Flugzeug der Laudamotion am Flugfeld
ORF.at/Christian Öser
Verhandlungen geplatzt

Laudamotion will „Machtwort“ von Kurz

In Sachen Schließung der Laudamotion-Basis in Wien ist das letzte Wort offenbar doch noch nicht gesprochen. Nach 15-stündigen Verhandlungen waren Gewerkschaft und Wirtschaftskammer (WKÖ) ohne Ergebnis auseinandergegangen. Die Ryanair-Tochter sieht in den gescheiterten KV-Verhandlungen einen „Skandal“ der Gewerkschaft vida und ruft nach einem Machtwort von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – er könne die Basis in Wien noch retten.

Laudamotion habe angekündigt, vorzeitig die Kurzarbeitsförderung zu beenden und die Basis in Wien-Schwechat zu schließen, außer die Beschäftigten würden auf weite Teile ihres Einkommens verzichten, so die Gewerkschaft in einer Aussendung. „Für uns gibt es ganz klare rote Linien: Wir können weder ein Grundgehalt unter der Armutsschwelle akzeptieren noch können wir einen Vertrag unterschreiben, der rechtswidrige Bestimmungen enthält“, stellte vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit dazu fest und fügte hinzu: „Aber aus unserer Sicht besteht weiter Gesprächsbereitschaft, unsere Hand bleibt ausgestreckt!“

Die Gewerkschaft habe einen Kompromissvorschlag vorgelegt: ein Grundgehalt über der Armutsgrenze für Flugbegleiterinnen und -begleiter sowie eine Reduktion der Einkommensverluste bei den Kopiloten durch Umschichtungen innerhalb aller Gehälter ohne zusätzliche Kosten für Laudamotion. Diesen wollten die WKÖ und das Unternehmen jedoch nicht annehmen.

Mitarbeiter der Airline LaudaMotion (Ryanair) protestieren bei der Gewerkschaft VIDA gegen die Nichtunterzeichnung des neuen Kollektivvertrags in Wien
picturedesk.com/Alex Halada
Teile der Belegschaft protestierten für eine Unterzeichnung des Kollektivvertrags

Fluglinie spricht von „gut bezahlten Jobs“

Die Fluglinie zeigte sich empört und sprach von „gut bezahlten Jobs“, die Kurz noch retten könnte. „Lauda ruft Kanzler Kurz auf, in diesen vida-Skandal einzugreifen“, hieß es am Freitag in einer englischsprachigen Aussendung. Kurz solle „den unehrlichen vida-Vorsitzenden Daniel Liebhart“ auffordern, den Laudamotion-KV zu unterschreiben oder zurückzutreten, hieß es in der Pressemitteilung. Vida-Chefverhandler Liebhart habe „illegalerweise“ Mitarbeitern von AUA und Level erlaubt, an den Verhandlungen teilzunehmen.

An KV-Verhandlungen nehmen üblicherweise Funktionäre und Vertreter der betroffenen Branche teil. In der Luftfahrt gibt es – sehr zum Ärger der Gewerkschaft – aber keinen gemeinsamen Branchenkollektivvertrag. Laudamotion habe bei dem nächtlichen Verhandlungsmarathon eine „Serie an dramatischen Last-Minute-Zugeständnissen gemacht und restriktive Klauseln entfernt“, betonte die Billigfluglinie ihre Verhandlungsbereitschaft. Den Flugbegleitern habe man ein Mindesteinkommen von 19.200 Euro brutto pro Jahr garantiert.

„Unterschreiten der Armutsschwelle“

Hebenstreit bestätigte auch, dass es Nachbesserungen gegeben habe, diese seien aber nur im „kosmetischen Bereich“ gelegen: „Uns ist vollkommen klar, dass man in Krisenzeiten einen Beitrag leistet, aber dass man dabei gleich dauerhaft über das Unterschreiten der Armutsschwelle bei Vollzeitschichtarbeit redet, das steht einfach in keiner Relation“, sagte Hebenstreit im Ö1-Morgenjournal.

Darüber hinaus habe Laudamotion den Rücktritt des Betriebsrats zur Bedingung für eine Einigung gemacht, wurde Hebenstreit im „Standard“ zitiert. Er sei dennoch weiterhin verhandlungsbereit.

Kritik an Gewerkschaft

Laut dem Laudamotion-Piloten Thomas Gurgiser, der zuletzt einen Protest gegen die vida initiiert hatte, habe Laudamotion bei den Grundgehältern für die Flugbegleiter nachgebessert und dieses von 14.000 auf 19.200 Euro brutto im Jahr angehoben. Auch sei man der Gewerkschaften in weiteren Punkten entgegengekommen.

