Abgeordnete bei einer Abstimmung während einer Nationalratssitzung
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Nationalrat

Koalitionsmehrheit beschloss Budget

Der Nationalrat hat Freitagfrüh im zweiten Anlauf das Budget beschlossen. Zustimmung kam nur von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne. Eigentlich hätte der Haushaltsentwurf schon Donnerstagabend verabschiedet werden sollen. Wegen eines gröberen Zahlenfehlers war die Schlussabstimmung aber vertagt worden.

Im Antrag der Koalition war vergessen worden, ergänzend zu den Zahlen „in Millionen Euro“ anzufügen. Damit wäre der Betrag für die Auszahlungen nur bei 102.000 Euro statt bei 102 Milliarden gelegen. Das wurde Freitagfrüh über einen Antrag zur „Behebung von Widersprüchen“ korrigiert.

Ohnehin wird der Budgetentwurf angesichts der Coronavirus-Krise nicht einmal annähernd halten, wie auch die Regierung zugesteht. Derzeit vorgesehen ist ein Defizit von 20,6 Mrd. Euro, das aber bei Weitem überschritten werden dürfte.

Neue Kritik der Opposition

Die Opposition ließ es sich Freitagfrüh auf NEOS-Antrag nicht nehmen, noch einmal eine kurze Debatte zum Budget durchführen zu lassen, wiewohl man es regulär schon drei Tage ausführlich besprochen hatte. SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer nahm das zum Anlass, die Koalition zu mahnen, Anträge nicht im letzten Moment über Nacht zu verfassen. Denn da könnten Fehler passieren – und wäre jener beim Budget der SPÖ nicht aufgefallen, wäre die Republik möglicherweise für mehrere Tage vor einer technischen Zahlungsunfähigkeit gestanden.

Die Koalition dankte Krainer dann sogar dafür, den Fehler gefunden zu haben. Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer beglückwünschte ihn – halbernst – zudem zur geglückten Inszenierung, den Lapsus unmittelbar vor der Schlussabstimmung aufzudecken.

Seitens der Freiheitlichen beklagte Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs in der Debatte noch einmal, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) schlicht ein „falsches Budget“ vorlege und dass das dargebotene Zahlenwerk eine „Frechheit“ sei, seien doch nicht einmal die Einnahmenannahmen nach der Coronavirus-Krise angepasst worden. Ähnlich NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger, die von einer Missachtung des Parlaments sprach.

Misstrauensantrag gegen Finanzminister abgelehnt

Abgelehnt wurde am Freitag der von der FPÖ eingebrachte Misstrauensantrag gegen Blümel. Zustimmung kam geschlossen von der Opposition, ebenso einig lehnte die Koalition den Antragab.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)
ORF
Der Misstrauensantrag gegen Finanzminister Blümel wurde am Freitag im Nationalrat abgelehnt

Fehlende Nullen

Unmittelbar vor dem Beschluss des ersten ÖVP-Grünen-Budgets war die Abstimmung am Donnerstagabend auf Freitag verschoben worden. Der Grund war ein gravierender Zahlenfehler. SPÖ-Finanzsprecher Krainer wies das Parlament darauf hin, dass im erst in der Nacht zuvor von Blümel übermittelten Abänderungsantrag der Hinweis „Beträge in Millionen Euro“ fehlte. Also hätte der Nationalrat nur die 102.000 Euro beschlossen, nicht die 102 Milliarden Euro.

Krainer schlug daraufhin vor, den Fehler noch zu korrigieren, das aber erst am Freitag. Der Vorschlag wurde von der Präsidiale angenommen, die Sitzung unterbrochen und auf Freitagfrüh vertagt, wie die den Vorsitz führende Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) im Plenum verkündete.

SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer
ORF
Krainer wies das Parlament auf den Fehler hin

Für Wöginger „Oppositionstheater“

ÖVP-Klubobmann August Wöginger nannte die Verschiebung des Budgetbeschlusses ein „Oppositionstheater“. Wäre der Wille da gewesen, hätte man den Zahlenfehler Donnerstagabend „im Nu“ beheben können. Dazu habe aber die Bereitschaft der Opposition gefehlt, ortete Wöginger doch schon seit drei Tagen ein „rot-blaues“ Schauspiel. Letztlich hätten nur drei Worte in 1.500 Seiten Bundesfinanzgesetz gefehlt, und es werde das Budget eben ein paar Stunden später beschlossen.

Stehpräsidiale in einer Cafeteria neben dem Sitzuingssaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg am Donnerstag
APA/Roland Schlager
Stehpräsidiale in der Cafeteria neben dem Sitzungssaal

Opposition über Änderungsantrag verärgert

Mit dem Donnerstagmittag von der ÖVP im Nationalrat eingebrachten Antrag schrieb Blümel nach der heftigen Debatte über veraltete Zahlen zumindest die Ausgaben für die Finanzierung der Auswirkungen der Coronavirus-Krise doch noch in den Haushaltsplan. Konkret wird die bestehende Überschreitungsermächtigung in Höhe von 28 Mrd. Euro auf vier Budgetrubriken aufgeteilt.

Durch die Aktualisierung des Budgets ergeben sich Ausgaben von 102,4 Mrd. statt der bisher budgetierten 82,4 Mrd. Euro. Die Einnahmenseite wird nicht aktualisiert, es bleibt bei den vor der Krise budgetierten 81,8 Mrd. Euro. Damit ergibt sich ein Defizit von 20,6 Mrd. Euro. Nach Brüssel hatte Blümel Ende April einen Rückgang der Einnahmen um 11,5 Mrd. Euro und damit ein Minus von 30,5 Mrd. Euro (acht Prozent des BIP) gemeldet.

Grafik zeigt Daten zu den Änderungen des Budgets 2020
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Opposition verlangte Rückverweisung an Ausschuss

Die Opposition zeigte sich darüber empört, die Sitzung wurde unterbrochen, eine Stehpräsidiale in der Parlamentscafeteria brachte aber keine Einigung und damit auch keine von NEOS beantragte Rückverweisung an den Budgetausschuss. Auch SPÖ und FPÖ hatten ein entsprechendes Verlangen geäußert. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried hatte sich zuvor darüber empört, dass der Antrag nicht wie versprochen 24 Stunden vor der für Donnerstagabend angesetzten Abstimmung eingetroffen sei.

Der Antrag sei voller handwerklicher Mängel – Krainer ortete darin auch 15 Mrd. Euro mehr, die sich der Finanzminister holen könne – und: „Die Abgeordneten haben 60 Stunden lang über den falschen Text verhandelt. Das ist doch inakzeptabel, Herr Präsident“, wandte sich Leichtfried an den Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP).

FPÖ-Misstrauensantrag gegen Blümel

FPÖ-Klubvize Erwin Angerer pflichtete der Kritik der SPÖ bei. Die Debatte sei sofort zu beenden, alle Redner seien zu streichen, und der Antrag gehöre zurück in die Ausschussberatung. Angesichts all dessen könne man kein Vertrauen in den Finanzminister haben, und kündigte einen Misstrauensantrag gegen Blümel an. Bei NEOS stieß sich Gerald Loacker vor allem daran, dass die Abänderung die Einnahmenseite in keiner Weise berücksichtige.