Ruanda: Völkermordverdächtiger soll ausgeliefert werden

Ein mutmaßlicher Drahtzieher des Völkermords in Ruanda soll an ein internationales Tribunal ausgeliefert werden. Der über 80-jährige Felicien Kabuga, der mehr als zwei Jahrzehnte auf der Flucht war, soll an das Gericht International Residual Mechanism for Criminal Tribunals (IRMCT) überstellt werden, entschied heute ein Pariser Berufungsgericht.

Kabuga werden unter anderem Völkermord sowie Verfolgung und Vernichtung der ruandischen Tutsi-Minderheit vorgeworfen. Kabugas Anwalt Laurent Bayon kündigte an, Einspruch gegen die Entscheidung des Pariser Gerichts einzulegen.

Kabuga wurde 26 Jahre nach dem Völkermord Anfang Mai in Paris gefasst. Er erschien heute zur Anhörung erneut im Rollstuhl. Das IRMCT mit Sitz in Den Haag wickelt unter anderem die letzten Fälle des UNO-Tribunals zu Ruanda ab.

Massaker erst nach 100 Tagen beendet

Das UNO-Tribunal für Ruanda wurde 1994 etabliert, um Mitverantwortliche des Völkermords strafrechtlich zu verfolgen. Das Tribunal mit Sitz in Arusha in Tansania wurde vor einigen Jahren geschlossen. Kabuga wurde von dem UNO-Tribunal in sieben Punkten angeklagt.

Das IRMCT in Den Haag wirft Kabuga nun vor, die Interahamwe-Miliz unterstützt und finanziert zu haben. Sie war 1994 für einen Großteil der Morde an mindestens 800.000 Tutsis und gemäßigten Hutus verantwortlich. Die Hutus stellen in dem ostafrikanischen Land die Mehrheit, die Tutsis die Minderheit. Kabuga soll auch verantwortlich sein für den in den Genozid verstrickten Radio- und TV-Sender RTLM, der zu Morden an Tutsis aufgerufen hatte.

Das Massaker wurde damals erst nach rund 100 Tagen beendet, als die im Exil von Tutsis gegründete Ruandische Patriotische Front mit dem heutigen Präsidenten Paul Kagame an der Spitze aus Uganda einmarschierte. Viele Überlebende des Genozids hatten die Festnahme Kabugas als wichtigen Schritt in der Verarbeitung des Völkermords begrüßt.