Innenkommissarin: Staaten agierten wie Individuen

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson vergleicht die erste Reaktion der EU-Länder in der Coronavirus-Krise mit jener von Panikkäufen. „Ich glaube, sie (die EU-Regierungen, Anm.) agierten wie Individuen“, sagte Johansson in einem Interview mit dem Magazin „Politico“ gestern in Bezug auf die unkoordinierte Einführung von Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen.

„Als die Krise begann, eilte jeder von uns zum Supermarkt, um viel Pasta und Toilettenpapier zu kaufen, ging nach Hause und verschloss mehr oder weniger die Türe. Die Mitgliedsländer haben sich ein bisschen ähnlich verhalten“, so die EU-Kommissarin.

Für sie sind Grenzschließungen im Gegensatz zu Sicherheitsvorschriften und Abstandhalten „kein effektives Mittel“, wenn ein Virus in allen Ländern präsent ist. Johansson warnt auch vor deren erneuter unkoordinierter Einführung im Falle einer zweiten Infektionswelle.

Johansson hofft auf „mehr EU-Kommission“

Die selektiven Grenzöffnungen, die zwischen Ländern mit ähnlichem Infektionsrisiko nicht zuletzt in Hinblick auf die kommende Tourismussaison durchgeführt wurden, findet die Schwedin hingegen „okay“, solange alle EU-Bürgerinnen und -Bürger diese Grenzen überschreiten dürfen. Am Freitag diskutieren die Innenminister der EU-Länder über die Aufhebung von Reiseverboten und Grenzkontrollen.

Johannson erwartet aufgrund des weitreichenden Charakters der Krise „neue Befugnisse“ für Brüssel. Eine „Lehre“ daraus könnte sein, dass die EU-Länder eine stärkere Koordination und „mehr EU-Kommission“ wünschen, in Bereichen, in denen die EU-Behörde bisher keine Kompetenz habe, so die Innenkommissarin. Dazu zählen Gesundheit und innere Angelegenheiten.

Im Falle einer zweiten Welle von Infektionen werden die EU-Länder ihrer Ansicht nach besser vorbereitet sein. „Wir werden sehr lange damit leben, und deshalb müssen wir lernen, wie man damit lebt, um den Schutz der Menschen mit einem vielleicht nicht normalen, aber ‚neuen normalen Leben‘ zu verbinden“, sagte die EU-Kommissarin.