Donald Trump hält Bibel hoch
APA/AFP/Brendan Smialowski
Proteste in USA

Trump empört mit Bibelbild

US-Präsident Donald Trump hat neben seiner politischen Aussage, wegen der Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd alle verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte zu mobilisieren, auch noch wegen eines Pressefotos für Irritation, Empörung und geharnischte Kritik gesorgt.

Nach seiner Ansprache im Garten des Weißen Hauses posierte Trump mit einer Bibel vor der nahe gelegenen Kirche St. Johns für Pressefotos. Damit er sicher dorthin gehen konnte, drängten Polizisten am Montagabend (Ortszeit) friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten zurück und setzten auch Tränengas ein. Die Aktion wurde angesichts der aufgeladenen Stimmung im ganzen Land heftig kritisiert.

Während Trumps kurzen Statements zeigten Livebilder im US-Fernsehen, wie auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Lafayette-Park Polizisten Tränengas in Richtung der Demonstranten abfeuerten und die berittene Polizei die Menschenansammlung zurückdrängte. Die Polizeiaktion ermöglichte Trump und seinem Gefolge – unter anderen Justizminister William Barr und seine Sprecherin Kayleigh McEnany – einen sicheren Fußmarsch zur Kirche. Dort posierte Trump mit einer Bibel in der Hand für Fotos. Er ging allerdings nicht hinein, er sprach auch kein Gebet.

Polizisten setzen Tränengas gegen Demonstranten vor der St.-John’s-Kirche ein
APA/AFP/Jose Luis Magana
Für Trump räumte die Polizei mit Tränengas den Weg zur Kirche frei

Cuomo: Es war wirklich beschämend

„Ich bin empört“, sagte Bischöfin Mariann Edgar Budde von der Diözese Washington dem Sender CNN. Trumps Botschaft stehe im Gegensatz zu kirchlichen Lehren, sagte sie – mehr dazu in religion.ORF.at. Auch der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, kritisierte die Anwendung von Gewalt, um Trump den Weg für eine Fotomöglichkeit frei zu machen. „Es war wirklich, wirklich beschämend.“ Politische Kommentatoren bezeichneten die Szene als Wahlkampfauftritt und Showeinlage.

Donald Trump vor der  St.-John’s-Kirche
AP/Patrick Semansky
Trump mit Bibel bei den Fotoshootings vor der St.-Johns-Kirche

Trump droht mit US-Militär

Nach dem Tod Floyds in einem brutalen Polizeieinsatz kommt es seit Tagen in vielen Städten der USA zu Protesten. Politiker, Politikerinnen, Musiker, Musikerinnen, Sportler, Sportlerinnen und Hollywood-Stars fordern ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt, doch Trump gießt weiter Öl ins Feuer. Er kündigte am Montag (Ortszeit) die Mobilisierung aller verfügbaren zivilen und militärischen Kräfte an.

US-Präsident Trump mit Bibel vor einer Kirche

US-Präsident Donald Trump hat in den USA wieder für Empörung gesorgt. Er ließ sich offenbar zur Ablenkung von den Protesten gegen rassistische Polizeigewalt mit Bibel vor einer Kirche ablichten – ohne die Kirche zu besuchen oder zu beten.

„Wir beenden die Ausschreitungen und die Gesetzlosigkeit, die sich in unserem Land ausgebreitet haben“, sagte Trump am Montag bei einer Ansprache im Rosengarten des Weißen Hauses. Sollten die Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und Gouverneure an den betroffenen Orten nicht für Sicherheit sorgen, werde er das US-Militär einsetzen, drohte Trump. Er berief sich dabei auf ein altes Gesetz aus dem Jahr 1807, den „Insurrection Act“. Dieser wurde in der Geschichte der USA schon mehrfach von Präsidenten angewendet.

„Tausende schwer bewaffnete Soldaten“

Zuvor hatte Trump in einer Telefonschaltung die Gouverneure und Vertreter von Sicherheitskräften laut CBS, dem eine Aufnahme des Gesprächs vorlag, gewarnt: „Wenn Sie nicht dominieren, verschwenden Sie Ihre Zeit.“ Trump sagte, die Gouverneure würden „wie ein Haufen Idioten“ aussehen, sollten sie sich von den Aufrührern überrennen lassen. Nun forderte der Präsident die Gouverneure auf, ausreichend Kräfte der Nationalgarde einzusetzen, um die Straßen in ihren Städten wieder unter Kontrolle zu bringen.

Nationalgarde während der Proteste in Salt Lake City.
Reuters/Jonathan Ernst
Demonstranten vor dem Weißen Haus

„Wenn sich eine Stadt oder ein Staat weigert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben oder Eigentum der Bewohner zu verteidigen, werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.“ Trump kündigte außerdem Vorkehrungen an, um die Hauptstadt Washington zu schützen, wo es in den vergangenen Tagen ebenfalls Proteste gegeben hatte, die teils mit Randalen einhergingen. Das sei eine Schande, sagte Trump und kündigte an, „Tausende und Abertausende schwer bewaffnete Soldaten“ und Strafverfolgungskräfte einzusetzen.

