Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“
Standbild BK/unbekannt
„Ibiza-Video“

Polizei zeigt Fotos der „Oligarchennichte“

In die Ermittlungen zum „Ibiza-Video“ kommt rund um den bevorstehenden Start des U-Ausschusses offenbar etwas Bewegung: Nicht im Hauptstrang der Ermittlungen – nämlich zu den Vorwürfen von politischen Deals und Postenbesetzungen –, sondern zu jenen um die Hintergründe, wie es zum Video kam, hat die zuständige Sonderkommission nun erstmals Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ veröffentlicht.

Diese Frau, sie war als angebliche Nichte eines angeblich reichen und investitionswilligen russischen Oligarchen vorstellig geworden, hatte bekanntlich Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza zu einem langen Gespräch getroffen und mit hohen Geldzahlungen gelockt. Das Treffen stellte sich als „Falle“ heraus – das Treffen wurde per versteckte Videokamera aufgenommen. Die Veröffentlichung von Auszügen mit brisanten Aussagen Straches und Gudenus’ sprengte die ÖVP-FPÖ-Koalition.

Die „Sonderkommission Tape“ veröffentlichte am Mittwoch erstmals
Fahndungsfotos der Frau und zog eine Zwischenbilanz zu den Ermittlungen. Es sei den Ermittlerinnen und Ermittlern mittlerweile gelungen, „sowohl das sogenannte ‚Ibiza-Video‘ (in der Länge von 12 Stunden, 32 Minuten, 38 Sekunden) als auch Equipment und Audiodaten (in der Länge von 8 Stunden, 14 Minuten, 3 Sekunden) sicherzustellen“. Von diesem Material wurden nun auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien mehrere Fotos veröffentlicht, um bei der Fahndung nach der unbekannten „Täterin mit dem Aliasnamen Alyona M.“ zu helfen.

Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“
Standbild BK/unbekannt
Eines der zwei aus mehreren Videostandbildern zusammengestellten Fahndungsbilder

Parteien fordern Video für Ausschuss

In einer ersten Reaktion forderte NEOS, dass die Behörden das gesamte Videomaterial dem U-Ausschuss noch vor dessen Start nächste Woche zur Verfügung stellen. Das sei für die „Beurteilung der Vorkommnisse unerlässlich“, so die Fraktionsvorsitzende im Ausschuss, Stephanie Krisper. Auch ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl forderte eine Kopie des Videos für den Ausschuss.

Ähnlich die FPÖ, die gleich eine Änderung des festgelegten Fahrplans forderte. Eigentlich sollen die Befragungen mit „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk und den beiden „Hauptdarstellern“ Strache und Gudenus starten. FPÖ-Fraktionssprecher Christian Hafenecker will stattdessen nun lieber das Video selbst sehen. „Wozu sollen wir stattdessen einen Journalisten befragen, der behauptet, das Video gesehen zu haben. Das macht absolut keinen Sinn“, so Hafenecker.

SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Kai Jan Krainer, gratulierte den Ermittlern. Es sei sicherlich „hochinteressant“, mehr über die Hintergründe des Zustandekommens dieses Videos in Erfahrung zu bringen. „Noch viel interessanter als das Zustandekommen des Videos finde ich allerdings seinen Inhalt“, so Krainer.

Hoffen auf weitere Erkenntnisse

Die Ermittler erhoffen sich von der Ausforschung der „Oligarchennichte“ nähere Erkenntnisse zu den Hintergründen bezüglich der Herstellung und der Verbreitung des Videos. Insgesamt würden derzeit mehr als 40 Ermittlungsverfahren im Auftrag der beiden Staatsanwaltschaften durch die Ermittler der „Soko Tape“ abgearbeitet, hieß es in der Aussendung. Wegen des Verdachts auf 31 unterschiedliche Delikte wurden bereits kriminalpolizeiliche Maßnahmen gesetzt.