Trotzdem habe die Gewerkschaft den KV nicht unterschrieben, Gurgiser ortete dahinter eine Verschwörung: „Skandalöserweise befanden sich im vida-Verhandlungsteam sowohl ein Betriebsrat der AUA als auch ein Betriebsrat der Level. Deren einziges Ziel war es, einen positiven Vertragsabschluss zu verhindern und damit 500 Menschen die Existenzgrundlage zu rauben“, schrieb er in einer nächtlichen E-Mail an die APA.

Laut dem von Gurgiser mitunterzeichneten offenen Brief von Anfang der Woche an die Gewerkschaft hätten 95 Prozent des Cockpit- und 70 Prozent des Kabinenpersonals dem Vorschlag der Laudamotion-Geschäftsführung zugestimmt.

Personal sieht keine Jobperspektiven

In einem Schreiben wandte sich auch ein Teil des Laudamotion-Personals an den Bundeskanzler. Das fliegende Personal der Basis Wien sei „schockiert darüber, dass trotz massiver Nachbesserungen die Gewerkschaft vida in der vergangenen Nacht die Zustimmung zum neuen Kollektivvertrag verweigert hat. Wir Mitarbeiter und Mitglieder der Gewerkschaft wurden überhaupt nicht gefragt. Die Nichtzustimmung führt aber dazu, dass wir in die Arbeitslosigkeit getrieben werden. Und das in unseren Augen mutwillig.“ Hunderte Mitarbeiter würden arbeitslos, „dank unserer Gewerkschaft“.

Die Gewerkschaft habe in den nächtlichen Verhandlungen „neue, absurde Forderungen“ gestellt, so die Mitarbeitergruppe. „Wir wissen nicht mehr, wie wir noch auf unsere Schicksale und jene unserer Familien aufmerksam machen sollen“, schreiben sie. An die vida appellieren sie: „Bitte retten Sie unsere Jobs und zerstören Sie nicht sinnlos und mutwillig unsere Arbeitsplätze, Existenzen und auch jene unserer Familien und Kinder.“

Schließung im Laufe des Tages – Einigung noch möglich

Laudamotion hatte mehrmals angekündigt, die Basis in Wien per 29. Mai zu schließen. Daran soll sich auch nichts mehr ändern, die Schließung sei am Freitag „fällig“, wie es in der Aussendung hieß. „Die Basis wird heute im Laufe des Tages geschlossen“, noch sei eine Unterschrift aber möglich, sagte die Lauda-Sprecherin auf APA-Nachfrage.

Ein Teil der Flugzeuge wurde bereits nach Deutschland, Großbritannien und Spanien überstellt. Die 300 betroffenen Piloten und Flugbegleiter wurden bereits beim AMS von der Kurzarbeit abgemeldet und zur Kündigung angemeldet. Gleiches gilt für die 70 Angestellten der Laudamotion-Zentrale sowie 200 Crewlink-Leiharbeiter. Der Mutterkonzern Ryanair hingegen will mit drei Boeing 737 in Wien bleiben und Wien-Strecken auch von anderen Basen aus bedienen.

Deutsches Personal muss weiter auf Mai-Gehalt warten

Aber auch die mehr als 200 Piloten und Flugbegleiter der Laudamotion an den deutschen Standorten in Stuttgart und Düsseldorf müssen weiter um ihr Mai-Gehalt bangen. Die Ryanair-Tochter teilte den Mitarbeitern in einem Brief mit, man habe nicht die nötigen Mittel. Man hoffe, das Mai-Gehalt so schnell wie möglich im Juni auszahlen zu können. Das Schreiben vom Donnerstag liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Das Unternehmen habe in den vergangenen zwei Jahren etwa 200 Millionen Euro verloren und seit dem 17. März wegen der Coronavirus-Pandemie keine Passagiere mehr verzeichnen können. Das Unternehmen kritisierte die Bundesagentur für Arbeit Würzburg, die einen Antrag auf Kurzarbeit abgelehnt habe. Eine Lauda-Sprecherin sagte, man habe dagegen Rechtsmittel eingelegt.

NEOS fordert Aufklärung von Regierung

NEOS forderte am Donnerstag in einer Aussendung einen runden Tisch. Man stelle sich die Frage, ob die Gewerkschaft ernsthaft verhandelt habe, und verlangte Aufklärung durch die Regierung. Dass aufseiten der Gewerkschaft Betriebsräte der Konkurrenz involviert waren, findet NEOS-Wirtschaftssprecher Josef Schellhorn „höchst obskur“. Jetzt sei die zuständige Ministerin gefordert, so Schellhorn. „Ich appelliere an die Arbeitsministerin, rasch für Aufklärung zu sorgen und alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Auch die Gewerkschaft ist gefordert, sich im Sinne von Standort und Arbeitsplätzen noch einmal an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden.“