Ausschnitt des Ibiza-Videos
Spiegel/Süddeutsche Zeitung/APA
Komplettes Material

U-Ausschuss fordert „Ibiza-Video“

Eine Woche vor dem Beginn des „Ibiza“-U-Ausschusses haben die Ermittler und Ermittlerinnen am Mittwoch Bewegung in die Sache gebracht. Den Behörden liegt nun das komplette „Ibiza-Video“ vor. Die Fraktionen drängen nun darauf, dass das ganze Material schnellstmöglich dem U-Ausschuss zur Verfügung gestellt wird. Doch vorerst dürfte das Video unter Verschluss bleiben.

Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache freute sich jedenfalls über den „Ermittlungserfolg“. Die Sonderkommission „SoKo Tape“ könne nun auf ein „objektives Beweismittel zurückgreifen“, teilte er mit, und sei bei den Ermittlungen „nicht mehr ausschließlich auf die Hintermänner oder die Bücher von Journalisten angewiesen“. Der ehemalige FPÖ-Chef und Hauptakteur im Video hatte immer wieder kritisiert, dass die Sequenzen, die an die Öffentlichkeit gelangt waren, die Wahrheit verzerren würden. Bekannt sind der Öffentlichkeit die sieben Minuten, die Strache und seinen ehemaligen Parteikollegen Johann Gudenus in einer Finca auf Ibiza zeigen.

Entdeckt wurde das komplette Videomaterial bereits Ende April. „Es wurde in Österreich bei einem Bekannten des mutmaßlichen Drahtziehers Julian H. sichergestellt“, erklärte Ermittler Dieter Csefan. Die zwölf Stunden umfassenden Video- und acht Stunden umfassenden Audioaufnahmen haben sich ihm zufolge auf einer gut versteckten Mikrospeicherkarte verborgen. Derzeit sei man dabei, das Material auszuwerten.

Fremdfinanzierung wird ausgeschlossen

Laut Csefan wurde der gesamte Abend in der Villa auf Ibiza aufgenommen, vom Eintreffen von Strache und des ehemaligen FPÖ-Klubobmanns Gudenus weg bis zum Ende des Treffens. Darüber hinaus habe man auch Material sichergestellt, das die Vorgänge vor und nach der Erstellung des Videos dokumentiert. Durch die Fahndungsfotos vom „Lockvogel“ erhofft sich die „SoKo Tape“ nähere Erkenntnisse zu den Hintergründen bezüglich der Herstellung und der Verbreitung des „Ibiza-Videos“. Eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund wurde laut derzeitigem Ermittlungsstand jedoch ausgeschlossen.

Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“
Standbild BK/unbekannt
Eines der zwei aus mehreren Videostandbildern zusammengestellten Fahndungsbilder

ÖVP, FPÖ und NEOS drängten in einer ersten Reaktion darauf, das komplette Videomaterial auch dem „Ibiza“-U-Ausschuss, der kommende Woche mit den Auskunftspersonen Strache und Gudenus startet, vorzulegen. Dieses sei „von zentraler Bedeutung“ für die Arbeit im Untersuchungsausschuss, erklärte ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl.

Die FPÖ hinterfragte gar den Fahrplan des U-Ausschusses. FPÖ-Fraktionssprecher Christian Hafenecker will statt den ersten Befragungen nun lieber das Video selbst sehen, wie er sagte. Auch für NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper ist klar, dass die Aufzeichnungen „umgehend dem Untersuchungsausschuss übermittelt werden müssen“. Das Video dürfte aber noch unter Verschluss bleiben. Die „SoKo Tape“ wolle das Material sichten, wie der „Kurier“ am Mittwoch berichtete.

SPÖ gratuliert, Grüne hinterfragen

SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, Kai Jan Krainer, gratulierte den Ermittlern und Ermittlerinnen. Es sei sicherlich „hochinteressant“, mehr über die Hintergründe des Zustandekommens dieses Videos in Erfahrung zu bringen. „Noch viel interessanter als das Zustandekommen des Videos finde ich allerdings seinen Inhalt“, so Krainer.

„Hinterfragenswert“ fand Nina Tomaselli, Fraktionsführerin der Grünen im U-Ausschuss, den Zeitpunkt der Kommunikation zum „Ibiza-Video“. „Die SoKo ist seit Ende April im Besitz des Videos, die Öffentlichkeit wurde aber erst heute über diesen Fund informiert. Das darf man schon hinterfragen, warum das genau eine Woche vor Start des Untersuchungsausschusses passiert“, so Tomaselli. Die Nationalratsabgeordnete befürchtet, dass der Zeitpunkt der Kommunikation als Ablenkung dienen könnte.

