Das EU-Parlament in Brüssel
Reuters/Yves Herman
Österreichs EU-Abgeordnete

Größtenteils Zustimmung, FPÖ mit Kritik

Österreichs EU-Abgeordnete haben den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlag für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft infolge der Coronavirus-Krise am Mittwoch überwiegend positiv beurteilt. Unterschiedliche Meinungen gibt es jedoch hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Zuschüssen und Krediten sowie der Höhe des Aufbaufonds, für den die Kommission 750 Milliarden Euro vorschlägt.

Dass es bei dem Kommissionsentwurf um eine gute Grundlage für die bevorstehenden Verhandlungen unter den EU-Mitgliedsstaaten und mit dem EU-Parlament handelt, darin sind sich die Leiterin der ÖVP-EU-Delegation Angelika Winzig und der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas einig. Winzig hob hervor, dass die Gelder über die Programme des mehrjährigen EU-Budgets fließen sollen.

„Das Europäische Parlament als Kontrollorgan der EU hat somit das letzte Wort darüber, wie und in welchem Umfang Mittel ausgeschüttet werden“, begrüßte sie. Um „wirkliche Fairness und Solidarität zu gewährleisten“, müsse jedoch das „Verhältnis zwischen nicht rückzahlbaren Zuschüssen und Krediten noch optimiert werden“, so die EU-Abgeordnete. Sie forderte gemäß der Linie der Bundesregierung, dass das Wiederaufbauprogramm zu einem umfassenden Teil aus Notkrediten bestehen solle. Dafür brauche es auch einen „ganz konkreten Rückzahlplan“.

Für ihren Delegationskollegen Karas wurde von der EU-Kommission bereits eine „gesunde Mischung aus Zuschüssen und Krediten“ vorgeschlagen. „Mit dem Vorschlag sind viele Segel richtig gesetzt“, freute sich der Vizepräsident des EU-Parlaments unter Hervorhebung des Umfangs des Wiederaufbauprogramms und der für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU vorgesehenen neuen eigenen Finanzierungsquellen der EU. „Ich erwarte von den EU-Staats- und Regierungschefs, dass sie europäische Verantwortung und Solidarität zeigen und den eingeschlagenen Weg gemeinsam entschlossen unterstützen“, so Karas.

SPÖ: Wohl mehr Mittel benötigt

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder begrüßte, dass die EU erstmals gemeinsame Anleihen aufnimmt, fordert jedoch noch mehr. „Mit 750 Milliarden Euro ist der Wiederaufbaufonds für den Anfang gut ausgestattet, auch wenn es schlussendlich mehr Mittel brauchen wird“, so Schieder.

„Das Verhältnis von zwei Dritteln Zuschüssen und einem Drittel Kredite für die Länder, die besonders von der Krise betroffen sind, stimmt schon einmal“, lautet seine Meinung. Deutlich mehr eigene Einnahmequellen für die EU wie zum Beispiel eine Digital- oder Plastiksteuer seien „ebenfalls eine gute Nachricht“, da so „die EU im Streit zwischen Nettozahlern und -Empfängern unabhängiger werde“, so Schieder.

SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner forderte, dass die Hälfte der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds Frauen zugutekomme. Diese seien jene, „die die Hauptlast der Coronakrise tragen“. „Frauenberufe“ müssten „finanziell aufgewertet“ werden, so Regner.

FPÖ sieht „doppelten Tabubruch“

FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky nannte den Vorschlag hingegen einen „doppelten Tabubruch“, da einerseits „erstmals gemeinsame Schulden aufgenommen“ und andererseits „dauerhaft EU-Steuern eingeführt“ werden sollen. Seiner Ansicht nach wird die „Coronakrise instrumentalisiert, um schon lange vor Corona gehegte Wünsche der Brüssel-Zentralisten umzusetzen und so die EU-Verteilungsbürokratie zu stärken.“

Nicht rückzahlbare Zuschüsse an „Länder, die ihre Haushalte schon lange nicht mehr im Griff haben“, seien geradezu eine „Aufforderung zur Fortsetzung der brandgefährlichen Schuldenpolitik“, so Vilimsky. „Dass diese Rechnung nun von den Steuerzahlern in finanziell stabilen Ländern wie etwa Österreich beglichen werden soll“, hält der EU-Abgeordnete für „nicht akzeptabel“.

Grüne: „Wichtiger Schritt nach vorne“

Monika Vana, EU-Delegationsleiterin der Grünen, sieht die von der EU-Kommission geplanten Zuschüsse als einen „wichtigen Schritt nach vorne“ und fordert die Bindung der Aufbauhilfen an den „Green Deal“ und Rechtsstaatlichkeit. Auch die Finanzierung des Aufbauprogramms über EU-Eigenmittel bewertet Vana als positiv. „Nach jahrelanger Diskussion müssen die Digitalsteuer und die CO2-Abgabe endlich eingeführt werden, um die anstehenden Investitionen zu finanzieren.“

Das „Next Generation EU“ („Nächste Generation EU“, Anm.) genannte Wiederaufbauinstrument bleibt jedoch laut der EU-Abgeordneten mit 750 Milliarden Euro „deutlich“ hinter dem Vorschlag des Europaparlaments zurück, „zwei Billionen Euro in den Aufbau zu investieren“. „Um die Krise zu überwinden, braucht es massive Investitionen in den ‚Green Deal‘, einen ‚Care-Deal‘ und Schritte in Richtung Sozialunion“, so Vana.

„Die Märkte von Italien und Österreich sind so eng verflochten, dass jeder europäische Cent für Italien auch Österreich hilft“, erinnerte Michel Reimon, Europasprecher der Grünen. „Was wir sicher nicht brauchen, sind jetzt lange und lähmende Blockaden zwischen den Regierungschefinnen und Regierungschefs“, teilte Reimon am Mittwoch mit.

NEOS begrüßt Pläne

Die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon begrüßte, dass sich die EU-Kommission „nicht von den ,geizigen vier’ (Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden, Anm.) unter Druck setzen lassen“ habe. Den deutsch-französischen Vorschlag mit Zuschüssen in Höhe von 500 Milliarden Euro sei das Minimum gewesen, das EU-Parlament habe „deutlich höhere Mittel“ gefordert. „Der Kompromiss scheint zu sein, als weitere Aufstockung Kredite anzubieten“, kommentierte die EU-Abgeordnete.

„Dem werden wir uns nicht entgegenstellen, hätten uns aber durchaus einen noch mutigeren, europäischen Vorschlag gewünscht“, sagte Gamon und betonte erneut, dass die EU-Gelder „an die Achtung von EU-Werten geknüpft sein sollten“.