Video Ende April sichergestellt

Das Video wurde laut dem Leiter der SoKo, Dieter Csefan, Ende April in Österreich bei einem Bekannten des mutmaßlichen Drahtziehers Julian H. sichergestellt. Die Aufnahmen hätten sich auf einer gut versteckten Mikrochipkarte befunden. Auf den Mann sei man im Zuge der Ermittlungen aufmerksam geworden. Jetzt sei man gerade dabei, das Video auszuwerten. „Was man bisher darüber sagen kann, ist, dass der gesamte Abend nahtlos aufgenommen wurde“, sagte Csefan – vom Eintreffen Straches und Gudenus’ weg. Auch seien Teile der Vorbereitungen auf dem Band zu sehen. „Wir haben eine Dokumentation des gesamten Abends auf der Finca.“

Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“
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Trotz der mangelnden Bildqualität ist die Frau gut erkennbar

Zudem habe man bei der Aktion verwendetes Equipment wie einen präparierten Lichtschalter oder Radiowecker sicherstellen können. „Beim Lichtschalter habe es sich um eine Attrappe gehandelt, in der eine Kamera verborgen war“, so der Ermittler. „Laut dem derzeitigen Ermittlungsstand kann eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen werden“, so Csefan. Diese Gruppe habe sich zu einer „kriminellen Vereinigung“ zusammengeschlossen und den Plan über einen längeren Zeitraum entwickelt. Ziel war es laut Csefan, das Video nach seiner Erstellung weiterzuverkaufen.

Darüber hinaus habe man Material sicherstellen können, das die Vorgänge vor und nach der Erstellung des Videos dokumentiert, sagte der Kriminalist, „etwa Fotos von Treffen im Vorfeld“. Jetzt fahnde man mit Fotos nach der Frau, die in dem Video als Lockvogel auftrat. Ein Abgleich auch in den internationalen Datenbanken ergab bisher keinen Treffer.

Kritik von Anwalt an Behörden

Der Berliner Anwalt von H. hatte zuletzt die österreichischen Behörden scharf kritisiert. In einem Interview mit dem „Standard“ meinte Johannes Eisenberg, dass ein „Strache-liebender“ Polizist Nebenstraftaten wie Erpressung und Drogendelikte konstruiert habe, um Ermittlungen in Deutschland zu ermöglichen.

Die „konstruierten Vorwürfe“ seien nach der Ausstrahlung des Videos in „absichtsvoller Form entwickelt“ worden und gingen auf die Ermittlungshandlungen eines Polizeibeamten zurück, der am Tag nach der Ausstrahlung des Videos Liebes- und Durchhalte-SMS an Strache geschickt habe, wurde Eisenberg in einer Vorabmeldung des „Standard“ zitiert.

„Wenn wir sagen, dass die von vornherein wussten, dass es weder eine Erpressung noch einen Betäubungsmittelvorwurf gab, der gerechtfertigt war; wenn die sich auf Lügner als Zeugen verließen, ohne Entlastendes zu suchen; wenn ein Ermittler mit affektiver Bindung zu Strache mitmischt und von Rachegedanken geleitet wird – dann muss man sich fragen, ob das noch ein Behördenhandeln unterhalb der Schwelle des offenen Missbrauchs und einer Straftat ist.“

SoKo-Leiter verteidigt „Strache-liebenden“ Polizisten

Auf diese Vorwürfe angesprochen, verteidigte SoKo-Leiter Csefan gegenübüer der APA den Polizisten. Er betonte, dass jener Beamte, der Teil der SoKo ist und Strache eine aufmunternde SMS geschrieben hatte, ein „hoch qualifizierter Ermittler“ sei. Außerdem habe er bereits bei seiner Rekrutierung gesagt, dass er Strache diese Nachricht geschrieben habe, erklärte der SoKo-Leiter: „Er hat dies von Anfang offen gelegt.“

„Kein individuelles Phänomen“

Der Anwalt des mutmaßlichen „Ibiza“-Drahtziehers, betonte, er habe den Eindruck, dass „Ibiza“ kein individuelles Phänomen des Ex-FPÖ-Chefs gewesen sei, „sondern ein weiter verbreitetes und ein akzeptiertes Verhalten“. Zudem hält Eisenberg in dem Interview fest, dass er „ausdrücklich nicht“ bestätigte, „dass mein Mandant an dem Video beteiligt ist“.

Zudem sei H. „ordentlich polizeilich“ gemeldet. Falls die österreichischen Behörden mit ihm sprechen wollten, sollten sie sich bei ihm melden und mitteilen, was sie wollen, so der Anwalt, „dann werde ich das ermöglichen. Soweit ich weiß, muss sich aber auch in Österreich niemand selbst belasten, und jeder Beschuldigte darf schweigen.“

Die Aufnahme stelle in Spanien keine Straftat dar, wenn man an dem Gespräch selbst beteiligt sei, so Eisenberg. Und der Vorwurf, dass sein Mandant versucht habe, Strache nach Erscheinen des Videos zu erpressen, sei „völlig an den Haaren herbeigezogen“, so der Verteidiger.