Kellnerin mit Maske
APA/Georg Hochmuth
Trotz breiter Kritik

Regierung sieht Kurzarbeit „voll auf Schiene“

Die Auszahlung des Coronavirus-Kurzarbeitsgeldes nimmt Fahrt auf. Voraussichtlich soll die Marke von einer Milliarde Euro demnächst überschritten werden, sagte Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Dienstag. Die Abrechnung sei „voll auf Schiene“. Doch in der Wirtschaft regt sich Unmut.

Insbesondere Aussagen von Berndt Querfeld, Chef des Wiener Traditionscafes Landtmann, sorgten am Pfingstwochenende für Aufregung. „Wir haben keinen Euro bekommen. Die Pakete sind tolle Luftballons, vielleicht gut gemeint, aber zerplatzt“, sagte er dem „Standard“. Das Tourismusministerium zeigte sich „verwundert“, denn der Gastronom habe „Mittel in entsprechender Höhe bewilligt bekommen“, berichtete „Heute“. Im „Standard“ konkretisierte Querfeld: „Ich habe bisher keinen Euro an Förderungen erhalten, die nicht zurückgezahlt werden müssen.“

Der Gastronom sprach die Kurzarbeit an, in die er seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im März geschickt hatte. Da das Arbeitsmarktservice (AMS) die Beihilfe erst Monate nach dem Antrag auszahlt, musste er mittels Kredit vorstrecken. Für Unternehmer sei die Kurzarbeit das „finanziell Schlechteste“, so Querfeld. „In Wahrheit zahlen wir bei diesem Sozialprogramm, um Menschen in den Betrieben zu halten, drauf. Wir müssen etwa die Urlaube von 350 Mitarbeitern voll bezahlen. Darüber hinaus bleiben wir auf circa 18 bis 19 Prozent der Personalkosten bei 90-prozentiger Kurzarbeit sitzen“, wurde er in „Heute“ zitiert.

100.000 Abrechnungen bearbeitet

Mit der Kritik steht Querfeld nicht allein da. Viele Unternehmer und Unternehmerinnen, die wegen des wieder aufgehobenen Betretungsverbots wegen des Coronavirus geschlossen hatten, beklagen, dass das Kurzarbeitsmodell nicht unternehmerfreundlich sei. Auch wenn ein Großteil des Lohns beglichen wird, müsse man noch immer für den Rest aufkommen – obwohl man keine Einnahmen hat. Außerdem wird die Staatshilfe im Nachhinein ausbezahlt. Das verstärke die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen die Unternehmen ohnehin schon kämpften, so die Kritik. Es führe neben der bisher mangelnden Auslastung, etwa durch Gäste, zu weiterer Verunsicherung.

Mehr als 1,3 Millionen in Kurzarbeit

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Arbeitsministerin Christine Aschbacher (beide ÖVP) haben am Dienstag unter anderem über die Coronavirus-Kurzarbeit gesprochen.

Mehrmals hatten Regierung und Sozialpartner bei Unternehmen für das Kurzarbeitszeitmodell geworben. Man wolle die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Beschäftigung halten, so der Tenor. Das sei auch nach der Krise wichtig, um die Wirtschaft wieder hochfahren zu können. Die Kurzarbeit, die für die Industrie in der Finanzkrise 2009 gedacht war, wurde für die jetzige Situation flexibler gestaltet, damit auch Kleinunternehmen ihre Beschäftigten nicht kündigen. Geld für die Kurzarbeit fließt aber erst, wenn die Ausfallstunden der Beschäftigten pro Monat eingereicht werden.

Aschbacher sagte, dass die „Abrechnung der Kurzarbeit voll auf Schiene“ sei. Rund 60.000 Unternehmen hätten die Beihilfen schon erhalten, rund 100.000 Abrechnungen in Höhe von 907 Millionen Euro seien bereits bearbeitet worden. Die Marke von einer Milliarde Euro werde bald überschritten. Die Verlängerung des Modells um drei weitere Monate sei wichtig, man habe auch zusätzlich Personal angestellt, damit die Auszahlung schneller erfolge.

Mehr als 1,3 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit

In der vergangen Woche habe man die Auszahlungen verdoppeln können. Das bedeute, dass von den mehr als 110.000 Anträgen für die Kurzarbeit über 60 Prozent bereits „zur Auszahlung“ bearbeitet wurden, bewilligt wurden fast alle. Bei manchen Anträgen würden noch Informationen fehlen, die nachgereicht werden. Laufend, so Aschbacher, würden „tagtäglich“ Überweisungen im „zweistelligen Millionenbereich“ getätigt. Die Auszahlungssummen würden demnächst steigen, da vor allem „größere Betriebe mit größeren Summen“ am Ende des Monats ihre Abrechnungen eingereicht hätten.

Insgesamt sind derzeit 1,37 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit, die meisten im Handel, in der Gastronomie, in der Baubranche und bei der Warenherstellung. Berücksichtigt sei noch nicht, dass einige Kurzarbeitsprojekte Ende Mai ausgelaufen sind, genauere Zahlen darüber würden nächste Woche vorliegen, so Aschbacher, die davon ausgeht, dass die Zahl der in Kurzarbeit Beschäftigten zurückgehen wird. Bei etwa der Hälfte würde die Kurzarbeit verlängert werden. Das hätten Berechnungen und Schätzungen der Fachleute im Ministerium und des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) ergeben. Das hänge von der weiteren Entwicklung und von den einzelnen Branchen ab.

Hohe Arbeitslosigkeit trotz Kurzarbeit

Auch trotz Kurzarbeit, für welche die Politik insgesamt zwölf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hat, führt die Coronavirus-Krise weiter zu extrem hohen Arbeitslosenzahlen. Ende Mai waren mehr als 517.000 Personen arbeitslos oder in Schulung, das waren um 174.000 mehr als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote belief sich auf 11,5 Prozent. Nach Branchen betrachtet gab es den stärksten Arbeitslosenzuwachs im Bereich Beherbergung und Gastronomie mit plus 122 Prozent auf 98.500 Betroffene.

Grafik zeigt Daten zur Arbeitslosigkeit in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Das Wiederhochfahren der Wirtschaft führte aber teilweise auch zu einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Im Vergleich zu Ende März hatten 45.000 Arbeitslose wieder einen Job gefunden. „Das liegt nicht nur an saisonalen Effekten, die Lockerungen machen sich auch am Arbeitsmarkt bereits bemerkbar“, sagte Aschbacher bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). „Die Zahlen gehen in die richtige Richtung.“ Der Arbeitsmarkt ziehe „Schritt für Schritt an“, so die Arbeitsministerin.

Die pandemiebedingte Sperre der Gastronomie endete nach zwei Monaten Mitte Mai, die Hotellerie durfte erst am 29. Mai wieder öffnen. Die Zahl der sofort verfügbaren Stellen war Ende Mai mit 57.600 Jobs um 30 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat. Auch die Anzahl der sofort verfügbaren Lehrstellen war mit rund 4.600 um 21 Prozent niedriger als im Mai 2019. Wirtschaftsministerin Schramböck verwies auf das Lehrlingspaket der Regierung. Bis 31. Oktober können Unternehmen einen Lehrstellenbonus beantragen, 1.000 Euro beim Start der Lehre und 1.000 Euro beim Behalten des Lehrlings nach der Probezeit.