Innenansicht des St. James’s Park des Fußballvereins Newcastle United
Reuters/Craig Brough
Katar vs. Saudi-Arabien

Englands Fußball droht Stellvertreterkrieg

Seit Jahrzehnten sehnt sich der nordenglische Premier-League-Club Newcastle United nach den großen Erfolgen der Vergangenheit. Jetzt steht der Verein vor dem Verkauf – das allein wäre nichts Ungewöhnliches im Milliardengeschäft Fußball. Doch als Käufer dient sich ein Konsortium mit überwiegender saudischer Beteiligung an. Das bringt die schillerndste Fußballliga der Welt unter enormen Druck.

Pikant ist der Hintergrund des geplanten Deals: Übernommen werden soll der Fußballclub (derzeit in Besitz des Sports-Direct-Gründers Mike Ashley) von der britischen Geschäftsfrau Amanda Staveley sowie den britischen Immobiliengeschäftsleuten David und Simon Reuben – sie würden jeweils zehn Prozent übernehmen. Die restlichen 80 Prozent würden an den Public Investment Fund (PIF) gehen – einen Staatsfonds Saudi-Arabiens.

300 Millionen Pfund (rund 340 Mio. Euro) sollen fließen – dafür wäre am Ende Saudi-Arabien Mehrheitseigner des Clubs. Und der Saudi-Fonds ist Chefsache – einflussreichster Akteur dort ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Auch wenn sich manch erfolgshungriger Newcastle-Fan an diesen Umständen nicht stört, gibt es von anderen Seiten breite Kritik: Im Zusammenhang mit Saudi-Arabien steht der Vorwurf schwerer Menschenrechtsverletzungen im Raum.

Britische Geschäftsfrau Amanda Staveley
APA/AFP/Paul Ellis
Die britische Geschäftsfrau Amanda Staveley hat bereits den Verkauf von Manchester City an Scheich Mansur bin Sajed al-Nahjan, Mitglied der Herrscherfamilie von Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten, eingefädelt

Premier League als „Witzfigur“

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty warnte, Mohammed bin Salman würde faktisch „wirtschaftlicher Eigentümer“ des Clubs. Die Premier League riskiere, mit dem Verkauf zur „Witzfigur“ zu werden – „ein bereitwilliger Tölpel derjenigen, die ihre katastrophale Menschenrechtsbilanz durch Sport reinwaschen wollen“, hieß es in einem Brief an Premier-League-Vorstand Richard Masters. Hintergrund: Die Premier League muss dem Deal grünes Licht geben – britischen Medienberichten zufolge soll Masters allein entscheiden.

Doch zeigt die Praxis der näheren Vergangenheit, dass Entscheidungsträger im internationalen Fußball Menschenrechtsfragen kaum als hinderlichen Faktor erachten. Beispiele dafür gibt es in Hülle und Fülle – etwa das vielschichtige Engagement Katars im europäischen Clubfußball, das vom belgischen Nachzügler KAS Eupen bis zum Fashion-Vehikel Paris Saint-Germain reicht. Auch Bayern München erhält Geld vom Emirat, das wie Saudi-Arabien aufgrund schwerer Menschenrechtsverstöße in Verruf geriert.

Screenshot zeigt die Zusammensetzung des Public Investment Fund (PIF)
Screenshot pif.gov.sa/en/Pages/Boradmembers.aspx
Dem saudischen Staatsfonds PIF sitzt Mohammed bin-Salman vor, wie auf der Website zu sehen ist. Ein Deal mit Newcastle würde ihm persönlich Einfluss auf den Club verschaffen.

Katarischer TV-Sender warnt vor Deal

Doch könnte der Newcastle-Deal mit Saudi-Arabien auch Geschäftsinteressen der englischen Profiliga und deren Partner gefährden – und spätestens an diesem Punkt zeigt sich, wie haarig die Angelegenheit ist. Wiederum spielt Katar eine Rolle: So besitzt der katarische TV-Sender BeIN Sports die Rechte für die Übertragungen der Premier League in der arabischen Welt. Entsprechend warnte BeIN Sports alle Clubs und die Liga gleich kollektiv vor dem Deal mit den Saudis.