Ausgangssperre in 40 Städten

Unterdessen gingen die Proteste weiter: Bei Protesten in der US-Metropole Philadelphia setzte die Polizei am Montag Tränengas gegen Demonstranten ein. Der Sender CNN berichtete, Demonstranten seien auf einer Autobahn marschiert, als die Polizei eingeschritten sei. Die Behörden in Washington verhängten erneut eine Ausgangssperre für die kommenden Nächte.

Schäden nach Ausschreitungen in New York
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Eine Schaufensterpuppe in einem ausgebrannten Auto

Auch in New York wurde eine nächtliche Ausgangssperre angeordnet. Die Polizeipräsenz werde erhöht. In den USA haben bereits rund 40 Städte Ausgangssperren verhängt. Am Montag verlängerten zudem der kalifornische Nobelort Beverly Hills und die Küstenstadt Santa Monica eine Ausgangssperre.

Politologe Heinisch über die Proteste in den USA

USA-Kenner und Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch mit einer Analyse der Unruhen in den USA.

Obama: Proteste für Veränderungen nutzen

Ex-US-Präsident Barack Obama rief dazu auf, berechtigte Wut über Missstände im Land auf friedliche Weise für echte Veränderungen zu nutzen. Der designierte Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, sagte am Montag bei einem Treffen mit afroamerikanischen Politikern und Geistlichen, Trump schüre Hass. „Der Hass versteckt sich nur, er geht nicht weg.“ Große US-Plattenfirmen kündigten an, aus Protest am Dienstag eine Pause einzulegen. In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Musiker, Sportler und Hollywood-Stars ihre Wut über Floyds Tod bekundet und ein Ende von Rassismus und Polizeigewalt gefordert.

Grafik zeigt Orte und Bundesstaaten mit Ausgangssperren bzw. Einsatz der Nationalgarde in den USA nach gewalttätigen Protesten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Nur ein Bild und eine Frage postete der NBA-Star LeBron James. Das Foto zeigt, wie der Football-Spieler Colin Kaepernick im Jahr 2016 während der Nationalhymne auf die Knie ging. Damit hatte der Quarterback eine Protestwelle gegen die Diskriminierung von Schwarzen in den USA gestartet. James schrieb dazu: „Versteht ihr jetzt?“ Aber nicht nur im Internet, auch auf der Straße machten die Berühmtheiten ihrem Ärger Luft.

Terrence Floyd, der Bruder des Verstorbenen, an einer improvisierten Gedenkstätte
Reuters/Lucas Jackson
Der Bruder des Getöteten, Terrence Floyd, bei einer Mahnwache am Tatort

Auch ein Bruder des Getöteten, Terrence Floyd, forderte ein Ende der Gewalt bei den Protesten. Die Demonstrationen müssten friedlich sein, sagte er bei einer Mahnwache für seinen Bruder in Minneapolis. George Floyd hätte keine Gewalt gewollt. Terrence Floyd rief dazu auf, wählen zu gehen. Auch ein Sohn des Getöteten rief dazu auf, bei den Protesten Gewalt zu vermeiden.

Autopsiebericht belastet Polizisten

Nachdem die Familie Floyd Zweifel an den Ergebnissen der Behörden zur Todesursache angemeldet hatte, legte sie inzwischen eine eigene Untersuchung vor. Diese widerspricht der ersten Obduktion und kommt zu dem Ergebnis, dass Floyd an Ersticken durch Gewalteinwirkung gestorben sei, teilte Anwalt Ben Crump am Montag mit. „Die Autopsie hat gezeigt, dass es keine Vorerkrankung gab, die zu seinem Tod geführt oder dazu beigetragen hat“, sagte der mit der Autopsie betraute Mediziner Michael Baden.

Jener Polizist, der dem Opfer sein Knie in den Nacken drückte, wird wegen Mordes angeklagt und ist in Untersuchungshaft. In der Mitteilung der Anwälte hieß es, auch zwei weitere an dem Einsatz beteiligte Polizisten hätten zu Floyds Tod beigetragen, indem sie Druck auf dessen Rücken ausgeübt hätten. Der vierte Beteiligte sei ebenfalls haftbar, weil er nicht eingeschritten sei.

EU: Tötung von Floyd „Machtmissbrauch“

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete die Tötung Floyds als „Machtmissbrauch“. In Europa sei man darüber genauso „schockiert und entsetzt“ wie in den USA, sagte der Spanier. Es müsse sichergestellt sein, dass Menschen, die für die Ordnung zuständig sind, ihre Kompetenzen nicht auf eine Weise gebrauchten wie bei dem „sehr, sehr traurigen Tod von George Floyd“.

Der EU-Chefdiplomat betonte, das Recht auf friedlichen Protest zu unterstützen. Zugleich verurteilte er Gewalt und Rassismus jeder Art. „Alle Leben zählen. Auch schwarze Leben zählen.“ Borrell rief zur Deeskalation in den USA auf.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau versprach für sein Land mehr Engagement im Kampf gegen Rassismus. „Wir müssen besser werden in Kanada“, sagte Trudeau. Rassismus sei nicht nur ein Problem der USA, auch in Kanada würden Menschen mit schwarzer oder brauner Hautfarbe und Ureinwohner immer noch zu oft systematisch ungerecht behandelt.