Regisseurin Mirjam Unger
Johanna Auer
Filmsets

Alltag hinter Masken

Bald dürfen gestoppte Dreharbeiten unter Einhaltung eines Sicherheitskonzepts wieder aufgenommen werden. Aber wie sieht der Alltag am Set aus, unter Auflagen und versteckt hinter Masken? Einzelne Drehs in Deutschland waren schon Mitte Mai möglich, allerdings nur auf Studiogelände. Regisseurin Mirjam Unger und Schauspielerin Verena Altenberger haben erste Erfahrungsberichte.

„Wir wollen der Branche sagen: Es geht!“ Unger ist voll des Kampfgeistes. Zuletzt hatte die Regisseurin einen Landkrimi fertiggestellt, dessen Diagonale-Premiere dem Coronavirus-„Lock-down“ zum Opfer gefallen war, und die Dreharbeiten zu ihrem nächsten Projekt, dem Fernsehweihnachtsfilm „Alle Nadeln an der Tanne“, geschrieben von Uli Bree und Rupert Henning, mussten am 14. März unterbrochen werden. Doch nun waren Unger und ihr Team auf dem Studiogelände der Bavaria Film Mitte Mai unter den ersten, die wieder beginnen durften.

Und es ist machbar: „Die Dreharbeiten sind super, wir gewöhnen uns an die Masken, auch wenn uns am Ende jedes Tages ein bisserl schwindlig ist“, so Unger gegenüber ORF.at. „Wir passen aufeinander auf und gehen mündig und verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation um.“ Bedingung für die Dreharbeiten ist die Einhaltung einer langen Liste von Hygieneauflagen. Ähnliche Richtlinien gelten ab Juni nun auch in Österreich, zudem stellt die Bundesregierung bis zu 25 Mio. Euro an nicht rückzahlbaren Ausfallzuschüssen zur Verfügung.

Schauspieler mit Maske
Mirjam Unger
Bei Ungers Filmdreh wurden Masken getragen

Fangenspielen statt Sex

Natürlich geht nicht einfach alles ganz normal weiter, sagte Unger – manche Szenen sind einfach nicht umsetzbar. „Wir hätten eine Sexszene gehabt, die ich zu einer Hasch-mich-Szene umgeschrieben habe, wo sie einander hinterherlaufen, was natürlich in einer Familienkomödie gut möglich ist. Und wir hatten eine große Friedhofszene, die ich komplett umschreiben musste, da sie nun auf einer Straße im Studiogelände spielt.“

Auch die Salzburger Schauspielerin Altenberger („Die beste aller Welten“) steht seit Mitte Mai schon wieder vor der Kamera. Sie war beim Drehstopp im März in Köln an zwei Filmsets zugleich beschäftigt, der Dreh für die Streamingserie „Wild Republic“ wurde wiederaufgenommen. Altenberger spielt darin eine Sozialarbeiterin, die mit einer Gruppe schwererziehbarer Jugendlicher im Rahmen einer Resozialisierungsmaßnahme in die Berge unterwegs ist, was gleich zu Beginn eskaliert.

Schauspielerin Verena Altenberger
Bernd Spauke_Lailaps Pictures GmbH X Filme Creative Pool GmbH
Altenberger steht – und sitzt – wieder vor der Kamera

In den Bergen ist es leicht, Abstand zu halten

Die Serie hat für Pandemieverhältnisse zwei entscheidende Vorteile: „Das eine ist, dass wir viele Bergszenen ohnehin im Studio drehen, wo wir in einem total geschützten und kontrollierbaren Raum sind. Und dann brauchen wir da keine Statistinnen, es ist also immer dieselbe kleine Gruppe Schauspielerinnen in demselben räumlichen Bereich.“ Innerhalb des Teams und alle Schauspielerinnen werden außerdem fortlaufend auf das Coronavirus getestet, sowohl mit Rachenabstrich- als auch Bluttests, außerdem wird täglich Fieber gemessen.

„Alle am Film Beteiligten sind in drei Gruppen aufgeteilt: Die erste sind Schauspielerinnen und alle, die in direkten Kontakt mit ihnen kommen, wie zum Beispiel Tonfrauen beim Anlegen der Mikros und andere, die direkt am Set sind. Die zweite sind Menschen, die rund um das Set arbeiten – und dann ist schließlich Team drei, das von außen zuarbeitet, etwa die Mitarbeiterinnen im Büro“, erläuterte Altenberger. Die Teams haben untereinander keinen Kontakt, benutzen nicht einmal dieselben Eingänge, machen nicht gemeinsam Mittagspause. Alle tragen permanent Masken, ständige Handdesinfektion ist Pflicht, ein Hygienebeauftragter schaut allen Beteiligten auf die Finger.