Im U-Ausschuss ist das „Ibiza-Video“ zwar der Ausgangspunkt, im Wesentlichen werden aber mögliche politische Deals und Postenbesetzungen behandelt. Es geht etwa um den ehemaligen Finanzvorstand der Casinos Austria AG, Peter Sidlo. Er soll mit Hilfe des Glücksspielkonzerns Novomatic in das teilstaatliche Unternehmen gehievt worden sein. Der Novomatic wurden – so die Vorwürfe – Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt. Alle Beteiligten streiten die Vorwürfe ab. Zuletzt sagten drei Auskunftspersonen gesundheitlich ab: Milliardärin Heidi Goess-Horten, Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf.

Fahndungsfotos veröffentlicht

Der andere Strang sind die Ermittlungen rund um die Produktion und Verbreitung des „Ibiza-Videos“. Hier präsentierte die „SoKo Tape“ überraschend neue Erkenntnisse, just vor Beginn des U-Ausschusses. Es wurden auch erstmals Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ veröffentlicht. Diese Frau, sie war als angebliche Nichte eines angeblich reichen und investitionswilligen russischen Oligarchen vorstellig geworden, hatte bekanntlich Strache und Gudenus in einer Villa auf Ibiza zu einem langen Gespräch getroffen und mit hohen Geldzahlungen gelockt.

Das Treffen stellte sich als „Falle“ heraus – es wurde mit versteckter Videokamera aufgenommen. Die Veröffentlichung von Auszügen mit brisanten Aussagen Straches und Gudenus’ sprengte die ÖVP-FPÖ-Koalition. Die Ermittlerinnen und Ermittlern haben „sowohl das sogenannte ‚Ibiza-Video‘ (in der Länge von 12 Stunden, 32 Minuten, 38 Sekunden) als auch Equipment und Audiodaten (in der Länge von 8 Stunden, 14 Minuten, 3 Sekunden)“ sichergestellt. Von diesem Material wurden nun auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien mehrere Fotos veröffentlicht, um bei der Fahndung nach der unbekannten „Täterin mit dem Aliasnamen Alyona M.“ zu helfen.

Die Ermittler erhoffen sich von der Ausforschung der „Oligarchennichte“ nähere Erkenntnisse zu den Hintergründen bezüglich der Herstellung und der Verbreitung des Videos. Insgesamt würden derzeit mehr als 40 Ermittlungsverfahren im Auftrag der beiden Staatsanwaltschaften durch die Ermittler der „SoKo Tape“ abgearbeitet, hieß es in der Aussendung. Wegen des Verdachts auf 31 unterschiedliche Delikte wurden bereits kriminalpolizeiliche Maßnahmen gesetzt.

Fahndungsfotos der „Oligarchennichte“ aus dem „Ibiza-Video“
Standbild BK/unbekannt
Trotz der mangelnden Bildqualität ist die Frau gut erkennbar

Bei den Ermittlungen habe man auch verwendetes Equipment wie einen präparierten Lichtschalter oder Radiowecker sicherstellen können. „Beim Lichtschalter habe es sich um eine Attrappe gehandelt, in der eine Kamera verborgen war“, so der Ermittler. „Laut dem derzeitigen Ermittlungsstand kann eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen werden“, so Csefan. Diese Gruppe habe sich zu einer „kriminellen Vereinigung“ zusammengeschlossen und den Plan über einen längeren Zeitraum entwickelt. Ziel war es laut Csefan, das Video nach seiner Erstellung weiterzuverkaufen.

Darüber hinaus habe man Material sicherstellen können, das die Vorgänge vor und nach der Erstellung des Videos dokumentiert, sagte der Kriminalist, „etwa Fotos von Treffen im Vorfeld“. Jetzt fahnde man mit Fotos nach der Frau, die in dem Video als Lockvogel auftrat. Ein Abgleich auch in den internationalen Datenbanken ergab bisher keinen Treffer.

Kritik von Anwalt an Behörden

Der Berliner Anwalt von H. hatte zuletzt die österreichischen Behörden scharf kritisiert. In einem Interview mit dem „Standard“ sagte Johannes Eisenberg, dass ein „Strache-liebender“ Polizist Nebenstraftaten wie Erpressung und Drogendelikte konstruiert habe, um Ermittlungen in Deutschland zu ermöglichen. Die „konstruierten Vorwürfe“ seien nach der Ausstrahlung des Videos in „absichtsvoller Form entwickelt“ worden und gingen auf die Ermittlungshandlungen eines Polizeibeamten zurück, der am Tag nach der Ausstrahlung des Videos „Liebes- und Durchhalte-SMS“ an Strache geschickt habe.

Auf diese Vorwürfe angesprochen, verteidigte SoKo-Ermittler Csefan den Polizisten gegenüber der APA. Er betonte, dass jener Beamte, der Teil der SoKo ist und Strache ein aufmunterndes SMS geschrieben hatte, ein „hochqualifizierter Ermittler“ sei. Außerdem habe er bereits bei seiner Rekrutierung gesagt, dass er Strache diese Nachricht geschrieben habe, so der SoKo-Ermittler: „Er hat dies von Anfang offen gelegt.“