Demonstranten vor einer brennenden Polizeistation in Minneapolis
APA/AFP/Getty Images/Stephen Maturen
Nach Ausschreitungen

Nationalgarde in Minneapolis mobilisiert

Nach gewaltsamen Protesten wegen des Todes eines Schwarzen bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis hat der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota, Tim Walz, die Nationalgarde mobilisiert. Er erklärte am Donnerstag (Ortszeit) einen Notstand für Minneapolis und umliegende Gebiete.

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd (46) war es in Minneapolis in der Nacht auf Donnerstag zu schweren Ausschreitungen gekommen. In der Anordnung des Gouverneurs hieß es, friedliche Demonstrationen seien weiterhin erlaubt. Ausschreitungen bedrohten aber auch die Sicherheit friedlicher Demonstranten.

Auslöser für die Wut und Empörung der Demonstranten war ein rund zehn Minuten langes Video von Floyds Tod, das sich wie ein Lauffeuer in Sozialen Netzwerken verbreitete: Ein weißer Polizist drückte sein Knie mehrere Minuten lang auf den Hals des 46-Jährigen.

Friedliche Demonstranten vor Polizisten in Minneapolis
AP/David Zalubowski
Tausende protestierten friedlich gegen die Polizeigewalt

„Ich kann nicht atmen“

Floyd flehte wiederholt um Hilfe, bevor er das Bewusstsein verlor. Mehrmals sagte der Afroamerikaner: „Ich kann nicht atmen.“ Er starb kurz danach in einem nahen Krankenhaus. Die insgesamt vier involvierten Polizisten wurden entlassen, aber bisher weder festgenommen noch angeklagt.

Die Bundespolizei FBI und die örtliche Staatsanwaltschaft erklärten am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme, den Ermittlungen und einer möglichen Anklage werde „höchste Priorität“ gegeben.

Zunächst friedliche Proteste eskalierten

Die Nationalgarde zählt zur Reserve der US-Armee. In der Anordnung von Walz hieß es, die Bürgermeister der benachbarten Städte Minneapolis und St. Paul hätten nach den Ausschreitungen um die Mobilisierung gebeten, um Sicherheit zu gewährleisten. Bei friedlichen Protesten hatten zuvor viele Gerechtigkeit für Floyd und eine Verurteilung der involvierten Polizisten gefordert.

Lokale Medien berichteten allerdings auch, einige Demonstranten hätten Feuer in Geschäften gelegt. Auf Fernsehbildern waren Plünderungen zu sehen. Die Polizei ging mit Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten vor.

Schwere Ausschreitungen in Minneapolis

Nach gewaltsamen Protesten wegen des Todes eines Schwarzen bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis hat der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota, Tim Walz, die Nationalgarde mobilisiert.

Appell, Ruhe zu bewahren

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstagabend (Ortszeit) rief die Bezirksstaatsanwältin von Minnesota, Erica MacDonald, Demonstranten auf, friedlich zu bleiben. „Ich bitte die Menschen, Ruhe zu bewahren und uns diese Untersuchung durchführen zu lassen“, sagte MacDonald. „Es bricht mir das Herz zu sehen, was auf unseren Straßen in Minneapolis und St. Paul und einigen unserer Vororte passiert.“ Der örtliche FBI-Vertreter Rainer Drolshagen äußerte Verständnis für die „extreme Frustration, Wut und Traurigkeit“ über den Vorfall und sicherte eine umfassende Aufklärung zu.

„Gewaltverherrlichender Tweet“ von Trump

Nach den nächtlichen Ausschreitungen nannte US-Präsident Donald Trump die Demonstranten auf Twitter „Verbrecher“ und warnte diese: „Wenn geplündert wird, wird geschossen.“ In Reaktion darauf versah Twitter zum zweiten Mal binnen weniger Tage einen Tweet von Trump mit einem Warnhinweis. Begründet wurde das damit, dass Trumps Aussagen „gewaltverherrlichend“ seien.

Zuvor hatte Trump eine beschleunigte Untersuchung des Vorfalls versprochen. Trump sagte am Donnerstag im Weißen Haus, er habe sich das Video angeschaut. „Das war eine sehr schlechte Sache, die ich gesehen habe.“ Auf Nachfrage sagte der Präsident, mit Floyds Familie habe er noch nicht gesprochen.

