Szene aus dem Film „Out“
Disney/Pixar
„Out“

Disneys erste schwule Hauptfigur

In den letzten Jahren hat sich Disney zaghaft an das Thema Homosexualität herangetraut. Nun erschien auf der Streamingplattform Disney+ mit „Out“ der erste Kurzfilm des Konzerns, in dem ein schwuler Mann als Hauptfigur zu sehen ist. Ein wichtiger Schritt, sagen Aktivisten und Experten.

Er dauert nur knapp neun Minuten, markiert aber eine kleine Revolution: Der Kurzfilm „Out“ von Pixar Studios ist der erste Film des Disney-Konzerns, in dem eine homosexuelle Figur im Mittelpunkt steht. Die Geschichte rund um Greg, den bärtigen Protagonisten, ist versöhnlich. Er teilt sein Leben mit seinem Hund Jim – und mit seinem Freund Manuel, doch Greg bringt es nicht über sich, seiner Familie von ihm zu erzählen.

Greg und Manuel wollen gemeinsam in eine größere Stadt ziehen, wo sie ihre Beziehung offen leben können. Just am Umzugstag klopfen Mum und Dad an die Tür, und Greg hadert damit, ihnen von Manuel zu erzählen.

Slapstick mit emotionalem Tiefgang

Stummer Zuhörer von Gregs Sorgen ist Hund Jim. Durch einen magischen Rollentausch – wir befinden uns hier schließlich im Disney-Universum – tauschen Hund und Herr die Rollen. Wenn Greg fortan im Hundekörper versucht, einschlägige Fotos vor seiner Mutter zu verstecken, während sein Menschenkörper mit tierischen Verhaltensweisen allerlei Unfug anstellt, ist man schon im Slapstick angekommen.

Szene aus dem Film „Out“
Disney/Pixar
Greg erzählt seinem Hund Jim von den Schwierigkeiten des Coming-out

Natürlich hat dieser Erzählkniff noch einen anderen Effekt: Greg bekommt im Hundekörper wiederum die Sorgen seiner Mutter zu hören. Diese wünscht sich freilich nur, dass Greg glücklich ist, mit wem auch immer.

Konfliktfreies Märchen oder wichtiger Schritt?

Die Sorgen lösen sich in Luft auf, und am Ende herrscht Eintracht. Der virile Vater umarmt seinen Schwiegersohn Manuel beim gemeinsamen Barbecue. Ist das eine zu simple Geschichte, um die häufig belastende Situation eines Coming-outs für ein breites Publikum aufzubereiten?

Im Gegenteil, meinte Markus Steup von der Homosexuellen Initiative (HOSI) gegenüber ORF.at: „Out" macht schon alleine durch seine bloße Existenz Mut und kann einer ganzen Generation von LGBTIQ-Kindern und -Jugendlichen darüber hinaus Hoffnung und Stärke geben, an sich zu glauben.“ Es gehe um die Sichtbarkeit der Lebensrealität von Homosexuellen, „freilich muss man auch offen dazusagen, dass es in der Realität leider nicht immer so ‚schön‘ ausgeht wie in diesem Kurzfilm“, so Steup.

Karin J. Lebersorger, Klinische und Gesundheitspsychologin, Psychoanalytikerin und Teamleiterin Nord des Wiener Instituts für Erziehungshilfe, meinte, „Out“ berühre einen zentralen Punkt: „Das Verbergen homosexuellen Liebens hat oft mit Gefühlen von Scham und Schuld zu tun, und mit der Angst, die Liebe der Eltern zu verlieren. Diese Angst kann sehr reale Ursachen haben, aber auch eine unbegründete sein. Die inneren Eltern, also die, die in der Seele eines Menschen repräsentiert sind, sind oft viel unbarmherziger als die wirklichen Eltern.“

Gregs Vorgänger: LeFou und Officer Spector

„Out“ folgt innerhalb von Disneys Erzählweltwelt einer eigenen Logik, seit Jahren tastet sich diese an die Darstellung von LGBTIQ-Identitäten langsam heran.

In der Realverfilmung des Zeichentrickklassikers „Die Schöne und das Biest“ erschien 2017 mit der Nebenfigur LeFou die erste schwule Figur in einer Disney-Produktion. Einzelne Länder wollten den Film daraufhin verbieten, viele Fans befürworteten die Neuerung. Das Internetmedium Ze.tt kommentierte damals: „Eine homosexuelle Liebesbeziehung ins Zentrum einer Geschichte zu setzen, hat sich Disney in seiner 93-jährigen Geschichte noch nicht getraut.“

Szene aus dem Film „Die Schöne und das Biest“
Disney
Die erste homosexuelle Figur in einer Disney-Produktion war LeFou (l.) in der Realverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ (2017)

Auch in dem dieses Jahr erschienenen Animationsfilm „Onward“ gab es mit Officer Spector eine lesbische Nebenfigur. Wieder erwogen einzelne Länder Aufführungsverbote. Mit „Out“, einem Film in Pixars SparkShorts-Serie, die Filmemachern ermöglichen soll, ungewöhnliche Herangehensweisen ans Erzählen auszuprobieren, gibt es nun erstmals einen Film, der mit Greg einen schwulen Protagonisten hat.

Von der Akzeptanz zur Sichtbarkeit

Dass Disney in „Out“ homosexuelle Figuren und ihre Sorgen ohne viel Aufhebens zeigt, sieht Steup als Erfolg der Arbeit für die Rechte von Homosexuellen durch Aktivistinnen und Aktivisten, „die für Sichtbarkeit und Akzeptanz in allen Bereichen gekämpft haben. Der LGBTIQ-Community wurde nie etwas geschenkt, alles musste geduldig und hart erarbeitet werden, trotz aller Widerständen aus Politik und Zivilgesellschaft.“

Inzwischen gehe es nicht mehr rein um Rechte, so Steup, vielen Stimmen in der Community gelte Akzeptanz inzwischen als Selbstverständlichkeit: „Diesen Stimmen geht es um die Sichtbarkeit und darum, dass unsere Lebensrealitäten sich auch überall wiederfinden und abgebildet sind. ‚Out‘ ist ein erster, wunderbarer Schritt in diese Richtung.“

„Kindgemäß über Vielfältigkeit sprechen“

Auch für Lebersorger sind Darstellungen diverser Lebensentwürfe in Kinderfilmen wie Disneys „Out“ begrüßenswert, weil „sie die Vielfältigkeit von Beziehungen darstellen. Für Kinder, zu deren Alltag diverse Erfahrungen nicht gehören, würde ich mir wünschen, dass es Reflexionsräume gibt, in denen kindgemäß über die Vielfältigkeit von Beziehungen gesprochen wird.“

Längst wird von Psychologen gefordert, Themen wie Gleichbehandlung und Diskriminierung im Sinne einer Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen und Ängsten in die Erziehung und den Unterricht einzubringen. Zu tun bleibt jedenfalls einiges angesichts rigider bis zumindest symbolischer Diskriminierung in den Gesetzbüchern der allermeisten Länder der Welt.