie. Der Umbau hat vor allem aber auch den Effekt, dass Christian Pilnacek, der wohl prominenteste und in den letzten Monaten öffentlich am häufigsten kritisierte Sektionschef der Republik, entmachtet ist. Er könne sich aber neu bewerben, sagte Zadic.

Die Justizministerin hatte eine Entscheidung über den Verbleib Pilnaceks als Chef der Sektion IV, zuletzt immer häufiger Ziel heftiger Kritik, bis 31. Mai angekündigt gehabt, nun ging es doch um ein paar Tage schneller.

Länger dauerte es dafür, bis die Ministerin bei ihrer überraschend für Dienstagabend angesetzten Pressekonferenz überhaupt auf seine Person bzw. Personalie zu sprechen kam: nämlich erst auf Nachfrage nach dem Ende ihrer Erklärung.

„Schlüssel für Vertrauen in Justiz“

Zadic sprach erst ausführlich über die Rahmenbedingungen bzw. Strukturen der Arbeit in ihrem Ministerium im Bereich Strafrecht: Ihr sei es ein Anliegen, für Reformen, wie sie von der ÖVP-Grünen-Bundesregierung geplant seien, gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek
Reuters/Leonhard Foeger
Pilnacek leitete die „Supersektion“ Strafrecht seit 2010, genießt fachliches Ansehen, wurde aber auch häufig scharf kritisiert

Es gehe aber nicht nur darum, sondern insbesondere beim Strafrecht auch um das Vertrauen in die Justiz und ein Gerechtigkeitsempfinden. Das Strafrecht sei eine Art Schlüssel für das Vertrauen der Bevölkerung in Justiz und Rechtsstaat. Um dieses Vertrauen gewährleisten zu können, brauche es wiederum klare Strukturen.

Der Geruch von Nähe zur Politik

Warum? Der aktuelle Stand sei, dass in der „Supersektion“, geschaffen seinerzeit unter Ex-ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und seit 2010 mit Pilnacek an der Spitze, sehr viel konzentriert sei, dieselbe Sektion kümmert sich um Gesetze und einzelne Verfahren samt Aufsicht.

In der Natur der Arbeit dort liege es auch, dass es Kontakte zu vielen „Stakeholdern“, wie Zadic sagte, gebe – naturgemäß auch zur Politik. Gleichzeitig sei eben die Fachaufsicht dort angesiedelt. Zum Problem werde das insbesondere bei Verfahren, die unter besonderer Beobachtung bzw. im Licht der Öffentlichkeit stünden. Das alles könne zu einem Spannungsverhältnis führen, einem „Generalverdacht“, den niemand verdient habe.

„Innere Gewaltenteilung“ im Haus

Strukturelle Probleme brauchten strukturelle Lösungen, führte Zadic weiter aus, deshalb werde die Sektion IV neu organisiert, um dieses Spannungsfeld aufzulösen: nämlich geteilt in eine Sektion, die sich ausschließlich mit Gesetzen (Legistik), und eine, die sich mit Verfahren und Staatsanwaltschaft beschäftigt. Derart solle jeglicher „Anschein von Einflussnahme“ vermieden werden. Mit der Neuorganisation sorge man für eine „innere Gewaltenteilung“ im Haus. So sollen „klare Verhältnisse“ geschaffen werden.

Zwei wesentliche Konsequenzen: Mit der Teilung der "Supersektion "würden auch die Leitungsfunktionen neu ausgeschrieben, Pilnacek müsse sich – und könne sich gerne wieder – neu bewerben, wie Zadic erst auf Nachfrage wissen ließ.

Von ÖVP „zur Kenntnis genommen“

Im Interview mit der ZIB2 blieb Zadic diplomatisch. Gefragt nach den Gründen für ihre Entscheidung verwies sie erneut, dass es ihr vor allem um eine „Neustrukturierung“ gegangen sei. Sie pflege einen wertschätzenden Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sie glaube, dass ihr Schritt auch auf Verständnis gestoßen sei, sagte die Ministerin auf die Frage, wie Pilnacek darauf reagiert habe.

