Mann mit Sonnenschirm an italienischem Strand
Reuters/Guglielmo Mangiapane
Italien und Slowenien

Regierung bremst bei Grenzöffnung

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bremsen weiterhin bei der Grenzöffnung zu Italien und Slowenien. „Italien ist noch ein Hotspot, obwohl die Lage in einigen Regionen schon besser wurde und man sich sehr engagiert“, sagte Anschober den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) am Donnerstag.

„Ich bin ein großer Freund der Reisefreiheit, aber bei Italien müssen wir noch vorsichtig sein“, sagte der Gesundheitsminister und verwies darauf, dass Italien aktuell 382 Coronavirus-Fälle pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner habe. Zum Vergleich: In Kroatien seien es 55 pro 100.000, in Slowenien 70. Daher bleibe die Rechtslage vorerst so, dass die Einreise aus Italien nur bei Vorlage eines Gesundheitsattests samt negativem Testergebnis möglich sei. Alternativ ist eine 14-tägige Heimquarantäne nach der Rückkehr möglich.

Die Gefahr einer diplomatischen Verstimmung mit Slowenien und Italien wegen der Haltung Österreichs fürchtet Anschober nicht: „Das glaube ich nicht. Die virologische Situation ist der wichtigste Parameter.“ Er verstehe, dass Slowenien mit den „guten Zahlen“ argumentiert, „aber Tatsache ist auch, dass man via Slowenien ganz schnell nach Italien kommt“. Auch die Schweiz rät weiterhin von Reisen nach Italien ab und lässt die Grenze zu dem Land vorerst geschlossen, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch sagte.

Köstinger: „Durchaus noch Sorge“

Aufgrund der Coronavirus-Infektionskurve in Italien sei man „durchaus noch in Sorge“, sagte auch Köstinger der „Tiroler Tageszeitung“ („TT“, Donnerstag-Ausgabe). Von der Grenzöffnung in Slowenien sei man „sehr überrascht“ gewesen, so die Tourismusministerin. Allgemein sagte Köstinger: „Wenn die Infektionszahlen in Nachbarstaaten weiter niedrig sind, haben wir mit Grenzöffnungen kein Problem.“

Elisabeth Köstinger
APA/Helmut Fohringer
Köstinger sagt, die Reisefreiheit treibe die Regierung derzeit „am meisten“ um

Am 15. Juni sollen die Grenzen zu Deutschland und der Schweiz geöffnet werden. Auch mit den östlichen Nachbarn Tschechien, Slowakei und Ungarn plant Österreich ein gemeinsames Ende der Reisebeschränkungen Mitte Juni. Kommende Woche gibt es laut „TT“ eine Sitzung von ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg mit den Vertreterinnen und Vertretern der Nachbarländer über weitere Öffnungen. Köstinger dazu: „Die Frage der Reisefreiheit treibt uns zurzeit am meisten um.“

Schallenberg hält Beginn bei Nachbarländern für sinnvoll

Schallenberg erklärte am Donnerstag, man beginne „beim physischen Nachbarn, das funktioniert gut“, sagte Schallenberg und unterstrich, dass die Grenzöffnungen „auf Fakten und Daten basiert“ sein müssen. „Ich habe Verständnis, dass Menschen glauben, dass sie das verdient haben“, erklärte er. Man müsse sich die Pandemieentwicklung „ganz genau“ ansehen. „Dann sind die Fragen wichtig: ‚Wie kommst du nach Hause? Und mit wem kommst Du dort in Kontakt?‘“, so der Außenminister und erinnerte: „Es braucht Geduld.“

Die Grenzöffnungen seien ein „laufender Prozess, der sich bis Juni, Juli, August ziehen wird“. „So früh wie möglich, so spät wie nötig“, laute das Motto. Man wolle wieder Reisefreiheit in Europa, dürfe aber nichts überstürzen, fügte Schallenberg hinzu.

Steiermark und Kärnten fordern Grenzöffnung

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) und sein Kärntner Amtskollege Peter Kaiser (SPÖ) fordern in einem Brief an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass mit Mitte Juni auch die Grenzen zu Slowenien geöffnet werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Auch die Kärntner Wirtschaftskammer und der Slowenische Wirtschaftsverband Kärnten sprachen sich am Donnerstag eindringlich für eine umgehende Grenzöffnung zu Slowenien aus. Es gehe dabei nicht nur um ökonomische Aspekte, die Region als Lebensraum leide. In diesem Sinne müsse auch eine „Normalisierung“ an der Grenze zu Italien angestrebt werden.

