„Lancet“: Bedenken zu Studie mit Hydroxychloroquin

Nach starker Kritik an einer potenziell folgenreichen Studie zum Einsatz von Hydroxychloroquin als Coronavirus-Medikament hat die Fachzeitschrift „Lancet“ Bedenken zu der Untersuchung geäußert. In einer Stellungnahme wies die renommierte Medizinfachzeitschrift ihre Leserinnen und Leser darauf hin, dass „schwerwiegende wissenschaftliche Fragen“ an der Studie an sie herangetragen worden seien.

„Lancet“ hatte die Studie am 22. Mai veröffentlicht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Hydroxychloroquin sowie der verwandte Wirkstoff Chloroquin nicht nur keinen Nutzen bei Covid-19-Patientinnen und -Patienten hätten, sondern möglicherweise wegen schwerer Nebenwirkungen sogar das Sterberisiko erhöhten.

Diese schweren und kaum vorhersehbaren Nebenwirkungen können lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen sein. Daraufhin hatten mehrere Länder die Behandlung von Covid-19-Erkrankten mit dem Malariamittel untersagt, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzte klinische Tests mit dem Mittel unter Verweis auf die Studie aus.

Forscher besorgt über Methodik

Eine Woche später äußerten sich Dutzende Forscherinnen und Forscher aus aller Welt in einem offenen Brief skeptisch über die Studie. Ihre eingehenden Prüfungen hätten „sowohl Besorgnis angesichts der Methodik als auch der Erhebung der Daten ausgelöst“, erklärten sie. In dem offenen Brief wird eine lange Liste von aus Sicht der Unterzeichner problematischen Punkten angeführt.

Für die Studie hatten Wissenschafter der Harvard Medical School in Boston (USA) und des Universitätsspitals Zürich – beides höchstrenommierte Med-Unis bzw. Kliniken – die Daten von 96.000 Patientinnen und Patienten in Hunderten Krankenhäusern weltweit ausgewertet. Die Daten stammten von dem US-Unternehmen Surgisphere, das nach eigenen Angaben auf die Analyse von Gesundheitsdaten spezialisiert ist.

In ihrem offenen Brief kritisieren die Forscherinnen und Forscher unter anderem, dass andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keinen Zugang zu den Rohdaten erhielten. Auch werde nichts über die Länder und die Krankenhäuser gesagt, aus denen die Daten kommen.

Warnung: Keine Verknüpfung mit Medieninteresse

„Lancet“ erklärte in dem Hinweis, dass sie die Autoren der Studie, die nicht mit Surgisphere verbunden seien, mit einer Prüfung der Daten beauftragt habe. Das Ergebnis dürfte „bald“ feststehen. „Sobald wir weitere Informationen haben, werden wir den Hinweis aktualisieren“, schrieb die Zeitschrift weiter.

Der französische Experte Gilbert Deray (Hospital Pitie-Salpetriere/Paris) sieht die Studie bereits „auf dem Weg, zurückgezogen zu werden“. Das wäre „eine Katastrophe“, erklärte Deray auf Twitter. Er warnte davor, wissenschaftliche Studien mit dem Medieninteresse zu verknüpfen: „Die Dringlichkeit der Pandemie rechtfertigt keine mittelmäßigen Studien.“