Zadic: „Es braucht diese interne Gewaltenteilung“

Im Justizministerium findet ein wesentlicher Umbau statt: Die „Supersektion“ Strafrecht wird zweigeteilt. Im ZIB2-Interview äußert sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zu dieser „internen Gewaltenteilung“ und zu Sektionschef Christian Pilnacek.

Zu Gerüchten über neue Vorwürfe gegen den Sektionschef sagte Zadic, es seien „immer wieder Vorwürfe im Raum gewesen“, Anzeigen würden von der zuständigen Staatsanwaltschaft geprüft. Das sei nicht ihre Aufgabe. Sie könne nur sagen, dass sie eine „sehr gute Arbeitsebene mit Pilnacek hatte und habe“. Gefragt nach der Reaktion der ÖVP sagte Zadic, der Koalitionspartner sei informiert worden, es stehe jedem Minister frei, in seinem Ressort zu entscheiden. Das habe sie auch gemacht und das sei zur Kenntnis genommen worden.

Im Clinch mit der WKStA

Zuletzt hatte Zadic eine Verlängerung Pilnaceks in seiner Funktion noch offen gelassen. Sie werde die entsprechende Entscheidung Ende Mai treffen, hatte die Justizministerin bei einer Pressekonferenz am Sonntag vor einer Woche gesagt. Sie richte Mitarbeitern nichts öffentlich aus. Zuvor hatte es – nicht das erste Mal – Kritik am Sektionschef gegeben, und auch nicht zum ersten Mal war von der Opposition seine Abberufung gefordert worden.

Anlass war ein publik gewordener Schriftverkehr zwischen dem Sektionschef und dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Johannes Fuchs, aus dem Vorjahr, in dem Pilnacek Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) übte. Beide sind schon länger im Clinch, etwa wegen der Causa Eurofighter, zwischenzeitlich wurde der Konflikt sogar mit gegenseitigen Anzeigen ausgetragen. Die SPÖ nannte die E-Mails „in höchstem Maße verstörend“, die WKStA derart zu diskreditieren, „legt ein berufliches, aber auch rechtliches Selbstverständnis an den Tag, das eines hohen Beamten einer Dienst- und Fachbehörde unwürdig ist“.

Umstrittener Besuch von Casinos-Aufsichtsräten

Bereits im Februar hatte sich die Opposition auf Pilnacek eingeschossen, da er sich in seinem Büro mit den beiden Aufsichtsräten der Casinos Austria AG, Walter Rothensteiner und Josef Pröll, getroffen hatte. Wiederum forderten FPÖ und NEOS seine Ablöse. Pilnacek habe „in bedenklicher Weise Einfluss auf die Ermittlungen“ in der Causa Casinos, hieß es von den Freiheitlichen, NEOS sagte, ein „Klaps auf die Finger reicht bei einem derartigen Skandal sicher nicht aus“.

Pilnacek selbst befand das Treffen „nicht aufregend“. Rothensteiner habe ihn um den Termin gebeten, er sei dieser Bitte „aus Höflichkeitsgründen“ nachgekommen, sagte er. Er habe sich „die beiden Herren angehört“, er sei um nichts gebeten worden. Er habe im Gegenteil selbst ersucht, die Ermittlungen der WKStA abzuwarten. Zadic lehnte eine Abberufung des Sektionschefs ab, es habe aber ein klärendes Gespräch mit ihr gegeben, sagte Pilnacek, mit Zadic habe er eine „ausgezeichnete Gesprächsbasis“.

„Für weniger Wirbel sorgen“

Vor der offiziellen Bestätigung des Umbaus im Ministerium hatte am Dienstag der „Standard“ von entsprechenden Plänen berichtet, mit dem Ziel, dass Pilnacek aus der „Weisungskette (zu) entfernen“. Die Zeitung nannte ihn die „wohl umstrittenste Personalie“ im Ministerium, gleichzeitig aber gelte er „als exzellenter Legistiker, der in der Strafrechtsreform Meriten gesammelt hat“. Ziel der Rochade sei, dass Pilnacek auf seinem neuen Platz diese Stärken ausspielen können und gleichzeitig „für weniger Wirbel sorgen soll“.