Italien und Slowenien über Österreich verstimmt

In Italien und Slowenien wächst unterdessen die Kritik an der österreichischen Haltung zu den Grenzöffnungen. Italiens Außenminister Luigi Di Maio forderte einen Neustart des gemeinsamen Tourismus in Europa am 15. Juni. Auch die Landeshauptleute der Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino, Günther Platter (ÖVP), Arno Kompatscher (SVP) und Maurizio Fugatti (Lega), sprachen sich am Mittwoch für eine rasche Grenzöffnung auf dem Brenner „spätestes am 15. Juni“ aus.

Auch Slowenien strebt unter Verweis auf die niedrige Infektionsrate eine Grenzöffnung im Juni an. Slowenien hatte die Grenzen Mitte Mai für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger überraschend geöffnet und das drei Tage später wieder zurückgenommen. Italien hingegen plant, am 3. Juni seine Einreiseeinschränkungen wieder gänzlich aufzuheben. „Es bestehen keine Gefahren, wenn wir uns an die Regeln halten“, sagte Di Maio im Interview mit der Tageszeitung „Corriere del Veneto“ (Donnerstag-Ausgabe).

Harsche Kritik in Italien

Italien wehre sich gegen bilaterale Abkommen zwischen EU-Staaten im Tourismusbereich, da das gegen die EU-Prinzipien verstoßen und einzelne Länder wie Italien benachteiligen würde. Di Maio bezeichnete die Gespräche, die er mit Schallenberg geführt habe, als „positiv“. „Ich habe öfters mit Schallenberg telefoniert. Er ist sich der Bedeutung des freien Personenverkehrs bewusst“, so der italienische Außenminister.

Anschobers Warnung vor raschen Grenzöffnung sorgte in der italienischen Politik für heftige Kritik. „Wenn Italien noch ein Hotspot ist, was soll man über Österreich sagen? In einigen Bundesländern ist die Zahl der Infizierten pro 10.000 Einwohner höher als in vielen italienischen Regionen“, sagte die Forza-Italia-Parlamentarierin Debora Bergamini.

„So kann das nicht funktionieren“

„Der italienische Außenminister Luigi Di Maio sollte hart gegen die verleumderische Propaganda Österreichs eingreifen“, forderte die Parlamentarierin der oppositionellen Partei um Ex-Premier Silvio Berlusconi auf Facebook. Sie veröffentlichte eine Grafik, in der die Zahl der Infizierten in den österreichischen Bundesländern mit jenen in den 20 italienischen Regionen verglichen wird. Die rechte Lega kritisierte, dass Österreich und Deutschland einen touristischen Korridor in Richtung Kroatien aufbauen würden. „Diese beiden Länder betreiben Terror gegenüber Urlaubern, die Italien für den Neustart seines Fremdenverkehrs dringend benötigt“, schrieb der Abgeordnete der rechten Lega, Alessandro Morelli.

Der Präsident der norditalienischen Region Venetien, Luca Zaia, äußerte die Hoffnung, dass die Grenzöffnung auf europäischer Ebene geregelt werde. „Unsere Touristiker sind wegen der Absage österreichischer Urlauber besorgt. Bundeskanzler Sebastian Kurz droht ihnen mit der Quarantäne bei ihrer Rückkehr aus dem Italien-Urlaub, so kann das nicht funktionieren“, sagte Zaia bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Kroatien öffnet Grenze für zehn EU-Länder

Kroatien öffnete seine Grenzen für zehn EU-Länder. Reisende aus Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Deutschland, Polen, Litauen, Lettland und Estland können aufgrund der zufriedenstellenden epidemiologischen Situation unter gleichen Voraussetzungen wie vor der Coronavirus-Krise einreisen, sagte Innenminister Davor Bozinovic bei der Kabinettssitzung.

Trotz Lockerungen behält Kroatien die epidemiologische Kontrolle aufrecht. Ausländische Bürger werden sich an Anweisungen des Instituts für öffentliche Gesundheit halten müssen und bei der Einreise bestimmte Daten hinterlassen, um den Behörden die Kontaktaufnahme zu ermöglichen, sollte das aus epidemiologischen Gründen notwendig sein.

Neben den persönlichen Daten zu allen reisenden Personen muss man auch die Dauer und Ort des Aufenthalts sowie Telefon und Mail-Kontakte angeben. Um Wartezeiten an den Grenzübergängen auszuweichen, kann man schon vor der Reise ein Onlineformular auf einer dafür eingerichteten Website des Innenministeriums ausfüllen.