Ausschnitt des Ibiza-Videos
Spiegel/Süddeutsche Zeitung/APA
„Ibiza-Video“

Alle für Veröffentlichung – nur Strache nicht

Im Vorfeld des in einer Woche startenden „Ibiza“-Untersuchungsausschusses gibt es Gezerre über die Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“. Zuletzt wurde ja bekannt, dass die Behörden das gesamte Video haben. Alle Parteien wollen, dass dem Ausschuss das komplette Videomaterial vorgelegt wird – die Freiheitlichen pochen gar auf eine Vorführung zum Auftakt. Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz Christian-Strache will das ganze Video lieber nicht öffentlich sehen.

„Das Video soll nicht veröffentlicht werden, weil wie kommen andere Leute dazu, über die ich hässliche, ungeprüfte, grausliche Gerüchte verbreitet habe“, sagte Strache in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Bis zuletzt hatte er stets beklagt, dass die Öffentlichkeit nur wenige Minuten des Videos zu sehen bekommen habe – das stelle alles verzerrt da, so der Tenor des nunmehrigen Obmanns des Teams Strache (TS). Den U-Ausschuss möchte er wegen der jüngsten Ermittlungsergebnisse „aussetzen“, bis alle Unterlagen vorliegen, sagte er am Donnerstag.

Das brachte die Vermutung auf, Strache könnte dem Ladungstermin fernbleiben. TS-Generalsekretär Christian Höbart sagte dazu auf ORF.at-Anfrage, dass man sich Gedanken machen müsse, ob der 4. Juni wegen der aktuellen Entwicklungen haltbar sei. Man fordere eine „zeitliche Reorganisation“ und hoffe, dass der U-Ausschuss sachlich ablaufe. Aber fix, so Höbart, sei, dass Strache jeder Ladung folgen und somit auch kommenden Donnerstag im U-Ausschuss erscheinen werde.

„No na das wichtigste Beweismittel“

Aus Sicht der FPÖ wäre hingegen eine Videovorführung gleich am ersten Befragungstag sinnvoll – da soll das Video nach dem Wunsch der FPÖ gleich in voller Länge abgespielt werden. „Es ist, no na, das wichtigste Beweismittel“, sagte Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Dem Plan zufolge sind für diesen Tag die beiden Protagonisten Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus und auch „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk geladen.

Die FPÖ meint, die drei Auskunftspersonen könnten ja am zweiten Ausschusstag befragt werden – der Ausschuss würde dann über alle Informationen aus dem Video verfügen. Schließlich hätten für den zweiten Tag Heidi Goess-Horten, Waffenproduzent Gaston Glock und Novomatic-Eigentümer Johann Graf bereits aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Überhaupt stelle sich die Frage, ob Klenk noch notwendig ist, meinte Hafenecker.

SPÖ, NEOS und ÖVP wollen Video vorab sehen

Die anderen Oppositionsparteien, also SPÖ und NEOS, sagten bereits, das Video in seiner gesamten Länge von rund zwölf Stunden noch vor Ausschussstart sehen zu wollen. Am Donnerstag stimmte auch ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl in den Tenor ein. „Ich verlange, dass es noch bis Ende dieser Woche an den U-Ausschuss geliefert wird, damit alle Fraktionen ausreichend Zeit haben, um im vollen Umfang Einsicht nehmen zu können“, sagte er. Über die Gründe dieser Verzögerung wolle man die verantwortlichen Staatsanwälte befragen.

Der überparteiliche Wunsch nach Weitergabe des gesamten „Ibiza-Videos“ durch die Behörden könnte aber vorerst ein solcher bleiben. Das Material wird noch von der „SoKo Tape“ gesichtet und aufbereitet, ehe ein Bericht an die Staatsanwaltschaft Wien ergeht. Wie lange das noch dauert, lasse sich aktuell nicht abschätzen, weil man das Video noch nicht habe. Vor dem Bericht der „SoKo Tape“ respektive des Bundeskriminalamts könne man auch nicht wissen, was im Akt stehen wird, sagte Behördensprecherin Nina Bussek.

Kein „Homevideo von einer Hochzeit“

Das Bundeskriminalamt verlautete, dass die Ermittler noch damit beschäftigt seien, das Video zu sichten, zu verschriftlichen und aufzubereiten. Das benötige bei so viel Material eine gewisse Zeit. Man habe es schließlich nicht mit einem „Homevideo von einer Hochzeit“ zu tun, sagte Pressesprecher Vincenz Kriegs-Au. „Es gibt auch Normen, die erfüllt werden müssen, wenn man so ein Video bearbeitet.“

Auch U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) erachtet es als sinnvoll, das ganze Video zu sehen. „Es wird an den Ministerien liegen, dass sie es dementsprechend übermitteln“, sagte der Nationalratspräsident dem Ö1-Morgenjournal.

Auch Justizministerium muss warten

Aus dem Justizministerium hieß es, dass die Herausgabe vorerst nicht in den Händen des Ressorts liege. Zunächst müsse die „SoKo Tape“ das Video der Staatsanwaltschaft übermitteln, diese entscheide danach, ob es dem U-Ausschuss vorgelegt werden kann, so eine Sprecherin. Über die Oberstaatsanwaltschaft kann das bearbeitete Material dann an das Justizministerium weitergegeben werden, dieses würde es dem U-Ausschuss übermitteln. Offen sei, wie lange das dauern könnte.

Fehlende Akten beklagt

Unterdessen beklagen die Freiheitlichen das Fehlen von Akten und drängen daher auf die Einleitung eines Konsultationsverfahrens. Diesbezüglich werde es am Freitag ein Gespräch mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) geben, sagte der FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Hafenecker.

Die Vollständigkeit der Aktenlieferungen sei freilich „immer Thema“, aber nach Durchsicht der Akten sei man zu dem Schluss gekommen, dass welche fehlen müssen. Jetzt werde es darum gehen, einen Modus zu finden, wie ein Überblick darüber gegeben werden kann, was noch fehlt, so Hafenecker. Darüber dürfe jedenfalls nicht irgendwo anders als im Ausschuss Regie geführt werden.

„ÖVP-Filter im Bundeskriminalamt“

Merkwürdig sei etwa, dass bisher keine einzige SMS von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Akt zu finden sei. Er, Hafenecker, sei aber mehrfach Zeuge gewesen, dass sich Kurz mit Strache über Kurznachrichten ausgetauscht habe.

„Bis jetzt ist das ein Missing Link – ich würde aber gerne wissen, wo diese Kurz-SMS sind“, meinte Hafenecker und stellte eine mögliche Vorselektion der Akten in den Raum („ÖVP-Filter im Bundeskriminalamt“). Unglaubwürdig sei auch, dass neben der bekannten Nachricht mit dem Daumen-hoch-Symbol keine weitere von Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger im Akt zu finden sei. Da bestehe Aufklärungsbedarf, über den man auch im Konsultationsverfahren werde sprechen müssen, so der freiheitliche Fraktionsführer.