Passant drängte Polizisten vergeblich

Das zehn Minuten lange Video, das auf Facebook gepostet wurde, zeigt, wie ein weißer Polizist auf dem Hals des Mannes kniet. Anfangs spricht dieser noch und sagt wiederholt: „Ich kann nicht atmen.“ Er fordert die Beamten mehrfach auf, ihn loszulassen. Er sagt ihnen auch zu, dann freiwillig ins Polizeiauto einzusteigen. „Ich kann nicht atmen“, wiederholt er. Ein Passant fordert die Polizisten wiederholt auf, den Verdächtigen loszulassen.

Anwalt: „Missbräuchliche Gewaltanwendung“

Der Mann auf dem Boden wird zunehmend ruhiger, bevor er das Bewusstsein zu verlieren scheint. „Messt seinen Puls“, schreit ein Passant. Sanitäter laden den Mann etwa acht Minuten nach Beginn des Videos in einen Krankenwagen. In dem Video sind zwei Polizisten zu sehen; welche Rolle die beiden ebenfalls entlassenen Beamten spielten, ist unklar.

Der Anwalt Benjamin Crump schrieb auf Twitter, Floyds Familie habe ihn engagiert, um sie in diesem Fall von „missbräuchlicher, exzessiver und unmenschlicher Gewaltanwendung“ zu vertreten. Die Polizei müsse zur Rechenschaft gezogen werden.

Ein Demonstrant mit einer USA-Flagge vor einem brennenden Geschäft in Minneapolis
AP/Julio Cortez
Mehrere Gebäude, darunter eine Polizeiwache, wurden später in der Nacht von wütenden Demonstranten in Brand gesteckt

Polizei schießt auf Demonstranten in Louisville

Unterdessen kam es – wohl im Gefolge der Proteste in Minneapolis – auch im Bundesstaat Kentucky zu Protesten. Dabei eröffnete die Polizei das Feuer und verletzte mindestens sieben Menschen, eine davon lebensgefährlich. In Kentuckys größter Stadt Louisville gingen Donnerstagnacht (Ortszeit) 500 bis 600 Menschen auf die Straße, um gegen die Tötung der Afroamerikanerin Breonna Taylor zu protestieren.

Sie war im März von der Polizei in ihrem Haus erschossen worden. Mitglieder der Anti-Drogen-Polizei hatten die Tür eingetreten und Taylor achtmal getroffen. Drogen wurden keine gefunden. Anfang Mai hatte die Familie Zivilklage gegen die Polizei eingebracht. Der Fall war seitdem ebenso US-weit in den Schlagzeilen wie jener des Joggers Ahmaud Arbery in Georgia, der im Februar in seinem Wohnviertel offensichtlich von zwei Weißen angehalten und erschossen wurde. Das Geschehen wurde per Handy gefilmt und sorgte ebenfalls für große Empörung.

Erinnerungen an älteren Fall

In den USA kommt es immer wieder zu skandalösen Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze. Der Tod von Floyd erinnert an den ebenso auf Video festgehaltenen Fall des Afroamerikaners Eric Garner. Der damals 43-Jährige wurde 2014 von New Yorker Polizisten zu Boden geworfen; sie drückten ihm die Luft ab, später starb er im Krankenhaus. Garners letzte Worte – „Ich kann nicht atmen“ – wurden zu einem Slogan der Bewegung „Black Lives Matter“. Diese setzt sich in den USA für Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen und gegen Polizeigewalt ein.

Rassismusvorfall auch im New Yorker Central Park

In New York sorgte indes ein weiterer Fall für Rassismusvorwürfe. Ein afroamerikanischer Hobbyvogelbeobachter hatte eine weiße Frau gebeten, den Parkregeln entsprechend ihren Hund anzuleinen, wie ein Video zeigt, das die Schwester des Mannes auf Twitter veröffentlichte. Die Frau lehnte das jedoch ab, rief die Polizei und drohte damit zu berichten, dass ein afroamerikanischer Mann ihr Leben bedrohe. Das Video wurde schnell mehr als 25 Millionen Mal gesehen. Die Polizei bestätigte, dass es die „mündliche Auseinandersetzung“ gegeben habe. Es habe keinerlei Verwarnungen gegeben, niemand sei festgenommen worden.

Das Video zeige „Rassismus, ganz einfach“, kommentierte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. „Sie hat die Polizei angerufen, weil er ein schwarzer Mann war. Auch wenn sie diejenige war, die die Regeln verletzt hat. Sie hat entschieden, dass er ein Krimineller sei, und wir wissen, warum. Diese Art von Hass hat in unserer Stadt keinen Platz.“ Der Arbeitgeber der Frau, eine Investmentgesellschaft, teilte mit, dass sie freigestellt worden sei. Die Frau entschuldigte sich, wies aber alle Rassismusvorwürfe zurück. „Es war inakzeptabel, und ich entschuldige mich demütig und vollkommen.“