Hans Bürger (ORF) zur Umstrukturierung in der Justiz

ZIB-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert die Umstrukturierung im Justizministerium.

Das Ministerium hatte laut „Standard“ die Umbaupläne vorerst nicht kommentieren wollen, Pilnacek habe gemeint, da wisse man wohl mehr als er und habe zur Nachfrage auf Zadic verwiesen, schrieb der „Standard“ und mutmaßte, dass man in der ÖVP über die Entscheidung der grünen Ministerin „nicht allzu glücklich sein“ dürfte. Laut Zadic war der Koalitionspartner aber informiert.

Gleichfalls am Dienstag hatte das von Jetzt – Liste Pilz (für die Zadic 2017 als Abgeordnete in den Nationalrat eingezogen war, 2019 wechselte sie zu den Grünen, Anm.) bzw. dem früheren grünen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz gegründete Onlinemedium ZackZack von neuen Vorwürfen gegen Pilnacek, die „Zadic weiter unter Druck“ setzten, berichtet. Dokumente belegten, dass er eigenmächtig Weisungen erteilt und „parlamentarische Anfragebeantwortungen gesteuert“ habe, hieß es in einer Aussendung. Schließlich belasteten noch zwei Staatsanwälte den „Pilnacek-Vertrauten“ und Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Fuchs, schwer: Er soll persönlich den Auftrag erteilt haben, „das Eurofighter-Verfahren zu ‚daschlogn‘“.

Für SPÖ „überfällig“

Bei der Opposition stieß Zadics Schritt auf positives Echo. SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sah mit der Teilung der Sektion IV eine langjährige Forderung ihrer Partei umgesetzt, die Sozialdemokraten hätten die seinerzeitige „Zusammenlegung unter ÖVP-Ministerin Bandion-Ortner immer kritisiert“, hieß es in einer Aussendung. „Damit werde auch endlich auf zahlreiche Vorwürfe gegen Sektionsleiter Pilnacek reagiert“, der Schritt „war jedenfalls überfällig“.

Skeptische Stimmen aus der FPÖ

Skeptisch reagierte die FPÖ. „Dafür, dass das Projekt ‚innere Gewaltenteilung‘ angeblich seit Monaten geplant war und im Herbst einmal umgesetzt werden soll, wurde die Pressekonferenz der grünen Justizministerin doch recht überhastet einberufen“, so der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl. „Offensichtlich tritt Zadic die Flucht nach vorn an – wovor sie tatsächlich flüchtet, wird sich noch weisen.“ In einer Aussendung vermutete Kickl, dass nun jemand anderer im Ressort eine schützende Hand über die Volkspartei halten werde, „dafür wird die ÖVP schon sorgen“.

Nochmals scharfe Kritik von NEOS

Auch NEOS begrüßte die „Entmachtung“ Pilnaceks, wie es in einer Presseaussendung hieß. Unter ihm seien „bestimmte Strafverfahren torpediert oder ‚daschlogn‘“, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte „gezielt unter Druck gesetzt“ worden, und ihnen sei „mit ,Maßgaben‘ zu verstehen gegeben worden, welcher Verfahrensausgang erwartet wird und was passiert, wenn den Erwartungen nicht entsprochen wird“, nämlich mitunter „Karriereende“, lautete die erneut scharfe Kritik von NEOS.

Aus Zadics Partei hieß es vom grünen Parlamentsklub, ihre Entscheidung gewährleiste, dass „für die Staatsanwaltschaft die größtmögliche Distanz zur Politik gewahrt werden kann“. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dürften „nicht dem Verdacht einer politischen Vereinnahmung ausgesetzt“ sein.