Heuschrecken in Kenia
AP/FAO/Sven Torfinn
Äthiopien bis Kaukasus

Heuschreckenplage von enormem Ausmaß

In riesigen Schwärmen legen Wüstenheuschrecken große Strecken zurück. Übrig bleiben kahle, leer gefressene Felder, Wiesen und Bäume. Zahlreiche Länder zwischen Ostafrika und Asien sind inzwischen davon betroffen. Ein Ende der Plage ist nicht absehbar, denn die klimatischen Bedingungen sind für die Ausbreitung dieser Insekten derzeit ideal.

Begonnen hat die Heuschreckenplage – die UNO spricht von der schlimmsten seit einem Vierteljahrhundert – auf der Arabischen Halbinsel. Durch heftige Regenfälle aufgrund von Zyklonen vermehrten sich dort laut Welternährungsorganisation (FAO) die Heuschrecken innerhalb einiger Monate 8.000-fach.

Von dort gelangten sie auf der Suche nach Futter über das Rote Meer und den Golf von Aden bis zum Horn von Afrika. Von Ostafrika, insbesondere Äthiopien, Kenia und Somalia, wanderten die Schwärme auch wieder über die Arabische Halbinsel Richtung Indien und Pakistan.

Auch Russland sieht Ernte bedroht

Zuletzt meldete auch Russland, dass vor allem in einigen Kaukasus-Regionen durch Heuschreckenschwärme die Ernte bedroht sei. Die Insekten hätten bereits 2.500 Quadratkilometer befallen, hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium in Moskau.

Auch in Indien werden Ernteausfälle befürchtet. Nach dem im Juli erwarteten Monsun droht eine zweite Heuschreckenwelle. In Pakistan wurde wegen der Insekten bereits im Februar der Notstand ausgerufen. Inzwischen sind 61 Distrikte von der Plage betroffen.

Heuschrecken in Kipsing, Kenia
AP/FAO/Sven Torfinn
Kenia zählt neben Äthiopien und Somalia zu den am stärksten betroffenen Ländern in Ostafrika

Schon längst warnt die FAO vor Lebensmittelknappheit in den betroffenen Ländern. Schon ein kleiner Schwarm im Ausmaß von einem Quadratkilometer kann laut UNO an einem Tag so viel Nahrung vertilgen, die für 35.000 Menschen reichen würde. Im Schnitt besteht ein Schwarm aus 30 bis 40 Millionen Tieren. In Kenia wurde auch ein Schwarm mit Hunderten Millionen Heuschrecken in der Größe von 2.400 Quadratkilometern gesehen. Das entspricht fast dem Bundesland Vorarlberg.

Günstige Bedingungen für Ausbreitung

Experten zufolge kann sich eine Plage auch über mehrere Jahre halten, wenn die Bedingungen passen. Und die sind weiterhin ideal: nass und warm. Durch die feuchte Erde können sich die Insekten gut reproduzieren und verbreiten. Gerade in Ostafrika hat es lange und viel geregnet – aufgrund der ungewöhnlich hohen Wassertemperaturen des Indischen Ozeans.

Unter diesen Bedingungen schlüpfen aus einem Großteil der Eier Larven. Ausgewachsene Weibchen legen bis zu 100 Eier – auch mehrfach. „So kann eine Heuschreckenpopulation alle drei Monate um das 20-Fache zunehmen“, sagte die FAO gegenüber dem „Greenpeace-Magazin“. Und diese für die Ausbreitung von Heuschrecken günstigen Bedingungen könnten mit dem Klimawandel zunehmen. In den Brutgebieten der Wüstenheuschrecke in Ostafrika wird es laut den Prognosen des Weltklimarats IPCC nicht zuletzt aufgrund häufiger Zyklone feuchter.

Bekämpfung schwierig

Bei der Bekämpfung von Heuschreckenplagen wird vor allem auf Pestizide gesetzt. Entscheidend ist hier der Zeitpunkt. Solange die Wüstenheuschrecken als Larven noch am Boden sind, bewegen sie sich verhältnismäßig langsam vorwärts, zudem können sie sich noch nicht fortpflanzen. In diesem Stadium könnte eine Heuschreckenplage mit Pestiziden noch eingedämmt werden.

Mann besprüht Feld mit Pestiziden in Pakistan
APA/AFP/Banaras Khan
Bei der Bekämpfung der Heuschrecken setzen die meisten Länder auf den Einsatz von Pestiziden

Die – aufgrund der Coronavirus-Pandemie zusätzlich erschwerten – Bedingungen etwa aufgrund fehlenden Pestizidnachschubs verlangsamten diese Bemühungen. Fliegende Schwärme können bereits 100 bis 150 Kilometer an einem Tag zurücklegen. Der Wind trägt sein Übriges zur Verbreitung der Schwärme bei. Ein Ende der Ausbreitung ist derzeit nicht absehbar.

Finanzielle Hilfe der Weltbank

In Ostafrika und im Jemen meldete die Welternährungsorganisation kürzlich einen kleinen Etappensieg. In zehn Ländern hätten rund 720.000 Tonnen Getreide gerettet werden können. „Unsere Gewinne sind signifikant, aber der Kampf ist lang und noch nicht zu Ende“, betonte FAO-Chef Qu Dongyu.

Rund 500 Millionen Dollar (456,29 Mio. Euro) stellt die Weltbank von der Heuschreckenplage betroffenen Ländern in Ostafrika und dem Nahen Osten zur Verfügung – über direkte Geldtransfers und mit Investitionen in den Wiederaufbau der Landwirtschaft und von Viehbeständen. „Heuschreckenschwärme sind eine doppelte Krise für Länder, die auch die Covid-19-Pandemie bekämpfen“, stellte Weltbank-Präsident David Malpass fest.

Vom Einzelgänger zum Gruppentier

Zugleich versucht die Wissenschaft die Entstehung von Heuschreckenplagen nachzuvollziehen und daraus Methoden zu deren Bekämpfung zu entwickeln. Ein Forscherteam der Universität Konstanz untersucht derzeit die Hintergründe für die Schwarmbildung von Heuschrecken. Denn im Normalfall sind Heuschrecken Einzelgänger. Unter bestimmten Umständen – etwa für die Futtersuche – bilden sie aber eine Gruppe.

Bub geht durch Feld voller Heuschrecken in Kenia
AP/Ben Curtis
Unter bestimmten Bedingungen wandelt sich eine Heuschrecke vom Einzelgänger zum Gruppentier

Laut der Forschergruppe verändert sich dann auch innerhalb kürzester Zeit ihr Verhalten. Sie bewegen sich als Kollektiv, ihre Reproduktionszeit wird kürzer, ihre Lebensdauer auch. Wie die Schwarmbildung vor sich geht, wird derzeit erforscht. „Alles, was wir über Heuschreckenplagen wissen, stammt aus zwei oder drei Feldstudien, die vor etwa 70 Jahren in Kenia durchgeführt wurden“, erklärte Forschungsteamleiterin Einat Couzin-Fuchs. Ihre Forschungserkenntnisse werden für die aktuelle Plage zu spät kommen. Langfristig könnten aber Mechanismen gefunden werden, um die Insekten davon abzuhalten, vom Einzelgänger zum Gruppentier zu mutieren.