Eine Mitarbeiterin mit Mund- und Nasenschutz in einem Supermarkt
APA/Roland Schlager
AK-Studie

Systemrelevante Jobs oft mit Frauen besetzt

Eine Million Menschen in Österreich haben systemrelevante Berufe. Das ergibt eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer (AK). Berufe, in denen Frauen sowie Migranten und Migrantinnen überrepräsentiert sind, sind besonders schlecht bezahlt. Sicherheits- und Pflegekräfte klagen über eine hohe Arbeitsbelastung. 65 Prozent der systemrelevanten Arbeitskräfte sind Frauen.

Die AK fordert bessere Entlohnung, Arbeitszeitreduktion und einen leichteren Zugang zu Sozialleistungen. „Systemrelevant“ seien jene Tätigkeiten, auf die in der Coronavirus-Krise nicht verzichtet werden kann, so Studienautor Daniel Schönherr vom Meinungsforschungsinstitut SORA bei der Präsentation am Freitag. Dazu zählen etwa Reinigungskräfte, Lebensmittelverkäuferinnen, Lehrer und Lehrerinnen, Polizistinnen und Polizistinnen, Ärzte und Ärztinnen.

Das Gemeinsame dieser Arbeit sei, dass die Tätigkeiten nicht oder schwer von zu Hause ausgeführt werden könnten. Die Beschäftigten sind viel mit Menschen in Kontakt und haben dadurch ein größeres Ansteckungsrisiko. Besonders hoch ist der Frauenanteil unter den Kindergartenpädagogen (88 Prozent), Kassierern und Regalbetreuern (86 Prozent), Reinigungs- (83 Prozent) und Pflegekräften (82 Prozent). Diese sind gleichzeitig die am niedrigsten bezahlten Tätigkeiten.

Pflegemitarbeiterin mit Klientin
ORF.at/Christian Öser
Pflegekräfte leiden unter der hohen Belastung – verstärkt in Krisenzeiten

Arbeit mit großer Belastung

AK-Präsidentin Renate Anderl fordert daher einen Mindestlohn von 1.700 Euro brutto in den Kollektivverträgen sowie eine Anhebung des Mehrarbeitszuschlags von 25 auf 50 Prozent. Über 1.700 Euro ist das durchschnittliche Nettoeinkommen in den stark männlich dominierten Berufsfeldern wie Berufsfahrern und Sicherheitskräften. Arbeitnehmer in diesen Branchen sind der Studie zufolge besonders hohen psychischen und körperlichen Belastungen ausgesetzt. Die hohe Belastung trübt die Zukunftsaussichten der Betroffenen.

Über 60 Prozent der über-45-jährigen Beschäftigten in der Pflege, in der medizinischen Betreuung und der Reinigung glauben nicht, dass sie bis zum Pensionsantrittsalter durcharbeiten können. In der Altenpflege und der Behindertenbetreuung glauben über sieben von zehn Personen nicht, dass sie bis zur Pension durchhalten. Um die Belastungen zu reduzieren, fordert die AK kürzere und planbare Arbeitszeiten. Ziel seien eine 35-Stunden-Woche sowie die leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche.

Viele mit Migrationshintergrund

Der Anteil an Beschäftigten mit Migrationshintergrund in den systemrelevanten Berufen ist unter den Reinigungskräften (56 Prozent) und im Handel (22 Prozent) besonders hoch. 13 Prozent der Arbeitskräfte in der Altenpflege- und Behindertenbetreuung haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. In diesem Zusammenhang forderte AK-Präsidentin Anderl erneut die Rücknahme der von der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossenen Indexierung der Familienbeihilfe. Durch diese Maßnahme wurde zum Beispiel die Familienbeihilfe für 24-Stunden-Betreuerinnen, deren Kinder im osteuropäischen Ausland leben, an das dortige Lebenshaltungskostenniveau angepasst und damit gekürzt.

„Systemrelevante Berufe“ besser entlohnen

Die Pandemie ist für alle extrem herausfordernd. Aber es waren vor allem Mitarbeiterinnen in den Pflegeberufen, an der Supermarktkassa, in der Kinderbetreuung und in Schulen, die weitergearbeitet haben, während alles andere geschlossen war. Diese „systemrelevanten Berufe“ sind sehr oft schlecht bezahlt und nicht sehr angesehen. Die Arbeiterkammer fordert, dass sich das ändert.

„Die Krise hat soziale Ungleichheiten noch einmal stark hervorgehoben. Einig sind sich alle, dass sogenannte Systemerhalter unverzichtbar sind“, sagte Anderl am Freitag. Es reiche nicht aus, für die Betroffenen zu klatschen. Diese benötigten „eine dauerhafte Anerkennung, die ihnen wirklich zusteht“.

WIFO: Wirtschaft stärker geschrumpft

Österreichs Wirtschaft ist wegen der CoV-Krise im ersten Quartal noch etwas stärker geschrumpft als bisher angenommen. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrug im Jahresabstand real 2,9 Prozent, gab das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) am Freitag bekannt. Bei der ersten Schätzung vor einem Monat war man von minus 2,7 Prozent ausgegangen.

Grafik zum Wirtschaftseinbruch
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO

Stärker als zuletzt gedacht war vor allem die Abschwächung der Konsumausgaben der Privathaushalte, die 4,3 Prozent statt 3,6 Prozent ausmachte – womit sich auch der Einzelhandel noch mehr abschwächte. Der Außenhandel sackte von Jänner bis März ebenfalls stärker ab: Exporte und Importe gaben binnen Jahresfrist um 4,2 bzw. 4,9 Prozent nach, Ende April war man noch von 3,9 bzw. 4,4 Prozent Rückgang ausgegangen.

„In Friedenszeiten außergewöhnlich“

Der Wachstumseinbruch in der gegenwärtigen CoV-Krise sei „deutlich kräftiger“ als zum Ausbruch der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise im Spätherbst 2008, so das WIFO in einer Aussendung. „Ein BIP-Rückgang dieser Größenordnung ist zu Beginn einer Krise in Friedenszeiten außergewöhnlich.“

Durch die ab Mitte März in Österreich getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben vor allem die konsumnahen Handels- und Dienstleistungsbereiche „massive Einbußen“ verzeichnet, so das WIFO. Im Tourismus führten das vorzeitige Ende der Wintersaison und die Betriebsschließungen zu Erlösausfällen.

Im Einzelhandel kam es zwar in der Grundversorgung (etwa Lebensmittelhandel) zu einer erhöhten Geschäftstätigkeit, das konnte aber die Ausfälle anderer Bereiche (z. B. Bekleidung, Schuhe) nicht ausgleichen. Somit war der große Bereich mit Handel, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie angesichts seines Minus von 7,3 Prozent im Jahresabstand laut WIFO letztlich mit 1,5 Prozentpunkten Minus für mehr als die Hälfte des gesamten BIP-Rückgangs im ersten Quartal verantwortlich.