Saudi-Arabien und Katar sind seit Jahren politisch verfeindet – im Sommer 2017 hatten Riad und einige Mitstreiter eine Blockade über Katar verhängt. Sie werfen dem benachbarten Emirat und unter anderem zu engen Kontakt zum saudischen Erzfeind Iran vor. Katar wies die Vorwürfe stets zurück. Auch die BeIN Sports Group mischt im diplomatischen Kampf mit – im Visier hat man den in Saudi-Arabien ansässigen Piratenkanal BeoutQ.

WTO-Urteil: BeoutQ saudischer Sender

BeIN Sports ortet schwerwiegende Rechtsverstöße durch BeoutQ: Newcastles Käufer sei genau derjenige, der die kommerziellen Rechte der Premier League in den vergangenen drei Jahre gestohlen habe und dies weiterhin tue, hieß es in dem Schreiben von BeIN Sports von Ende April. Auch die Streams internationaler Spiele würden illegal übernommen, so der Vorwurf.

Zuletzt hatte die Welthandelsorganisation (WTO) bestätigt, dass es sich bei BeoutQ um einen saudischen Sender handle und dieser gegen internationales Recht verstoße. Damit stellte die Organisation eine klare rechtliche Verbindung zwischen BeoutQ und dem saudischen Staat her. Diese Verbindung wird jedoch sowohl von Riad als folglich auch von den potenziellen neuen saudischen Mehrheitseigentümern von Newcastle in Abrede gestellt.

Aus Riad wurde stets die Version proklamiert, der Sender operiere von Kuba oder Kolumbien aus. Die Regierungen beider Länder dementierten das entschieden. Im Jänner wurde Saudi-Arabien in einem Bericht der EU-Kommission wegen des Versäumnisses genannt, gegen den Sender vorzugehen. Auch die US-Regierung beobachtet das Land als einen der „berüchtigten Märkte für Fälschungen und Piraterie“.

Neuer Anlauf für rechtliche Schritte

Wie der „Guardian“ zuletzt berichtete, soll der 130-seitige WTO-Report nicht vor Mitte Juni veröffentlicht werden – die Premier League habe den Bericht aber unlängst erhalten und wolle rechtlich gegen BeoutQ vorgehen, hieß es. Zuvor haben FIFA, UEFA, die spanische Liga und andere versucht, rechtliche Schritte gegen BeoutQ in Saudi-Arabien wegen illegalen Streamings einzuleiten, viele Anwaltskanzleien lehnten es laut „Guardian“ aber ab, den Urheberrechtsfall zu übernehmen.

Für eine schnelle Entscheidungsfindung der Premier League ist das freilich kein Vorteil. Überhaupt zieht sich alles sehr lange hin: Es ist nun schon zwei Monate her, dass sich das Konsortium mit der Premier League in Verbindung gesetzt hat, um die Genehmigung einzuholen – ein Prozess, der ursprünglich nicht länger als einen Monat dauern sollte. Als britische Medien vor zwei Wochen berichteten, dass es wahrscheinlich zu einer weiteren Verzögerung kommen werde, betonte das Konsortium, „sehr hoffnungsvoll“ zu sein, dass das Geschäft in Kürze genehmigt werde.

Khashoggis Verlobte: „Premier League zerstört ihren Ruf“

Vor allem ist nicht abzusehen, wie Katar und der vor den Kopf gestoßene katarische Sender BeIN Sports als Vertragspartner der Premier League reagieren würden, sollte der saudische Deal mit Newcastle genehmigt werden. Die Liste der Gegner des Deals wird unterdessen nicht kürzer: Unlängst erinnerte der Präsident der spanischen Liga, Javier Tebas, die Premier-League-Verantwortlichen, den Schaden zu bedenken, den die saudische Piraterie dem Produkt Fußball zugefügt habe – sie möchten das bei der Entscheidung doch bedenken.

Und zuletzt meldete sich auch Hatice Cengiz zu Wort, die Verlobte des 2018 im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi. Im „Guardian“ erschien am 18. Mai ein Leitartikel unter dem Titel „Das saudische Regime hat meinen Verlobten getötet. Es darf nicht erlaubt werden, Newcastle United zu kaufen“. Im Text schrieb sie, mit dem Erwerb des Clubs versuche Salman, sein Image wiederherzustellen: „Wenn die Premier League das zulässt, wird ihr Ruf für immer zerstört sein.“