Es bleibt in der Familie

Ein Drehverbot im eigentlichen Sinne hat es in Österreich nicht gegeben. Marijana Stojsits, Chefin der Vienna Film Commission: „Eine Drehgenehmigung können Sie haben, aber wie Sie dann vor Ort selber den Dreh gestalten, liegt im Ermessen der Produktionsfirma. Dreharbeiten fallen ja nicht unter das Veranstaltungsgesetz, sondern sind die Ausübung einer privaten beruflichen Tätigkeit – das ist, als würde jemand am Bau arbeiten, da ist ja großteils auch während des ‚Lock-down‘ durchgearbeitet worden.“

Bereits vor einigen Wochen hat Aufnahmeleiter Christian Raberger einen Werbedreh koordiniert, unter freiem Himmel und nur mit einem Drehtag, was es natürlich vereinfacht hat, die Hygieneauflagen einzuhalten. Und manchmal gilt es eben, Umwege zu finden: „Wir hatten unsere Statisten speziell so gecastet, dass es Familien sind, die unter einem Dach wohnen, damit die auch vor der Kamera ohne Maske mit weniger als einem Meter Abstand stehen können“, so Raberger.

Sein nächstes Projekt ist die Vorbereitung der nächsten beiden Fernsehkrimifolgen „Blind ermittelt“, wo es zwar Innenaufnahmen geben wird, allerdings in sehr großen Räumen. Und Raberger hofft auf die Erfahrungsberichte seiner Kolleginnen und Kollegen: Schon ab 2. Juni dreht die EPO-Film den Fernsehkrimi „Todesfrist“ weiter, und ab 3. Juni geht es weiter mit dem neuen „Tatort“.

Chance Filmstudio

Wo es Filmstudios gibt, konnte bereits früher gestartet werden – und darüber ist Unger froh: „Da es Mitte Mai noch keine Drehgenehmigungen gab, haben wir den gesamten Dreh auf das Bavaria-Studiogelände verlegt; die wichtigsten Außenmotive hatten wir bereits abgedreht, und für Innenaufnahmen haben wir das Haus der Familie im Studio gebaut.“ Eine umfangreiche Studioinfrastruktur sei in diesem Fall Gold wert: Alle Bauten und die Ausstattung konnten allein aus dem Bavaria-Fundus bestritten werden.

„Die Blütezeit der österreichischen Filmgeschichte war geprägt von einer blühenden Studiolandschaft nach amerikanischem Vorbild, das waren richtige Filmstudiokomplexe“, so Unger. „Jetzt, wo so viele internationale Serien gedreht werden, greifen auch die amerikanischen Produktionen auf solche Strukturen zurück und kommen zum Drehen nach Tschechien oder Ungarn. Wir versuchen immer wieder darauf hinzuweisen, weil genau das nachhaltiges Filmarbeiten ausmacht. Das sind alles Strukturen, die wir brauchen. Und jetzt macht uns diese spezielle Situation auf das Fehlen dieser Strukturen besonders aufmerksam.“

Neuer Drehbeginn und Ausfallshaftung

In der ersten Juniwoche darf der Drehbetrieb in Österreich unter Einhaltung eines Sicherheitskonzepts wieder aufgenommen werden, zudem stellt die Bundesregierung bis zu 25 Mio. Euro an nicht rückzahlbaren Ausfallzuschüssen zur Verfügung. „Wir sind die Ersten auf der ganzen Welt mit so einer Ausfallshaftung und auch die Ersten, die wieder beginnen zu drehen“, sagte Filmproduzent John Lüftner, Präsident des Produzentenverbandes AAFP, im Rahmen einer Pressekonferenz.

Die Ausfallzuschüsse können pro Produktion bis zu 75 Prozent der Herstellungskosten betragen und sind rückwirkend von 16. März bis Ende 2021 anwendbar. Das Konzept wurde laut Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gemeinsam von Wirtschaftsministerium, Kulturstaatssekretariat, Wirtschaftskammer, ORF und heimischen Filmproduzenten ausgearbeitet.

Der ORF hat sich als wesentlicher Partner der heimischen Filmwirtschaft bereiterklärt, nachgewiesene Mehrkosten aufgrund durch das Coronavirus notwendig gewordener Sicherheitsmaßnahmen zu tragen. Laut ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bewegt sich diese Summe zwischen drei und fünf Mio. Euro.